Diskussion um Nahostkonflikt Landtagsabgeordnete Henriette Quade tritt aus der Linken aus
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22. Oktober 2024, 15:50 Uhr
Die Linke in Sachsen-Anhalt verliert eines ihrer prominenten Mitglieder. Die Landtagsabgeordnete Henriette Quade ist aus der Partei ausgetreten. Sie begründet dies mit dem Umgang der Partei mit Antisemitismus. Ihr Landtagsmandat möchte die 40-jährige Abgeordnete aus Halle jedoch als fraktions- und parteiloses Mitglied behalten.
- Henriette Quade ist aus der Partei "Die Linke" ausgetreten. Grund ist deren Position zu Nahostkonflikt und Antisemitismus.
- Landespartei und Landtagsfraktion fordern, dass Quade ihr Mandat niederlegt.
- Quade will ihr Mandat im Landtag von Sachsen-Anhalt behalten.
Die bisherige Linken-Politikerin Henriette Quade hat ihren Austritt aus der Partei bekannt gegeben. Nach mehr als zwei Jahrzehnten, in denen sie sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene für die Linke gearbeitet hat, zieht sie damit Konsequenzen aus ihrer Kritik am Umgang der Partei mit Antisemitismus. Die Landtagsabgeordnete erklärte, dass der kompromisslose Kampf gegen Antisemitismus in der Partei nicht umsetzbar sei.
Streit um Antisemitismus-Position auch in Berlin
Auch in der Berliner Linken gibt es Streit über das Thema Antisemitismus. Der Berliner Linke-Landesvorsitzenden Max Schirmer sagte, nach dem vergangenen Landesparteitag gebe es noch dringenden Gesprächsbedarf. Am Freitag vorletzter Woche endete der Landesparteitag mit einer heftigen Auseinandersetzung über einen Antrag zur Ablehnung von Antisemitismus in jeder Form, auch von links. Nachdem es keine Einigung darüber gab, verließen etliche Delegierte, darunter der Berliner Ex-Kultursenator Klaus Lederer und die Bundestagsabgeordnete Petra Pau die Versammlung.
Noch in dieser Woche soll es eine Entscheidung geben, ob die Linke in Berlin noch weitere prominente Parteimitglieder verliert. In der vergangenen Woche hatten bereits der frühere Fraktionschef der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, seinen Partei-Austritt erklärt. Der frühere Bürgermeister von Pankow, Sören Benn, tat es ihm am Wochenende nach dem Bundesparteitag der Linken in Halle gleich, schreibt der RBB.
Quade: Linke ist zu einseitig im Nahostkonflikt
Besonders problematisch ist aus Sicht von Quade die Positionierung der Partei zum Nahostkonflikt. Der auf dem jüngsten Bundesparteitag beschlossene Antrag zur "Deeskalation und Abrüstung in Nahost" fokussiere sich zu einseitig auf die israelische Besatzung und den Siedlungsbau, ohne den seit Jahrzehnten bestehenden Antisemitismus gegen den jüdischen Staat ausreichend zu thematisieren.
Ich werde den Kampf für unteilbare Menschenrechte und gegen Antisemitismus fortführen, nur eben außerhalb der Partei.
In dem Antrag heißt es: "Der Nahostkonflikt darf nicht in die Auseinandersetzungen in Deutschland hineinwirken. Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit sind unter keinen Umständen zu rechtfertigen."
Bundesvorsitzender van Aken: "Dulden keinen Antisemitismus"
Quade erklärte, in dem Beschluss werde zwar festgestellt, dass der Nahostkonflikt nicht am 7. Oktober mit dem Hamas-Überfall auf Israel begonnen habe, doch der "mörderische Antisemitismus" werde nicht erwähnt. Solange der Staat Israel militärisch bedroht werde, könne er die Angriffe nur durch militärische Gewalt abwenden. "Die Forderung, Israel keine Waffen zu liefern, würde Israel bei ihrer Umsetzung in letzter Konsequenz schutzlos stellen", sagte Quade.
