Älterer Mann schaut in eine Werkzeugkiste.
In den nächsten acht Jahren werden in Sachsen-Anhalt rund 300.000 Menschen in den Ruhestand gehen. Bildrechte: imago/Westend61

Debatte über Renteneintrittsalter Länger Arbeiten – da müssen aber die Bedingungen stimmen

18. Dezember 2022, 14:03 Uhr

Alle paar Monate taucht die Debatte auf wie ein Geisterschiff im Nebel – die Diskussion um längere Lebensarbeitszeiten. In diesem Zusammenhang debattierte der Magdeburger Landtag dieses Woche über den Arbeitskräftemangel im Land. Doch wer einen Blick auf den deutschen Arbeitsalltag wirft, den wird dieser Trend kaum verwundern. Uli Wittstock kommentiert.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Im Magdeburger Landtag ging es in dieser Woche auch um das Thema Arbeitskräftemangel. Dass inzwischen Züge nicht mehr fahren, weil Stellwerke nicht besetzt werden können, daran haben wir uns inzwischen gewöhnt. Das allerdings ist wohl erst der Vorgeschmack auf das, was da noch kommen wird.

In den nächsten acht Jahren werden in Sachsen-Anhalt rund 300.000 Menschen in den Ruhestand gehen, das teilte Arbeitsministerin Petra Grimm-Benne dem Landtag mit. Welche Folgen das haben kann, zeigt sich ja jetzt schon in den Schulen und Pflegeeinrichtungen. Dieses Problem wird sich in den nächsten Jahren für nahezu alle Branchen stellen.

Angebot und Nachfrage

Im Kapitalismus ist teuer und wertvoll, was knapp ist. Nach Jahrzehnten des Überangebots an Arbeitskräften, hat sich nun der Markt gedreht. Wer Auszubildende sucht, muss schon einiges bieten, um junge Leute zu interessieren. Ähnliches gilt für junge Ingenieure, Lehrkräfte oder Menschen im medizinischen Bereich. Und zugleich gibt es von Seiten der Unternehmer reflexhaften Beifall, wenn die Politik mal wieder eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit debattiert.

ein Handwerker bei der Arbeit
Arbeitskräfte sind nicht mehr im Überangebot vorhanden. Deshalb wird derzeit eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit debattiert. Bildrechte: imago images/Westend61

Da also setzen offenbar viele auf staatliche Regelungen, anstatt ihr eigenes Unternehmen wettbewerbsfähiger auf dem Arbeitsmarkt zu machen. Das allerdings scheint es in Sachsen-Anhalt noch erheblichen Nachholebedarf zu geben.

Willkommenskultur auch am Arbeitsplatz

Nach aktuellen Zahlen liegt Sachsen-Anhalt bei den Krankschreibungen auf einem bundesdeutschen Spitzenplatz. Besonders stark zugenommen haben dabei psychische Erkrankungen, die nunmehr der Grund für jede dritte Krankschreibung sind. Dies ist sicherlich auch eine Folge der sich rasant veränderten Arbeitsbedingungen. Personalmangel, zunehmende Verdichtung von Arbeitsabläufen und Chefs, die in Fragen der Personalführung erhebliche Defizite aufweisen, kennzeichnen leider den Alltag in vielen Firmen und Verwaltungen hierzulande.

Hinzu kommt die Digitalisierung, welche nahezu alle Arbeitsbereiche erfasst hat. Die dafür nötige Weiterbildung wird allerdings oft eher stiefmütterlich in den Unternehmen organisiert, was dann in der Umsetzung deutlich mehr Arbeitsstress zur Folge hat.

Ungleiche Bezahlung als Problem

Um jüngere Mitarbeiter zu gewinnen, greifen Unternehmen inzwischen tiefer in die Tasche, als noch vor Jahren. So mancher Kollege, der langjährig beschäftigt ist, muss feststellen, dass die Neuen in der Firma deutlich bessere Konditionen haben, als sie selbst. Das führt dann nicht selten zu einem Generationenkonflikt, der sicherlich auch zur Folge hat, dass so mancher lange vor Eintritt in das Rentenalter innerlich kündigt.

Allerdings sind nicht alle Probleme mit Geld zu lösen, denn Wertschätzung im Arbeitsleben bildet sich nicht nur über die Lohntüte ab. Flexible Arbeitszeiten für Ältere, die sich zum Beispiel um ihre Enkel kümmern, könnte ein Element dieser Wertschätzung ein. Wer seine Beschäftigten länger im Unternehmen halten will, der muss auch dafür sorgen, dass die körperlichen Belastungen reduziert werden, zum Beispiel durch den verstärkten Einsatz von Robotern.

Solange aber die Fördermittel für Unternehmen daran gebunden sind, wie viele reale Arbeitsplätze geschaffen werden, werden solche teuren Investitionen für Sachsen-Anhalts Mittelstand wohl eher die Ausnahme bleiben. Es gibt also viele Stellschrauben, um Beschäftige länger im Betreib zu halten. Nicht selten ist es die Arbeit, welche die Leute krank macht und deshalb geht so mancher früher in Rente, nicht aus Faulheit, sondern aus Selbstschutz. Und so lange sich daran nichts ändert, kann man nette Aufrufe starten – ändern werden sie nichts.

MDR (Uli Wittstock, Sebastian Gall)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. Dezember 2022 | 12:00 Uhr

28 Kommentare

Niemann am 20.12.2022

Natürlich müssen dazu die Bedingungen stimmen, es müssen noch mehr Fachkräfte auswandern, noch mehr Rollatoren bereitgestellt werden und der Dachdecker muß mehrfach angeseilt werden. Und natürlich braucht jeder eine IT-Fachausbildung. Ich gehöre zu der Generation für die es schon mit 50 auf dem Arbeitsmarkt eng wurde und die man schließlich aus dem Berufsleben hinauskomplimentierte. Gott sei dank ist das nun vorbei, man kann mit seiner Schaffenskraft wieder bis in die Kiste durchstarten. Übrigens, auch der Arbeitskräftemangel trotz Masseneinwanderung und das Bürgergeld muß finanziert werden und das geht nicht nur mit neuen Schulden welche die Inflation vor sich hertreiben, da braucht es auch etwas Substanz von fleißigen Rentnerhänden.

Thomas_vergeben am 20.12.2022

Mit deutschen Steuergeldern wurden nicht die "Südländer" und deren Renten gerettet, sondern über die Beschlüsse der Troika in erster Linie die Banken bedient. Die Sozialleistungen in erster Linie in Griechenland und Italien sind durch diese Knebel sogar noch gesunken bis zum kompletten Wegfall der Krankenversicherungen etcpp, weil sich die menschen das gar nicht mehr leisten konnten.

So btw. sind Rentensysteme nationalstaatlich geregelt und haben daher international keinen Einfluss aufeinander. Wobei eine EU-weit einheitliche Lösung sicher Vorteile hat.

Niemann am 20.12.2022

Sie haben die Grünen und deren Wähler vergessen die jetzt für eine erhöhte Nachfrage nach Klebstoff sorgen. Allerdings, Nachfrage beim Jobcentern - Fehlanzeige!

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