Blick über mehrere Köpfe in den Plenarsaal des Landtages, in dem Präsident Gunnar Schellenberger spricht.
Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Schellenberger wird heftig kritisiert: Eigenmächtig soll er ein Abkommen mit Usbekistan verhandelt haben. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Engin Haupt

Aufklärung gefordert Abkommen mit Usbekistan: Landtagspräsident Schellenberger in der Kritik

29. April 2023, 13:40 Uhr

Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Schellenberger hat offenbar versucht, geheime Vereinbarungen mit Usbekistan zu treffen. Er soll über die Anwerbung von 5.000 Arbeitskräften aus dem Land verhandelt haben. Regierungsparteien und Opposition fordern Aufklärung.

Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) steht wegen eines Abkommens mit Usbekistan in der Kritik. Die FDP in Sachsen-Anhalt kritisiert Schellenberger für sein eigenmächtiges Vorgehen. "Es wäre sicherlich glücklicher gewesen, wenn er da eine Abstimmung vorgenommen hätte", sagte Andreas Silbersack, Chef der FDP-Landtagsfraktion, im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT. "Insofern ist es schade, dass der inhaltlich eigentlich positive Ansatz, etwas an Glanz verliert." Innerhalb der Koalition werde es über dieses Vorgehen bald Gespräche geben, sagte Silbersack weiter.

Schellenberger soll an der Landesregierung vorbei mit Usbekistan über die Anwerbung von 5.000 Arbeitskräften verhandelt haben. Darüber hat am Freitag zuerst die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) berichtet. Die Staatskanzlei bestätigte, an sie seien "Überlegungen" zur Anwerbung von Arbeitskräften herangetragen worden. "Etwaige Realisierungsmöglichkeiten" würden nun geprüft, sagte Vize-Regierungssprecherin Ute Albersmann der MZ. "Dafür werden die zuständigen Stellen auf Landes- und Bundesebene in der gebotenen Weise einbezogen."

Eigene Partei hatte keine Infos

Schellenbergers eigene Partei ist von ihm offenbar ebenfalls nicht eingeweiht worden. Auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT heißt es von der CDU, über Details sei man "noch nicht informiert".

Auch die SPD in Sachsen-Anhalt will die Vorwürfe noch nicht bewerten. Auf Nachfrage heißt es, es müsse erst mal zwischen den Fraktionen und von Seiten der Landesregierung mit dem Landtagspräsidenten gesprochen werden, um einschätzen zu können, was genau passiert ist.

Opposition "sprachlos"

Stefan Gebhardt, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, sagte, er sei "sprachlos". Weder als Abgeordneter noch als Präsident habe Schellenberger entsprechende Kompetenzen. "Sollte der gesamte Vorgang ohne Kenntnis der Landesregierung passiert sein, wäre dies ein handfester Skandal", sagte Gebhardt.

Sebastian Striegel den Grünen sagte dem MDR, Landtagspräsident Schellenberger habe seine Befugnisse deutlich überschritten. "Das Verhandeln eines Anwerbeabkommen mit Drittstaaten fällt nach unserer Verfassung ausdrücklich nicht in die Zuständigkeit des Landtagspräsidenten. Gunnar Schellenberger maßt sich mit seinem Agieren Kompetenzen an, die er nicht hat." Der Grünen-Politiker forderte zudem, dass sich der Ältestenrat im Landtag mit Schellenbergers Verhalten beschäftigen solle.

Kritik an Schirmherrschaft und Debattenkultur

In der vergangenen Zeit ist Schellenberger immer wieder in die Kritik geraten; zuletzt Ende April, weil er Schirmherr eines privaten Tennisturniers in seinem Wahlkreis (Schönebeck) ist. Die Oppositionsfraktionen Linke und Grüne halten dieses Engagement des Landtagspräsidenten für fragwürdig. Üblicherweise erfolgt eine solche Aufgabe im Rahmen gemeinnütziger Zwecke. Das Tennisturnier "Schönebeck Open" wird in dieser Woche ausgetragen, das Preisgeld hat eine Höhe von 15.000 Euro.

"Gunnar Schellenberger ist bis heute im Amt nicht angekommen", bilanziert der innenpolitische Sprecher der Grünen, Sebastian Striegel, im Gespräch mit dem MDR. Im vergangenen Jahr hatte es Kritik an der Amtsführung Schellenbergers gegeben: Die Grünen hatten damals seine Einschätzungen zur Debattenkultur kritisiert. Schellenberger hatte gesagt, dass sich der Ton im Parlament im ersten Jahr unter seiner Führung positiv entwickelt habe.

Die Grünen erklärten in einer Stellungnahme, dass im Ältestenrat mehrfach Situationen diskutiert worden seien, in denen Landtagsdebatten "auf ein kaum erträgliches Maß an Würdelosigkeit" ausgeufert seien. Es habe sich dabei auch um Situationen gehandelt, in denen Schellenberger seiner Rolle als Präsident aller Mitglieder des Parlaments nicht entsprechend nachgekommen sei.

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MDR (Kevin Poweska, Hannes Leonard), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 29. April 2023 | 11:00 Uhr

19 Kommentare

dieja am 01.05.2023

Eine Dienstpflicht junger Menschen bringt nichts. Die an beruflicher Entwicklung interessiert sind, werden 1 Jahr von Arbeitsmarkt ferngehalten und die keine Lust haben,
kann man in der Pflege nicht gebrauchen. Es wäre besser, wenn ma mit ökonomischen Hebeln alle jungen Menschen dazu bringt eine Tätigkeit auszuüben, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Warum erhalten arbeitsfähige junge Menschen, die in ihrem Leben keine Steuern und Sozialabgaben gezahlt haben Geld vom Staat. Es gibt kein Recht auf Faulheit. Unterstützung benötigen bei dem heutigen Arbeitskräftemangel nur die Menschen, die nicht arbeiten können oder ältere Arbeitnehmer, die nach vielen Arbeitsjahren keine angemessene Beschäftigung finden können.
Mit einer Dienstpflicht, die dann übrigens auch Frauen betreffen müsste, wird nur das Unvermögen des Staates kaschiert und zwar durch Eingriffe in die Freiheit.

Axelot am 30.04.2023

Schellenberger geriert sich schon lange Zeit wie ein eitler Gockel, der immer schon weiß, wie die Dinge laufen müssen. Hier stellt sich natürlich die Frage, warum ein gänzlich unzuständiger LT-Präsident in geheimen Vereinbarungen mit einem nicht gerade demokratisch lupenreinen Regime den Arbeitsmarkt in LSA beeinflussen zu müssen glaubt. Und wer diese Aktion dann am Ende auch finanzieren soll oder darf. Dieser peinliche Vorgang wäre früher oder später doch aufgeflogen. Ich frage mich, ob dieser Mann nicht jetzt schon jegliche Bodenhaftung verloren hat.

schwarzinger am 30.04.2023

Die Kritik eines Sebastian Striegel kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, welche Erfolge hat er denn selbst in seiner langen Zugehörigkeit zum Parlament aufzuweisen? Ganz im Gegenteil, nach seinem unerlaubten Entfernen vom Unfallort, hätte er sein Mandat niederlegen sollen. SOLCHE Politiker braucht Niemand.

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