"Treffpunkt Ziwi" Nach Beschwerden von Anwohner: Neues Angebot für Nachtschwärmer in Halle

07. Juni 2022, 12:26 Uhr

Auf den beliebten Plätzen in der Innenstadt von Halle machen sich abends viele junge Leute breit – zu Lasten der Anwohner. Ein neues Angebot der Stadt soll für beide Parteien eine Lösung bieten. Am ersten Samstag dieser Art nahmen es die Feiernden noch verhalten an.

Es ist 22.30 Uhr am Pfingstsamstag in Halle. Die Luft ist noch angenehm warm. Die Freunde Julia, Daniel und Angie sitzen seit ein paar Stunden auf der kleinen Wiese am August-Bebel-Platz – dem wohl beliebtesten Ort für lockeres Beisammensitzen in der Saalestadt. Dutzend andere junge Leute um sie herum tun es ihnen gleich: Sie quatschen, lachen, stoßen an. Von manchen Ecken schallt Musik aus den Boxen und ab und zu überquert eine grölende Gruppe den Platz.

Es ist nicht nur der hohe Geräuschpegel, der die Menschen in den angrenzenden Häusern stört. Eine Anwohnerin, die anonym bleiben möchte, ärgert sich auch über liegengelassene Flaschen und Glasscherben. "Und die Wiese ist so zertrampelt – das macht einfach ein unschönes Gesamtbild", sagt sie.

Polizei für einen sicheren Rahmen

Die Stadtverwaltung will die Lage in der Innenstadt nun entschärfen, indem sie den jungen Leuten die Ziegelwiese an der Saale als alternativen Treffpunkt anbietet. Dafür hat sie dort Anfang Juni Toiletten aufstellen lassen und die Beleuchtung verbessert. Zudem soll jeden Samstag ab 17 Uhr eine Abordnung der Polizei und des Ordnungsamtes vor Ort sein. "Damit wollen wir nicht unsere Knöllchenrate erhöhen oder die Leute kontrollieren, sondern wir möchten, dass sie sich sicher treffen können", betont der stellvertretende Fachbereichsleiter Sicherheit der Stadt, Robert Pulz.

Fünf Ordnungsbeamte seien für die Samstage erstmal eingeplant. "Bis 1 Uhr nachts sind die Kollegen auf jeden Fall da. Wenn viel los ist, bleiben sie auch noch länger", sagt Pulz. Die Polizeipräsenz finden vor allem Minderjährige gut: "Ich fühle mich jetzt sehr sicher hier", sagt der 16-jährige Konrad, der mit seinen Freunden auf die Ziegelwiese gekommen ist. Auch eine Schülerin hat nichts gegen die Polizei: "Mich stört sie nicht, weil ich ja nichts Verbotenes mache." Kritischer zeigen sich ältere Feiernde wie die Mittzwanzigerin Julia: "Ich weiß nicht, inwiefern mir die Polizei die Ziegelwiese attraktiver machen soll. Das bewirkt doch eher das Gegenteil!"

Streetworker wagen noch keine Prognose

Neben der Polizei unterstützen auch Streetworker den "Treffpunkt Ziwi". Sie bleiben aber bewusst passiv: "Wir wollen uns gar nicht aufdrängen. Wir haben Wasser und Präventionsmaterial dabei; das können sich die Jugendlichen abholen", sagt Arne Ahrens. Gegen 21 Uhr kommt tatsächlich eine Gruppe ausgelassener Jugendlicher vorbei und lässt sich auf den mitgebrachten Sitzsäcken nieder – sie wollen einfach nur quatschen.

Das Interesse an der Ziegelwiese ist am ersten Abend noch verhalten. Rund 160 Parkbesucher zählte die Polizei am Samstagabend auf der "Ziwi" in der Spitze. Darunter waren schätzungsweise 50 Personen zwischen 14 und 24 Jahren. Dass das Interesse noch nicht so groß ist, sehen die zwei Streetworker gelassen: "Nächste Woche kann es schon wieder ganz anders aussehen. Heute ist ja der erste Test", meint Ahrens. Wie viele Leute abends auf die Ziegelwiese kommen werden, hänge auch vom Wetter und möglichen Konkurrenzveranstaltungen ab. Am Pfingstwochenende fand beispielsweise parallel zum ersten "Treffpunkt Ziwi" das Wave-Gotik-Treffen in Leipzig und das Sputnik Spring Break-Festival statt.

Noch mehr Anreize für die Ziegelwiese nötig

Vom "Treffpunkt Ziwi" haben die meisten Nachtschwärmer in Halle an diesem Pfingstsamstag noch nicht gehört. So einfach wollen sie sich auch nicht von ihren gewohnten Plätzen vertreiben lassen. "Hier hat man das Gefühl, in einer Stadt zu sein, die lebt. Daran teilzunehmen, ist sehr reizvoll", erklärt Daniel und seine Freunde nicken zustimmend. "Im Vergleich dazu ist die Ziegelwiese ein grüner Fleck, der sich wie Wald anfühlt." Trotzdem würde er dem neuen Angebot eine Chance geben. Allerdings brauche die Ziegelwiese noch mehr Anreize, um sich dort abends wohl zu fühlen. "Man muss Atmosphäre zaubern; das fängt schon mit einer schönen Lichterkette an", glaubt der junge Lehrer. Er könne sich ein Kulturangebot mit Livemusik gut vorstellen, genauso wie eine Kooperation mit Clubs für Open-Air-Events. Auch ein Getränkeangebot dürfe nicht fehlen, sonst würde es die Leute doch wieder in die Nähe der Spätis ziehen.

Große Altersunterschiede als Herausforderung

Es sind vorwiegend Studierende und junge Arbeitnehmer, die die Meinung von Daniel, Julia und Angie teilen. Für Minderjährige scheinen wiederum andere Faktoren für die Wahl des Treffpunktes entscheidend zu sein. Den unterschiedlichen Interessen dieser Altersgruppen gerecht zu werden, könnte für das Projekt "Treffpunkt Ziwi" zur Herausforderung werden. Ob sich die Nachtschwärmer langfristig darauf einlassen, muss die Zeit erst zeigen. Zum Ende des Sommers will die Stadt eine erste Bilanz ziehen.

MDR (Cornelia Winkler)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 07. Juni 2022 | 07:30 Uhr

3 Kommentare

Baldur von Ascanien am 08.06.2022

""" Für Minderjährige scheinen wiederum andere Faktoren für die Wahl des Treffpunktes entscheidend zu sein. """ Ist das normal, 14 jährige Nachts auf der Strasse?

geradeaus am 08.06.2022

Erst der Konsum von unserer Volksdroge Nr1, dem Alkohol, macht es problematisch. Und das dort auf solchen Plätzen um diese Zeiten Hochpozentiges konsumiert wird ist klar. Je größer dann die Ansammlung wird desto höher die Gefahr für Konflikte.

Volker S. am 07.06.2022

Feiern mit Polizeipräsenz - unser Land hat sich verändert, und zwar drastisch.

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