"Spurensuche" steht zwischen Fotografien, die im Stasi-Unterlagenarchiv in Halle/Saale zu sehen sind.
Im Stasi-Unterlagenarchiv in Halle gibt es viele Bilder, deren Geschichte und Hintergrund noch unklar ist. Mit Hilfe der Aktion "Spurensuche" soll das geändert werden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Geschichte hinter den alten Bildern Aktion "Spurensuche": So können Sie dem Stasi-Archiv Halle helfen

06. Juni 2022, 14:39 Uhr

Das Team rund um Marit Krätzer, Leiterin der Außenstelle Halle des Stasi-Unterlagen-Archivs, hat die Aktion "Spurensuche" gestartet. Denn in ihrem Archiv gibt es viele alte Bilder, deren Hintergrund noch unklar ist. Mit Hilfe der Bürgerinnen und Bürger soll sich das ändern. Ein Einblick.

"Hauseingänge, Straßenecken, Betriebsgeländen – mit und ohne Menschen", beschreibt Archivarin Ulrike Vogel die vielen Fotos, die in einigen der langen Flure des Stasi-Unterlagenarchivs in der Blücherstraße in Halle hängen. "Wir suchen Hinweise zu mehr als 700 Schwarz-Weiß-Fotografien, diese wurden nach Auflösung des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in einer Garage unweit des Hauptgebäudes entdeckt", sagt Marit Krätzer, Leiterin der Außenstelle Halle des Stasi-Unterlagen-Archivs im Bundesarchiv. Ein Großteil der Filme sei verschmutzt und verklebt gewesen.

Hilfe beim Identifizieren der Bilder benötigt

"Für die geplante Ausstellung haben Auszubildende die Negative gescannt, um Fotos für die Spurensuche zu gewinnen. Besucher bitten wir, uns bei der Identifizierung der Bilder zu helfen", erzählt Krätzer weiter. Es sei davon auszugehen, dass Stasi-Spitzel der Abteilung VIII die Objekte zielgerichtet fotografiert haben, denn jene Abteilung VIII war in der DDR zuständig für konspirative Observierungen und Ermittlungen sowie für Festnahmen und Durchsuchungen.

Wir vermuten, dass die Bilder überwiegend im ehemaligen Bezirk Halle aufgenommen wurden, vereinzelt aber sind auch Bilder darunter, die anderenorts entstanden sind, auch in westdeutschen Städten.

Marit Krätzer, Leiterin der Außenstelle Halle des Stasi-Unterlagen-Archivs im Bundesarchiv

Wer sind die Menschen & Objekte auf den Fotos?

Während bei einem Großteil der in der ehemaligen Stasi-Bezirksverwaltung gefundenen rund 116.000 Bilddokumente eine Zuordnung möglich sei, fehlt zu jenen ausgestellten und nummerierten Bildern jeder Hinweis. "Uns interessiert, wer die auf den Fotos abgebildeten Menschen und Objekte sind und wo und wann die Aufnahmen entstanden sind", ergänzt Vogel, zu deren Aufgaben auch die Zuordnung von Archivbildern in einen bestimmten Zusammenhang gehört.

Die Aktion "Spurensuche" & das Stasi-Archiv Halle Bei der Aktion "Spurensuche» hofft die Behörde auf weitere Hinweise aus der Bevölkerung. Am 25. Juni - beim Tag der Offenen Tür – besteht zwischen 10.00 und 17.00 Uhr eine günstige Gelegenheit, alle Rätsel-Fotos vor Ort genauestens anzusehen. Die Stasi-Bezirksverwaltung Halle war, gemessen an der Zahl der Dienststellen, die größte in der DDR. Zur engmaschigen Überwachung der Bevölkerung gab es neben der Zentrale in den damals 23 Landkreisen des Bezirkes jeweils eine Dienststelle. Hinzu kamen drei Objektdienststellen in den großen Kombinaten Buna, Leuna und Bitterfeld. Das Interesse am Wirken der Stasi ist fast 33 Jahre nach der Friedlichen Revolution noch immer groß. Von den bundesweit mehr als drei Millionen Bürgeranträgen zur Akteneinsicht seit 1992 gingen allein in Halle mehr als 180 000 ein. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit rund 30 600 Bürgeranträge auf Akteneinsicht gestellt, mehr als 1230 davon in Halle.

"Wir nehmen an, dass nicht alle Fotos von der Stasi gemacht wurden", betont Krätzer. Etliche Fotos seien gestohlen beziehungsweise beschlagnahmt worden, zum Beispiel wenn Stasi-Leute Wohnungen durchsucht hätten. Es sei schwer, die Herkunft vieler dieser Materialien zu ermitteln, weil der Entstehungszusammenhang fehlt und die Eigentümer unbekannt sind. Wahrscheinlich sollten alle Fotos vernichtet werden.

Doch mutige Bürgerinnen und Bürger besetzten am 5. Dezember 1989 die Bezirksverwaltung in Halle. Sie stoppten die Aktenvernichtung und versiegelten die Archiv- und Diensträume. "Die vielen Unterlagen, in große Kisten verpackt, wurden Wochen später von uns vom ehemaligen Haupthaus in das benachbarte Gebäude transportiert, wo sie später archiviert wurden", berichtet Wolfgang Schuster, der damals als Mitglied des Bürgerkomitees dabei war.

Die Frauen Regina Schild, Rita Sélitrenny und Renate Stefanek gehören nach dem Mauerfall zu den ersten, die hier mit der Aufarbeitung des Stasi-Erbes beginnen:

Bereits über 650 Hinweise erhalten

"Erkannt" steht an einem Foto, das im Stasi-Unterlagenarchiv in Halle/Saale zu sehen ist.
Dank der über 650 Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern konnten einige Fotos bereits mit "Erkannt" markiert und dementsprechend zugeordnet werden. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Um mehr über die rätselhaften Aufnahmen aus der Stasi-Garage zu erfahren, starteten Krätzer und ihr Team im Jahr 2019 die Operation "Spurensuche". Seither liegen in den Fluren Zettel bereit, auf denen Besucher angeben können, wo oder wann die Aufnahmen entstanden sind. "Wir haben zu einigen Bildern Hinweise bekommen. Allerdings hat Corona die Spurensuche gebremst, Veranstaltungen mussten abgesagt werden und es konnten uns wesentlich weniger Interessierte vor Ort besuchen", berichtet die Außenstellen-Leiterin.

Die Erfolge der "Spurensuche"werden an ausgestellten Bildern sichtbar gemacht. "Uns haben über 650 Hinweise erreicht, zu manchen Fotos haben gleich mehrere Personen wichtige Hinweise gegeben", erzählt Archivarin Vogel. "Oftmals seien bewegende, sehr persönliche Erinnerungen damit verbunden", ergänzt Krätzer.

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MDR (Johanna Daher), dpa

2 Kommentare

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