Collage: Euromünze steht hinter vielen Hochspannungsmasten am Horizont. 4 min
Audio: An der Börse lag der deutsche Strompreis 2024 im europäischen Mittel. Dennoch ist der endgültige Preis von durchschnittlich 17 Cent höher, da unter anderem der Wind in Deutschland nicht so stark weht wie in anderen Ländern. Bildrechte: IMAGO / Wolfilser

Fraunhofer-Daten Deutsche Industriestrompreise an Energiebörse durchschnittlich hoch

16. Januar 2025, 09:05 Uhr

Eine Auswertung der Strompreise durch Bruno Burger vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ergab, dass Deutschland beim Börsenstrompreis im europäischen Mittelfeld liegt. Burger sagte MDR AKTUELL, im vergangenen Jahr habe der reine Strom an der Börse 7,8 Cent je Kilowattstunde gekostet. Zu einem Preis für Unternehmen von 17 Cent je Kilowattstunde führen zusätzliche Steuern und Abgaben. Wegen Nachlässen zahlen Industriebetriebe heute in etwa so viel für Strom wie vor vier Jahren.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Konfrontiert man Bruno Burger mit der Behauptung, Deutschland habe die höchsten Strompreise der Welt, fällt seine Reaktion knapp aus. "Das ist falsch. An der Börse sind wir im Mittelfeld."

Bundesverband für Energie: Deutscher Strompreis für Unternehmen ist hoch

Burger betreibt am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme die Internetseite energy-charts.info. Darauf veröffentlicht er Daten zum deutschen Strompreis. Vergangenes Jahr, sagt der Professor, habe der reine Strom an der Börse 7,8 Cent je Kilowattstunde gekostet. Das sei zwar nur ein Durchschnittswert – aber an gerade einmal vier Tagen sei der Preis höher als 20 Cent gewesen. "Auf der anderen Seite hatten wir auch Tage, an denen der Strom sehr günstig war. Wir hatten 68 Tage mit einem durchschnittlichen Strompreis von weniger als 5 Cent", erzählt Burger. "Und über diese guten Tage, an denen der Strom 'nichts' kostet, wird leider nicht berichtet."

Doch warum beschwert sich die Industrie dann so vehement? Ein Grund: Auch bei Großabnehmern, die an der Börse einkaufen, kommen noch Steuern und Abgaben hinzu – zum Beispiel für den Netzausbau. So landen die Unternehmen bei durchschnittlich 17 Cent je Kilowattstunde. Kerstin Andrae vom Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft sagt, im internationalen Vergleich sei das durchaus viel. "Wir können nicht konkurrieren mit einem sonnenreichen Arizona oder mit Ländern, die unglaublich viel Windenergie zur Verfügung haben."

Stromnetz ist dafür stabil

Trotzdem glaubt Andrae nicht, dass die Energiepreise allein darüber entscheiden, ob Unternehmen das Land verlassen. Für die vergleichsweise hohen Stromkosten bekämen sie auch etwas zurück: eine stabile Versorgung. "In Deutschland fällt der Strom quasi nicht aus. Das waren im letzten Jahr 12 Minuten. Die haben Sie und ich gar nicht mitbekommen." In anderen Ländern rede man von Stunden oder noch längere Phasen, argumentiert Andrae. "Und deswegen muss man der Energieversorgung neben der preislichen auch die qualitative Frage gegenüberstellen: Wie stabil, wie sicher ist die Stromversorgung?", argumentiert Andrae.

Über die Stabilität der Versorgung wacht hierzulande die Bundesnetzagentur. Und diese Behörde erhebt ebenfalls Daten zu den Preisen. Demnach bezahlen Industriebetriebe heute in etwa so viel für ihren Strom wie vor vier Jahren. Dass es nicht mehr ist, liegt daran, dass die Bundesregierung Steuern und Abgaben für die Betriebe reduziert hat. Dazu sagt Bruno Burger: "Die EEG-Umlage wurde ja 2022 schon abgeschafft. Und 2024 zahlte die Industrie auch keine Stromsteuer. Und das sind Entlastungen, die ja viel gebracht haben. Also da ist schon ein gewaltiger Fortschritt da."

Strompreis für energieintensive Industrie deutlich höher als vor vier Jahren

Doch es gibt tatsächlich einen Bereich in der Wirtschaft, der davon nichts hatte: das ist ausgerechnet die besonders energieintensive Industrie. Sie ist schon länger von diversen Abgaben und Umlagen befreit und hat deshalb von den in der Energiekrise beschlossenen Entlastungen kaum profitiert. Für ihren Strom zahlt sie heute rund 66 Prozent mehr als vor vier Jahren. Wirtschaftsverbände fordern für betroffene Unternehmen wie Gießereien oder Stahlwerke einen staatlich gestützten Industriestrompreis. SPD und Grüne waren dafür offen. Eine Einigung scheiterte aber am Widerstand der FDP, dafür neue Schulden aufzunehmen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 15. Januar 2025 | 06:13 Uhr

295 Kommentare

emlo vor 7 Wochen

Schön! Und wo sind da jetzt die "grosse(n) Mengen Atomstrom aus Frankreich" von denen "faultier" schrieb? Knapp 4 Prozent am Gesamtverbrauch sind bei mir jedenfalls keine "große Menge".

nasowasaberauch vor 7 Wochen

Mache Sie es doch nicht so kompliziert, daurch wird es nicht besser. Ihre Nullsummenrechnung funktioniert nicht, wenn unter dem Strich der Bund ca. 17 Mrd./a, Tendenz steigend, als Entschädigung an die EVU zahlen muss. Dieses Gesetz ist real: "Gem. § 13a Abs. 2 EnWG ist der Netzbetreiber dazu verpflichtet, den Anlagenbetreiber im gesetzlichen Umfang zu entschädigen, wenn dieser aufgrund von Redispatch-Maßnahmen keinen Strom einspeisen konnte. Zu entschädigen sind die entgangenen Einnahmen, insbesondere auch die entgangene Einspeisevergütung nach dem EEG, und zusätzliche Aufwendungen. Darüber hinaus haben Bilanzkreisverantwortliche und Direktvermarkter einen Anspruch auf bilanziellen Ausgleich, wenn sich eine Abregelungsmaßnahme auf ihren Bilanzkreis auswirkt."

wodiho vor 7 Wochen

@goffmann
"Geld dass sich innerhalb eines Landes verschiebt ist doch ein wesentlich geringerer Schaden als Geld dass fuer Importe draufgeht e.g. fossile Rohstoffe"
Die Importe von fossilen Rohstoffen haben wir doch trotzdem. Und zu weitaus höheren Preisen als vor 2022.
Aber vor 2023 konnten wir wenigstens noch Strom exportieren, und Erlöse erwirtschaften.
Wahrscheinlich ist es bei Ihnen noch nicht so angekommen: Wir haben für 2024 einen negativen Saldo!!!( auch 2023, nur wesentlich geringer )
Bei statista.com:
"Der Stromaustauschsaldo Deutschlands betrug im Jahr 2024 rund 23,5 Terawattstunden. Dies bedeutet, dass Deutschland im Jahr 2024 rund 24 Terawattstunden mehr importierte, als es exportierte. Das war, abgesehen von 2023, zuletzt im Jahr 2002 der Fall. as heißt, wir bezahlen mittlerweile für unseren Strom ans Ausland."

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