Faktencheck EU plant neues Zahlungsmittel: Was der digitale Euro bringen soll
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20. Oktober 2024, 05:00 Uhr
Neben Bankkarte und Bargeld soll in Zukunft noch ein weiteres Zahlungsmittel verfügbar sein: der digitale Euro. Jedenfalls ist das ein Plan der Europäischen Union. Er soll eine datenschutzfreundliche Alternative zu US-Zahlungsdiensten wie Visa, Paypal und Co. werden. Bisher ist der digitale Euro vor allem eins: eine Idee. MDR AKTUELL mit einem Faktencheck zum digitalen Euro.
- Ein TikTok-Creator befürchtet Probleme beim Auswandern durch den digitalen Euro.
- Geplant ist der digitale Euro von der EU als weiteres Zahlungsmittel, neben Bankkarte und Bargeld. Die EU verpricht sich davon Unabhängigkeit von US-Unternehmen und mehr Datenschutz.
- Das Zahlungsmittel soll ähnlich wie Bargeld funktionieren.
- Möglicher Termin für die Einführung des digitalen Euros: nicht vor 2028.
Ein Creator auf der Online-Plattform TikTok wittert Gefahr durch den digitalen Euro. Angeblich solle der "sehr viele Einschränkungen für sehr viele Menschen" bringen und "programmierbar" sein, sagt der Mann in einem reichweitenstarken Video. Auswandern sei bald nicht mehr so einfach möglich. Er verweist zudem auf seinen Kanal: Auf dem erklärt er etwa, wohin man auswandern könnte und mit welchen Einnahmequellen man als Auswanderer sein Geld verdienen kann. Auf seiner Website verkauft er Webinare zum Thema Auswandern.
Die Bedenken, die der TikTok-Creator in dem Video äußert, lassen sich schnell ausräumen, wenn man sich die aktuellen Pläne der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Zentralbank (EZB) ansieht – und mehr als ein Plan ist der digitale Euro noch nicht.
Was ist der digitale Euro – und was nicht?
Laut EZB soll der digitale Euro ein zusätzliches Zahlungsmittel für den Euroraum sein – keine alternative Währung oder Ersatz für Bargeld. Das betont auch Heike Winter von der Deutschen Bundesbank im Interview mit MDR AKTUELL, die an der Konzeptionierung beteiligt ist: "Es soll eine Ergänzung zum Bargeld sein. Das Bargeld wird damit nicht verschwinden, sondern es ist eine zusätzliche Möglichkeit, die jeder sich überlegen kann, zu nutzen oder auch es zu lassen."
Es [der digitale Euro, Anm. d. Red.] soll eine Ergänzung zum Bargeld sein. Das Bargeld wird damit nicht verschwinden, sondern es ist eine zusätzliche Möglichkeit.
Alexander Wahl, Rechtsassessor beim Europäischen Verbraucherzentrum, sieht im Gespräch mit MDR AKTUELL ebenfalls keine Hinweise, die die Bedenken des TikTok-Creators stützen: "Der Sinn und Zweck des Euros, also auch des bisherigen physischen Papier- oder Münzen-Euros, ist ja gerade, dass der im ganzen Euro-Raum ein einheitliches Zahlungsmittel ist, das man überall eben auch verwenden kann." Der digitale Euro soll demnach ein direktes, digitales Äquivalent zu den Euro-Banknoten sein.
Warum ein digitaler Euro?
Aus Sicht der EU braucht es den digitalen Euro im Kern aus drei Gründen:
Der erste ist die Unabhängigkeit von großen US-amerikanischen Zahlungsdienstleistern. Wer heutzutage etwas im Internet kauft, hat dafür meist ein digitales Zahlungsmittel hinterlegt, etwa eine Kreditkarte von Visa oder Mastercard oder einen Online-Zahlungsdienst wie PayPal. Alle drei Anbieter sind US-Unternehmen. Mit einer eigenen digitalen Zahlungsmöglichkeit will die EU weniger von diesen großen drei Zahlungsdienstleistern abhängig sein.
Punkt zwei ist der Datenschutz. EU-Korrespondent Maximilian Henning beschäftigt sich schon lange mit dem digitalen Euro und erklärt: "Es ist so, dass die aktuellen Zahlungsdienstleister sehr viel über ihre Kundinnen wissen. Und der digitale Euro ist eben so konzipiert, dass genau das eben nicht mehr so ist." Private Zahlungsdienstleister sammeln die Daten ihrer Kundinnen und Kunden für kommerzielle Zwecke. Dagegen verspricht die EZB mit dem digitalen Euro ein Höchstmaß an Privatsphäre. Transaktionen sollen anonym abgewickelt werden können, ähnlich wie bei Barzahlungen.
Es ist so, dass die aktuellen Zahlungsdienstleister sehr viel über ihre Kundinnen wissen. Der digitale Euro ist so konzipiert, dass das nicht mehr so ist.