Der neue Linken-Bundesvorsitzende Jan van Aken sagte in Berlin, er bedaure Quades Austritt zutiefst. Er vermutete, dieser habe mit persönlichen Anfeindungen durch pro-palästinensische Demonstranten vor dem Parteitag zu tun. Inhaltlich stimme er Quade zu: "Wir dulden keinen Antisemitismus in der Partei". Er hoffe, das sie wieder in die Partei eintrete.
Fraktionsvorsitzende: "bittere Konsequenz"
Auch die Fraktionsvorsitzende im Landtag von Sachsen-Anhalt, Eva von Angern, bedauerte Quades Entscheidung. "Das ist ein bitterer Schritt, eine bittere Konsequenz, natürlich auch für uns als Fraktion, als Partei", sagte von Angern MDR SACHSEN-ANHALT. Quade sei seit vielen Jahren "sehr engagiert, gerade im Bereich Bekämpfung von Rechtsextremismus, Antifaschismus und auch Frauenfeindlichkeit" gewesen. Auch die Landesvorsitzenden Janina Böttger und Hendrik Lange bedauern diesen Schritt.
Quade will Mandat im Landtag von Sachsen-Anhalt behalten
Angesichts des Austritts fordern Die Linke Sachsen-Anhalt und die Linksfraktion im Landtag allerdings, dass Quade ihr Mandat niederlegt: "Wir fordern Henriette Quade zur Niederlegung des Landtagsmandats auf, dieses Mandat wurde über die Landesliste der Partei Die Linke und für Die Linke errungen", heißt es in einer Erklärung der Landesvorsitzenden Janina Böttger und Hendrik Lange sowie der Fraktionsvorsitzenden Eva von Angern. Mandate seien keine Privatangelegenheit, heißt es in der Mitteilung. Auch der Bundesvorsitzende van Aken sagte, Quade solle ihr Mandat abgeben.
Im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT erklärte Quade jedoch, ihr Mandat im Landtag von Sachsen-Anhalt behalten zu wollen. Die Abgeordnete aus dem Wahlkreis Halle I werde als fraktions- und parteiloses Mitglied weiterhin dem Landtag angehören. "Ich werde den Kampf für unteilbare Menschenrechte und gegen Antisemitismus fortführen, nur eben außerhalb der Partei", so Quade.
dpa, MDR (Lars Frohmüller, Norma Düsekow, Kalina Bunk, Maren Wilczek)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 21. Oktober 2024 | 11:00 Uhr
Altlehrer vor 3 Wochen
Der Konflikt zwischen Frau Quade und der neu/alten Linken ist sehr komplex und geht weit zurück in die 70/80er Jahre. Damals waren die westdeutschen Linken und die DDR bedingungslose Unterstützer der PLO. Und noch heute gibt es vor allem in der Berliner Blase der Linken in der 3. Generation starke Kräfte, die palastinensische Interessen deutlch über die des Staates Israel stellen. Das geht einher mit einem tiefem Verständnis für propalästinensische Proteste in Deutschland.
Maria A. vor 3 Wochen
Ja, Entschuldigung. Habe mich verschrieben. Ich meinte natürlich das Verfahren mit Fraktionslosen an sich. Das Beispiel bezog sich auf den Bundestag, aber ich wollte damit nur darauf verweisen, dass wenn es dort problemlos möglich ist, Änderungen zu beschließen, es in einem Landtag auch funktionieren müsste.
Denkschnecke vor 3 Wochen
Oh, da würden mir aber eine Reihe von in diesem Forum aktiven Kommentierenden einfallen, die selbst nur alles und jedes kritisieren, und wo ich mich auch frage, ob sie im realen Leben genauso verbittert sind.
Wenn ich auch mit Frau Quades ehemaliger Partei nicht allzuviel Übereinstimmung habe: Rückgrat und eine feste Überzeugung hat sie.