Schwangerschaftsabbruch Paragraf 218 auf dem Prüfstand
Hauptinhalt
03. Januar 2024, 12:16 Uhr
Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland noch immer strafbar. SPD und Grüne wollen das ändern, doch der Koalitionspartner FDP sieht dafür keine Notwendigkeit. Inzwischen sucht eine Kommission nach einer Lösung. Im Frühjahr sollen Ergebnisse vorliegen. Unterdessen hat sich die Situation für ungewollt Schwangere verschlechtert.
- SPD und Grüne wollen die Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen abschaffen, die FDP ist dagegen.
- Derzeit sucht eine unabhängige Kommission nach einer Lösung.
- Die Situation für ungewollt Schwangere hat sich verschlechtert.
Rund 100.000 Schwangerschaftsabbrüche werden jedes Jahr in Deutschland durchgeführt. Strafbar sind sie nur dann nicht, wenn die Frau eine Pflichtberatung in Anspruch nimmt, drei Tage Wartezeit einhält und der Abbruch in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Andernfalls droht eine lange Gefängnisstrafe oder eine Geldstrafe.
SPD und Grüne wollen Paragraf 218 abschaffen
Diese Regelung finden große Teile der Ampel-Koalition nicht mehr zeitgemäß. Die frauenpolitische Sprecherin der SPD, Leni Breymaier meint: "Weil, wenn Frauen immer das Damoklesschwert über sich hängen haben, dass sie kriminell sind, dann ist eine gut durchdachte persönliche Entscheidung nicht möglich, und deshalb gehören Schwangerschaftskonflikte raus aus dem Strafgesetzbuch."
Auch die Grünen möchten den Paragrafen 218 abschaffen. Die Koalition ist sich in dieser Frage jedoch keineswegs einig. Denn die FDP sieht weder eine Notwendigkeit noch den Spielraum für eine Reform. Die rechtspolitische Sprecherin der FDP, Katrin Helling-Plahr erklärt: "Man darf aber nicht verkennen, dass es in Abtreibungsfragen eben nicht nur um das Selbstbestimmungsrecht geht, sondern auch verfassungsrechtlich das Selbstbestimmungsrecht der Frau mit dem Schutz des ungeborenen Lebens in Abwägung zu bringen ist."
Da sich die Koalitionsparteien nicht einigen konnten, wurde eine unabhängige Kommission einberufen. Sie besteht aus Ärztinnen, Juristinnen, Soziologinnen und Ethikerinnen. Sie sollen die Möglichkeiten für eine Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches ausloten. Ergebnisse werden im Frühjahr erwartet. Bis dahin soll nichts nach außen dringen.
Langer Streit um das Thema Abtreibung
Das Thema Abtreibung war noch nie ein einfaches. Eine Neuregelung war zuletzt zu Beginn der 1990er-Jahre notwendig geworden, weil die strengen Gesetze der BRD und die deutlich liberalere Regelung der DDR nach der Wende aufeinandertrafen. Damals musste sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Paragrafen 218 beschäftigen.
Die SPD-Abgeordnete Breymaier sagt dazu: "Ich glaube, dass Richterinnen und Richter heute anders urteilen würden. Wir haben aber auch international, völkerrechtlich völlig andere Regelungen. Die Weltgesundheitsorganisation sagt, dass Frauen ein ungehinderter Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen ermöglicht werden muss. Also es hat sich einfach viel getan."
Situation für betroffene Frauen verschlechtert
Die Situation für betroffene Frauen hat sich hierzulande zuletzt deutlich verschlechtert. Auch das ist ein Grund für die grüne Familienministerin Lisa Paus, das Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Insbesondere in Süddeutschland ist es für Betroffene schwierig geworden, Beratungsstellen zu finden und Ärzte, die den Eingriff vornehmen.
Der frauenpolitischen Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, geht es deshalb auch darum, die Grundlage dafür zu schaffen, dass Ärzte in Ausbildung einen Schwangerschaftsabbruch standardmäßig lernen. Bisher ist das nicht der Fall. Schauws erläutert: "Von über 2.200 Praxen in Deutschland, wo Schwangerschaftsabbrüche gemacht werden konnten, sind wir mittlerweile auf unter 1.000 Praxen. Frauen in Rheinland-Pfalz zum Beispiel, die keine Ärztin finden, fahren zum Teil wieder nach Holland. Das ist auch Realität mittlerweile in Deutschland und deswegen müssen wir hier tätig werden."
Auch FDP will Situation für ungewollt Schwangere verbessern
Umstände, die im Übrigen auch FDP-Politikerin Helling-Plahr als nicht hinnehmbar ansieht: "Die Situation für ungewollt Schwangere ist tatsächlich äußerst unbefriedigend. Auch die Beratungsstelleninfrastruktur sollte bundesweit besser sein. Ich glaube, diesen Problemen müssen wir uns dringend stellen."
Grünen-Politikerin Schauws will für weitere Verbesserungen kämpfen, etwa eine rechtebasierte Beratung für die Schwangeren und die Anerkennung von Abtreibungen als normale Gesundheitsdienstleistung, sodass die ohnehin belasteten Frauen den Eingriff nicht zwangsläufig aus eigener Tasche finanzieren müssen.
Sie und ihre Mitstreiterinnen hoffen nun, dass die Diskussion um den Paragraphen 218 sachlich bleibt und es nicht zu einem großen Schlagabtausch kommt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 03. Januar 2024 | 06:00 Uhr