Der dritte Punkt ist, dass die EU ein einheitliches Zahlungsmittel schaffen will, das im gesamten Euroraum gültig ist. Alexander Wahl vom Europäischen Verbraucherzentrum sieht darin mögliche Erleichterungen für Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn aktuell bieten verschiedene Unternehmen unterschiedliche Zahlungsmöglichkeiten an: "Also man will quasi ein einheitliches System schaffen, um diese Zersplitterung ein Stück weit aufzuheben."
Wie soll der digitale Euro genutzt werden können?
Der Digitale Euro soll überall im Handel angenommen werden, so wie Bargeld, sagt Heike Winter. Mithilfe eines Wallets auf dem Smartphone – also einer digitalen Brieftasche – soll man den digitalen Euro im Internet und auch offline nutzen können.
Winter nennt ein Beispiel aus der Praxis: "Also eine Fahrkarte mit Bargeld am Fahrkarten-Schalter zu kaufen, ist glaube ich inzwischen exotisch. Die meisten werden da auch eine App benutzen und haben dann ein digitales Zahlungsmittel hinterlegt. Und das könnten sie dann eben in Zukunft mit dem digitalen Euro machen."
Die Offline-Nutzung des digitalen Euro soll über die digitale Brieftasche auf dem eigenen Smartphone funktionieren. Ähnlich wie eine Prepaid-Karte für das Handy soll man einen bestimmten Geldbetrag in die digitale Brieftasche hinterlegen können. So soll der digitale Euro genau wie Bargeld funktionieren.
Bargeld soll es aber weiterhin geben, betont die Europäische Kommission. Das unterstreicht auch die Deutsche Bundesbank gegenüber MDR AKTUELL. EU-Korrespondent Maximilian Henning ergänzt: "Die EU arbeitet extra gerade an einem Gesetz, um das Bargeld zu stärken." Das sei vor allem im Hinblick auf einige EU-Länder nötig, in denen es viele Geschäfte gebe, die kein Bargeld mehr annehmen würden. Als Beispiel nennt Henning etwa die Niederlande.
Soll der digitale Euro "programmierbares Geld" sein?
Programmierbares Geld nutzen viele Verbraucherinnen und Verbraucher in Form von digitalen Gutscheinen, etwa für Online-Händler oder als Tankgutschein.
Die Befürchtung des TikTok-Creators, der digitale Euro könne "programmierbares Geld" sein, das nur zweckgebunden einsetzbar sei, dementieren sowohl Heike Winter von der Deutschen Bundesbank, als auch ein Sprecher der Europäischen Kommission auf Anfrage von MDR AKTUELL: "Der digitale Euro wäre nicht programmierbar. Er könnte von den Behörden also nicht einem bestimmten Verwendungszweck vorbehalten werden."
Der digitale Euro wäre nicht programmierbar. Er könnte von den Behörden also nicht einem bestimmten Verwendungszweck vorbehalten werden.
Schutz der Privatsphäre: Was ist geplant?
Doch wie steht es um die Privatsphäre? Kann die Bank zum Beispiel sehen, wofür man Geld ausgibt?
Nein, schreibt die Europäische Kommission auf Anfrage von MDR AKTUELL: "Bei Online-Zahlungen in digitalen Euro hätte Ihre Bank nur Zugang zu den personenbezogenen Daten, die für die Ausführung Ihrer Zahlung, die Verhinderung von Betrug und die Bekämpfung von Geldwäsche erforderlich sind, wie dies bereits heute bei anderen digitalen Zahlungsmitteln der Fall ist."
Wird der digitale Euro offline genutzt, soll sogar dasselbe Maß an Privatsphäre geboten werden, wie es bei Bargeld der Fall ist. Die Bank hätte dann nur die Information, wie viel Geld abgehoben wird.
Wann soll der digitale Euro kommen?
Der digitale Euro steckt derzeit noch in der Planungsphase. Eine mögliche Einführung wird frühestens 2028 erwartet. Man arbeite derzeit auf der Seite der Zentralbanken noch an technischen Fragen, denn es müsse eine riesige Infrastruktur aufgebaut werden, erklärt Winter.
Ende 2023 hat die EU-Kommission einen Gesetzesentwurf zum digitalen Euro vorgelegt. Bisher haben sich die verschiedenen EU-Institution allerdings bisher noch nicht auf diesen Entwurf geeinigt. Demnach soll der digitale Euro "keine Überwachungsmaschine werden, aber es gibt durchaus noch offene Fragen zum Datenschutz und eben auch dazu, wie wirklich nützlich er dann sein wird", sagt Henning.
Auf Anfrage von MDR AKTUELL weist das Bundesfinanzministerium darauf hin, dass bisher noch keine endgültige Entscheidung über die Einführung eines digitalen Euros getroffen worden ist: "Die laufenden Arbeiten der Europäischen Zentralbank (EZB) sind keine Entscheidung über die Einführung eines digitalen Euro."
Bis zu einer möglichen Einigung und Einführung bleibt der digitale Euro ein Plan in Richtung europäischer Unabhängigkeit im Zahlungsverkehr. Er könnte dazu beitragen, den Datenschutz im digitalen Zeitalter zu stärken. Ob er allerdings wirklich kommt und dann wirklich von den Verbraucherinnen und Verbrauchern genutzt wird, bleibt abzuwarten.