Textil-Recycling Fast Fashion macht Geschäft von Altkleider-Verwertern kaputt
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06. November 2024, 07:34 Uhr
Im Herbst gehen viele ihren Kleiderschrank durch: Welche Klamotten kann man ausrangieren? Diese landen dann im Altkleider-Container. An Obdachlose, Flüchtlinge oder andere Bedürftige geht davon nur ein Bruchteil. Die riesigen Mengen an Altkleidern in Deutschland kaufen professionelle Verwerter auf, sortieren sie und bieten noch Tragbares weltweit als Secondhand-Ware an. Doch das wird immer schwieriger.
- Die Firma Soex, ein Verwerter für Altkleider in Bitterfeld-Wolfen, ist insolvent.
- Der Markt für gebrauchte Kleidung hat sich dramatisch verändert, der Trend geht immer mehr zu "Fast Fashion".
- Gebrauchte Kleidung wird so immer mehr zum Ladenhüter.
An Arbeitstagen rollt Lkw für Lkw auf den Parkplatz von Soex in Bitterfeld-Wolfen. Die Firma sortiert Altkleider, 100.000 Tonnen im Jahr. Was noch brauchbar ist, verkauft sie als Secondhand-Ware vor allem nach Osteuropa und Afrika.
Doch zuletzt machte Soex damit Verluste. Geschäftsführer Fred Ponath hofft im Insolvenzverfahren auf einen Neustart. "Als erfahrener Sammler und Sortierer verfügen wir sowohl über die Mengen als auch die Expertise, unsere Technik stetig praxisnah weiterzuentwickeln und unser Business-Modell auf die künftigen Anforderungen auszurichten." Man wolle einen neuen Gesellschafter finden, der eine gemeinsame Zukunft gestalten könne und wolle.
Fast Fashion landet im Container
Aber einfach wird das nicht. Der Markt für gebrauchte Kleidung hat sich dramatisch verändert. Zunächst einmal landen in Altkleider-Containern heute sehr viel mehr Klamotten als früher.
Thomas Ahlmann vertritt die Sammler und Sortierer im Branchenverband "Fairwertung". Er sagt: "Die Menge der Textilien hat sich verdreifacht in den letzten Jahren." Zudem sinke die Qualität deutlich. Der Fast-Fashion-Trend komme jetzt in den Containern an.
Neuware kann günstiger gekauft werden als Secondhand
Früher fanden die Altkleider-Sortierer noch viel Tragbares: Marken-Jeans, Business-Hemden, Winterjacken. Doch der Trend geht gerade bei jungen Leuten zu Kleidung, die günstig ist und nur eine Saison halten muss. Diese sogenannte Fast Fashion verstopfe inzwischen nicht nur Altkleider-Container, sagt Thomas Fischer vom Entsorger-Verband BVSE.
Fabrikneue Billig-Mode werde zunehmend auch in Ländern angeboten, die bislang gern Second-Hand-Ware nahmen, erklärt Fischer. Es sei "ein Riesenproblem", wenn Fast-Fashion-Firmen günstiger in die Exportländer liefern könnten als man selbst Secondhand-Ware. Die bisherigen Abnehmer der sortierten Secondhand-Ware könnten so derzeit günstiger Neuware kaufen.
Verwerter hoffen auf Unterstützung von der Politik
Gebrauchte Klamotten werden so zu Ladenhütern. Und das dürfte auch gemeinnützige Organisationen treffen. Denn sie stellen in Deutschland oft die Sammelcontainer und verkaufen den Inhalt an die Sortierer. Wenn sie mit Altkleidern nichts mehr verdienen, dürften bei DRK, Arbeiterwohlfahrt oder Caritas aber die Erlöse sinken.
Es brauche eine Lösung, sagt Thomas Fischer. "Es ist ja so: Wenn Sie Container im öffentlichen Raum aufstellen, zahlen sie Sondernutzungsgebühren." Die Politik könnte deshalb vielleicht ein halbes Jahr mal keine Stellplatzgebühr verlangen, schlägt Fischer vor.
Mitfinanzierung von Kleidung durch gelben Tonne
Auch Thomas Ahlmann von Fairwertung meint, kurzfristig könne es Sammlern und Sortieren helfen, wenn sie ihre Container kostenlos aufstellen dürften. Doch das reiche nicht aus. "Langfristig brauchen wir eine erweiterte Produktverantwortung für Textilien." Die sei in Planung. "Die brauchen wir aber schnell." Die Inverkehrbringer, also die Produzenten und Marken, müssten für die Sammlung, die Sortierung und auch das Recycling von Textilien am Ende ihrer Lebensdauer mitbezahlen.
Ahlmann stellt sich ein System so ähnlich wie bei der gelben Tonne vor. Die Hersteller entrichten eine Abgabe und aus den Einnahmen wird das Recycling mitfinanziert. Davon profitieren könnte auch Soex in Bitterfeld-Wolfen.
Nur lassen entsprechende Gesetze auf sich warten. Bleibt die Frage: Was passiert eigentlich mit den vielen Klamotten, die sich nicht als Secondhand-Ware eignen? Bei Soex werden sie geschreddert und zum Beispiel als Dämmstoff verkauft. Doch nur mit Säcken voller Textilfasern lässt sich eben kaum etwas verdienen.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 04. November 2024 | 06:55 Uhr
Jedimeister Joda vor 4 Wochen
Egal was die Kommentatoren sagen, es ist immer wieder Wahrheit dabei. Auf einen Satz gebracht ist es doch so: Der hochgelobte Kapitalismus ist in einer Krise der Überproduktionskrise.
Deutscher_Patriot vor 4 Wochen
@AlexLeipzig: Wieso, elBuffo könnte doch auch seine Meinung geändert haben.
Manche Leute beharren nicht auf ihren Meinungen, sondern lassen sich durchaus von Fakten und Tatsachen überzeugen.
In dem Sinne ...
Deutscher_Patriot vor 4 Wochen
Die Hilfe bei der Altkleidersammlung kommt auch dadurch zustande, dass Rotes Kreuz (oder wer auch immer für wohltätige Zwecke Altkleidung sammelt), die Altkleider verkaufen und den Erlös für arme Menschen in prekärer Lage nutzt.
In dem Sinne sind Altkleider-Sammlungen auch nützlich für arme Menschen, selbst wenn die Kleidung selbst nicht direkt an bedürftige verteilt wird.
Die Sortierung der Altkleider in "fast neuwertig", in "brauchbar", in "brauchbar mit kleinen Fehlern" oder in "zum Tragen unbrauchbar", kostet auch Zeit, Arbeitskraft und Resourcen.
Wenn das professionelle Altkleider-Verwerter tun, und dem Roten Kreuz für den ganzen Container Geld zahlen, ist das möglicherweise für das Rote Kreuz sinnvoller und günstiger, als selber die Kleidung sortieren zu müssen.
Da mal drüber nach denken ...