Landtag Heftige Debatte nach Hörsaal-Besetzung an der Uni Halle

26. Januar 2023, 19:16 Uhr

Vor zwei Wochen hatten Klima-Aktivisten fünf Tage lang einen Hörsaal an der Uni Halle besetzt. Jetzt hat sich der Landtag von Sachsen-Anhalt mit der Besetzung beschäftigt – und heftig darüber diskutiert. Kritik an der Besetzung und der Reaktion der Universitätsleitung kam von AfD, CDU und FDP.

Nach der Besetzung des größten Hörsaals der Uni Halle durch Klima-Aktivisten hat Sachsen-Anhalts Landtag heftig über die Vorfälle vor zwei Wochen diskutiert. Kritik an kam dabei nicht nur von der AfD, die die aktuelle Debatte beantragt hatte, sondern auch von CDU und FDP.

Die CDU-Abgeordnete Kerstin Godenrath erklärte, zwar sei es positiv, dass die Besetzung gewaltfrei abgelaufen und beendet worden sei. Sie kritisierte allerdings, dass die Uni-Leitung Forderungen der Besetzer nachgegeben habe. "Das bedeutet auch: Man akzeptiert eine Vereinnahmung öffentlicher Gebäude und verhandelt", sagte Godenrath. Sie prangerte mangelndes Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis an. Es gehe um die Frage, wie man gesellschaftspolitische Diskussionen führen wolle. Dabei sei es nicht entscheidend, ob die Ziele bedeutend oder irrelevant seien.

Willingmann: "Lage zu keinem Zeitpunkt eskaliert"

Der FDP-Abgeordnete Konstantin Pott kritisierte, es sei die Aufgabe der Universität, die Lehre sicherzustellen. Wegen der Besetzung seien Lehrveranstaltungen digital abgehalten worden – dies sei sehr wohl eine Störung des Lehrbetriebs.

SPD, Grüne und Linke lobten hingegen die besonnene Reaktion der Universitätsleitung. Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) sagte, auch er halte nicht viel davon, Lehrveranstaltungen durch Besetzungen zu stören. Abgesehen von einer abgebrochenen Vorlesung sei der Lehrbetrieb allerdings – wenn auch digital – vollständig sichergestellt worden. Statt mit dem Knüppel dazwischen zu gehen, habe es eine "sinnvolle Reaktion" mit Fokus auf Deeskalation und Vermeidung von Gewalt gegeben. "Die Lage ist zu keinem Zeitpunkt eskaliert", sagte der SPD-Politiker. Bei der Besetzung habe es keine Sach- und Personenschäden gegeben. Vielmehr habe die Uni-Leitung erklärt, der Hörsaal sei nach der Besetzung sogar sauberer gewesen als nach einem durchschnittlichen Vorlesungstag.

AfD: Aktivisten fordern "totale Armut für alle"

Willingmann räumte aber ein, dass es ein "Kommunikationsdefizit" zu einem Besuch von AfD-Abgeordneten gegeben habe, bei dem den Politikern der Zutritt zum Hörsaal vor Ort verweigert worden ist. Die Anmeldung sei nicht bis ins Wissenschaftsministerium vorgedrungen, sagte der Minister.

Dr. Thomas Tillschneider, 2018
Hans-Thomas Tillschneider (AfD) sieht durch die Klima-Aktivisten den "Restwohlstand" in Gefahr. Bildrechte: IMAGO / Christian Schroedter

Der AfD-Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider hatte den Besetzern des Hörsaals zu Beginn der Debatte zuvor vorgeworfen, "mit fanatischem Eifer" für Forderungen zu kämpfen, die den "Restwohlstand" hierzulande vernichten würden. Er verwendete dabei auch diffamierende Äußerungen. Er erklärte, der klimabewegte Teil der Studenten breite sich wie die "Algenpest" an Universitäten aus und fordere die "totale Armut für alle". Er kritisierte, dass der Hörsaal nach der Besetzung nicht unmittelbar und "notfalls unter Einsatz von Knüppel und Tränengas" geräumt wurde.

Linke: Ziviler Ungehorsam will Debatte auslösen

Der Universitätsleitung warf Tillschneider vor, den Forderungen nachgegeben zu haben und unterstellte eine politische Motivation. "Im Rektorat der Universität Halle sitzen die Komplizen der Antifa", erklärte Tillschneider. Die AfD in Sachsen-Anhalt wird vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft und beobachtet. Auch Tillschneider wird vom Verfassungsschutz beobachtet.

Der Linken-Abgeordnete Hendrik Lange verwies darauf, dass die Besetzer aufgrund der Bedrohung durch den Klimawandel handelten. "Wer zu Mitteln des zivilen Ungehorsams greift, möchte auch eine gesellschaftliche Debatte auslösen." Hier werde versucht "zu kriminalisieren, wo nichts Schlimmes passiert ist".

Pähle: Forderungen nicht extrem

SPD-Fraktionschefin Katja Pähle erklärte, was die AfD den Abgeordneten zumute, sei "Punkt für Punkt blanker Unsinn". So seien Forderungen zur Senkung der Treibhausgase nicht extrem, sondern vielmehr international vereinbart. "Dass junge Leute – zumal Studierende – Älteren Dampf machen wollen, das war schon immer so, wird immer so sein. Und das ist auch nötig", sagte Pähle.

Vertreter der Gruppe "End Fossil: Occupy!" hatten das Audimax in Halles Innenstadt am 9. Januar für fünf Tage besetzt und von der Universität unter anderem mehr Anstrengungen für Klimaschutz gefordert. Die Uni-Leitung erklärte nach Gesprächen mit den Besetzern, schnellstmöglich klimaneutral werden zu wollen. Sie kündigte an, im Sommer eine Klimabilanz zu veröffentlichen.

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MDR (Felix Fahnert, Jochen Müller)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 26. Januar 2023 | 16:11 Uhr

37 Kommentare

Denkschnecke am 28.01.2023

@Haller: Danke für die Klarstellung. Meine bessere Hälfte wurde zuletzt ein halbes Jahr lang allmontäglich auf ihrem Heimweg von der Arbeit massiv behindert, weil sich jedesmal vor der Tür selbsternannte "Spaziergänger" aufs Neue von der Polizei erklären lassen mussten, dass Kundgebungen anzumelden sind. Das hat ihr weit mehr Freizeit geraubt als jeder festgeklebte Klimaaktivist.

Haller am 27.01.2023

Im Umgang unter den Menschen ist im übertragenen Sinne die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) § 1 universell.

(1) ... hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Haller am 27.01.2023

"Sicher keine Naturwissenschaft, ..."
"Ich war auch mal Student und habe mein Studium erfolgreich absolviert. "
Sicherlich auch keine Naturwissenschaften, oder?

Bitte tun Sie nicht so als fehle ihnen das Sprachverständnis der Alltagssprache.

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