René Aust (l-r), Leiter der AfD-Delegation im Europaparlament, Alice Weidel, Parteivorsitzende und Fraktionsvorsitzende der AfD, und Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, geben eine Pressekonferenz nach der Europawahl.
Der Leiter AfD-Delegation im Europaparlament René Aust und die AfD-Parteivositzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla (v.l.n.r.) bei Pressekonferenz nach der Europawahl. Bildrechte: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Nach Europawahl Mittelstand sieht Wahlergebnis als Kritik an EU-Bürokratie und Ampel

11. Juni 2024, 13:36 Uhr

Der Chefvolkswirt des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft, Hans-Jürgen Völz, sieht im starken Abschneiden der AfD bei der Europawahl Kritik an der gewachsenen EU-Bürokratie unter Ursula von der Leyen und als Fundamentalkritik an der Ampel-Regierung im Bund. Ifo-Präsident Clemens Fuest rechnet nach den Verlusten von Grünen und SPD nicht mehr mit größeren wirtschaftspolitischen Reformen. Wegen der "Dominanz radikaler Parteien" warnt Fuest für den Osten zudem vor düsteren Perspektiven.

Der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMV) sieht im starken Abschneiden der AfD bei der Europa-Wahl Kritik an der EU-Kommission und der Bundesregierung. Chefvolkswirt Hans-Jürgen Völz sagte MDR AKTUELL, bei vielen bestehe die Hoffnung auf ein "reinigendes Gewitter" durch dieses Wahlergebnis. "Wenn Kritik an den herrschenden Verhältnissen in Brüssel im Wahlergebnis zum Ausdruck kam, dann wegen der in den letzten Jahren unter Frau von der Leyen stark gewachsenen Bürokratie."

Stärker noch als eine Abrechnung mit Brüssel sehe er aber fundamentale Kritik an der Bundesregierung, sagte Völz: "So weiß ich, dass viele ehemalige FDP-Wähler aus Enttäuschung zur AfD gewechselt sind." Ansonsten sei etwa ganz Sachsen früher CDU-dominiert gewesen. Und es spiele die Furcht eine Rolle, wer nach einer Bundestagswahl Koalitionspartner von CDU/CSU werden könnte, so der BVMV-Chefvolkswirt.

Ifo-Chef rechnet nicht mit größeren wirtschaftspolitischen Reformen

Der Präsident des Münchner Ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest, geht unterdessen davon aus, dass nach dem Wahlergebnis bei der Europawahl "größere wirtschaftspolitische Reformen für den Wirtschaftsstandort" Deutschland wohl nicht mehr zu erwarten seien. Fuest sagte bei einer Veranstaltung in Dresden, man könne davon ausgehen, dass nach den Verlusten der Grünen und der Schwäche der SPD die Arbeit der Berliner Ampel weiter erschwert werde. Die Koalitionspartner würden sich auf den bevorstehenden Bundestagswahlkampf konzentrieren.

Die Grünen waren bei der Europawahl deutschlandweit noch auf 11,9 Prozent gekommen und hatten im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren 8,6 Prozent eingebüßt. Die SPD verlor im Vergleich zur Wahl 2020 noch einmal 1,9 Punkte und landete bei 13,9 Prozent. Die AfD legte um 4,9 Prozent zu und landete mit 15,9 Prozent bundesweit auf Platz 2 hinter der Union. In den ostdeutschen Bundesländern wurde die AfD sogar stärkste Kraft, während sich das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) aus dem Stand sowohl im Bund als auch vor allem im Osten etablieren konnte.

Düstere Perspektiven für Osten, EU-Politik und Green Deal

Ifo-Chef Fuest sieht durch die "Dominanz radikaler Parteien wie AfD oder BSW" für die ostdeutschen Bundesländer verdüsternde wirtschaftliche Perspektiven, auch wenn diese Resultate nicht ohne weiteres auf Landtagswahlen übertragbar seien.

Was die rechtsextremen Wahlerfolge in Europa insgesamt angehe, fürchtet der Ifo-Präsident, dass dadurch das gemeinsame Handeln der EU in der Verteidigungs-, der Migrations- oder der Handelspolitik untergraben werden könnte, auch wenn die EU hier bislang nur sehr begrenzte Erfolge vorzuweisen habe. Durch die hohe Verschuldung in Frankreich und Italien geht Fuest zudem von Verschärfungen in der Schuldenpolitik aus.

Veränderungen erwartet Fuest zudem beim sogenannten Green Deal. Das EU-Maßnahmenpaket, dass mit Hunderten Milliarden Euro den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft anschieben soll, wird Fuest zufolge wohl nicht weitergeführt. "Für den Wirtschaftsstandort kann das positiv sein, sofern übermäßig bürokratische und ineffektive Teile des Green Deal zurückgenommen werden, etwa die Regeln für nachhaltige Finanzen oder die Vorgaben für die Berichterstattung zur Nachhaltigkeit." Es könnten aber auch Nachteile entstehen, wenn Instrumente wie der CO2-Preis zurückgedrängt würden.

MDR/Reuters(dni)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 11. Juni 2024 | 06:30 Uhr

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