Andreas Brzezinski
Andreas Brzezinski, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Dresden sorgt sich trotz steigender Zahlen an Lehrlingen um Zukunft des Handwerks. Bildrechte: picture alliance/dpa/Robert Michael

Handwerkskammerchef im Gespräch Azubis im ostdeutschen Handwerk – steigende Zahlen und doch nicht genug

28. August 2024, 08:56 Uhr

Im Osten von Deutschland verzeichnen Ausbildungsbetriebe insgesamt einen Anstieg an Auszubildenden seit 2015. Das mag an der gestiegenen Attraktivität der Berufe, aber auch am demografischen Wandel liegen. Der Chef der Handwerkskammer Dresden verweist trotzdem auf den großen Fachkräftemangel – heute um 10 Uhr stellt er sich Ihren Fragen im Radio.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Alfred Riedel lernt das Bäcker-Handwerk jetzt in Spanien. In Valencia, an der Mittelmeerküste, wo die Sommer noch heißer und die Backstuben noch glühender sind als hier, macht der 20-Jährige aus Sachsen Praktikum. Morgens knetet er Teig, nachmittags entspannt er am Strand.

Drei Monate bleibt Riedel, um damit seine Meisterausbildung zu krönen: "Wenn man jetzt in Spanien ist, das sind halt andere Leute. Die denken anders, die arbeiten auch anders. Und das finde ich halt interessant zu sehen." Die Menschen hätten andere Maschinen, spezielle Teige, die man in Deutschland nicht produziere. "Ein paar sprechen auch Englisch. Aber es geht auch sehr viel über Hände und Füße." Und da man im gleichen Gewerbe sei, könne man sich dann doch ganz gut verständigen.", erzählt Riedel.

Lehrlingszahlen in Ost-Deutschland nehmen seit 2015 zu

Riedel ist einer von jährlich einhundert jungen Sachsen, denen die Handwerkskammer Dresden ein Auslandspraktikum ermöglicht. Finanziert wird das über das Erasmus-Programm der Europäischen Union, das sonst vor allem Studenten nutzen. Für Kammergeschäftsführer Andreas Brzezinski ist die Möglichkeit, auch als Handwerker ein paar Monate ins Ausland zu gehen, ein Baustein, um die Ausbildung attraktiver zu machen.

In Dresden, erzählt Brzezinski, seien die Lehrlingszahlen zuletzt gestiegen. Momentan habe man dort mehr als 1.600 abgeschlossene Ausbildungsverträge. Das seien zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit. "Man spürt das Interesse der jungen Leute sich mit Themen wie Nachhaltigkeit, wie Energieeffizienz beschäftigen zu wollen. Man spürt aber auch, dass junge Leute an konkreten Themen, konkreten Projekten gerne anpacken wollen und sich dann auch individuell ein Stück weit verwirklichen wollen.", berichtet Brzezinski.

Tatsächlich nehmen die Lehrlingszahlen in Ostdeutschland seit 2015 wieder leicht zu. Gab es vor zehn Jahren nur noch 47.000 Lehrlinge im Handwerk, sind es heute wieder 51.000. Die Gründe seien vielschichtig, sagt Gabriele Wydra-Somaggio vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Zum einen habe das Handwerk an Attraktivität gewonnen, die Löhne seien gestiegen.

Der Osten profitiere aber auch von einer Besonderheit in der Bevölkerungsentwicklung. "In Westdeutschland werden die Schulabgängerzahlen immer kleiner, so dass die Zahl der ausbildungsfähigen Jugendlichen weiter schrumpft." In Ostdeutschland seien die Schulabgängerzahlen zwischen 2007 und 2013 aufgrund des Nachwende-Geburtenknicks massiv eingebrochen, erholten sich jetzt aber wieder. "Also die steigen jetzt wieder, so dass der potenzielle Bewerberpool wieder steigt in Ostdeutschland."

Lehrlingszahlen reichen nicht trotz Zuwachs

Den Fachkräftemangel kann diese Entwicklung allerdings nicht lösen. Dafür ist der Zuwachs zu gering. Nach wie vor gehen in Ostdeutschland mehr Menschen in Rente als Jüngere nachkommen. Nach wie vor blieben tausende Lehrstellen unbesetzt, sagt Dresdens Kammerchef Brzezinski. "Wir haben sehr starke Bedarfe momentan im Bereich der Sanitär-, Heizungs-, Klimaberufe. Im Bereich Elektroniker, auch im Kfz-Bereich." Am Ende des Tages reiche die Zahl der jungen Leute nicht aus. Es brauche gesteuerte Zuwanderung. "Wir brauchen weitere Akteure, die vielleicht aus anderen Regionen hierher zu uns kommen, um eine Ausbildung hier zu absolvieren."

Wie groß der Nachwuchsmangel weiterhin ist, unterstreicht eine andere Zahl. Im Jahr 2000 gab es in Ostdeutschland noch fast 150.000 Auszubildende im Handwerk. Heute sind es ein Drittel so viele – trotz des leichten Zuwachses der vergangenen Jahre.

Wenn Sie mit Andreas Brzensinski diskutieren wollen, dann können Sie ab 8 Uhr anrufen unter 0800-3333004 und ihre Frage vormerken lassen. Um 10 Uhr beginnt dann die Sendung "Hörer machen Programm – der Talk“.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 28. August 2024 | 06:12 Uhr

41 Kommentare

Huxley vor 27 Wochen

Von was wollen sie ablenken? Dass in jeder Industrienation mit steigendem Wohlstand und steigender Bildung die Geburtenrate zurück geht, weil Frauen dort zunehmend andere Ziele im Leben verfolgen als möglichst viele Kinder zu kriegen.

Das ist also ein weltweites Problem und weltweit kann die Wirtschaftsleistung solcher Staaten ohne Zuwanderung nicht aufrecht erhalten werden.
Wer jetzt glaubt, dass wir uns einfach weniger Wirtschaftsleistung erlauben können, der darf gerne fragen wo dann die Einsparungen vorgenommen werden sollen.

Mediator vor 27 Wochen

Der Fachkräftemangel ist inzwischen auch bei den zukünftigen Azubis angekommen. Auch im Handwerk werden die Aufgaben immer komplexer und so taugt wohl so mancher Jugendliche heute aufgrund der Komplexität mancher Ausbildung nicht mehr für einen Beruf, für den er vor 20 Jahren vielleicht noch geeignet war.

Ausbildungsbetriebe müssen heute attraktiv für Jugendliche sein, das erfordert es oftmals sich von alten Zöpfen zu trennen die manche inzwischen bereits als vermeintliche Naturgesetze ansehen. Trotz all dieser Maßnahmen wird man jedoch nicht um eine massive Zuwanderung herum kommen, will man auch nur ansatzweise das aktuelle Niveau halten.

Mediator vor 27 Wochen

Jammern tun doch hauptsächlich Leute wie sie!
Firmen müssen sich am Markt behaupten und das bedeutet, dass man Arbeitsleistung und Material nicht ohne zwingenden Grund teurer als notwendig einkauft.
Jede Region hat ihr spezifisches Lohngefüge das sich aus verschiedensten Faktoren ergibt. Ein Faktor ist sicher der Grad der gewerkschaftlichen Organisation oder die Existenz von Betriebsräten.
Man kann natürlich auch selbst versuchen mit dem Chef über mehr Lohn zu verhandeln, aber da braucht es schon sehr gute Argumente wenn man Erfolg haben will.

Ihre Behauptung in Bezug auf den Mindestlohn wurde weiter unten übrigens schon sauber widerlegt.
Die Frage "was einer verdient" ändert übrigens nichts an der Problemstellung, dass es zu wenige Azubis und Arbeitskräfte in der Region gibt.

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