"Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" steht auf einer Schleife an einem Kranz.
Das "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" hat in Magdeburg sein 100-jähriges Jubiläum gefeiert. Bildrechte: picture alliance/dpa | Klaus-Dietmar Gabbert

Verein feiert Festakt in Magdeburg 100 Jahre Kampf für Demokratie: Wieso das "Reichsbanner" den Namen nicht ändern will

22. Februar 2024, 20:05 Uhr

In Magdeburg hat das "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" sein 100-jähriges Bestehen gefeiert. Die Mitglieder kämpfen für Demokratie und gegen Extremismus – einst in der Weimarer Republik, aber auch noch in der heutigen Gesellschaft. Den für viele etwas irritierenden Namen will der Verein beibehalten. Zur Feierstunde im Landtag kamen prominente Bundespolitiker.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Felix Fahnert
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Die Frage nach dem Vereinsnamen ist Fritz Felgentreu natürlich nicht neu. Der löst "gerne auch mal Irritationen" aus, räumt der Bundesvorsitzende des "Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold" zum 100-jährigen Bestehen in Magdeburg ein. Kein Wunder, weckt er bei vielen wohl zunächst Assoziationen zum Deutschen Reich, zu Nationalismus, Militarismus oder zu "Reichsbürgern". Doch Felgentreu wehrt sich: "Das Reichsbanner hat immer auf der richtigen Seite gestanden!"

Wir haben keinen Grund, diesen Namen aufzugeben.

Fritz Felgentreu Bundesvorsitzender
Fritz Felgentreu (SPD)
Der Bundesvorsitzende des "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold": Fritz Felgentreu (SPD) Bildrechte: picture alliance/dpa | Gregor Fischer

Auf der richtigen Seite – damit meint Felgentreu den Kampf gegen Extremismus und für Demokratie und Rechtsstaat. Damals in der Weimarer Republik, als das "Reichsbanner" eine Massenorganisation mit mindestens 1,5 Millionen Mitgliedern war, um sich aufstrebenden Extremisten entgegenzustellen, und auch heute noch als ehrenamtlicher Verein mit rund 800 Mitgliedern. "Wir haben keinen Grund, diesen Namen aufzugeben", sagt Felgentreu, der wie viele Mitstreiter Sozialdemokrat ist.

Schwarz-Rot-Gold als "Farben der wehrhaften Demokratie"

Man habe seit der Gründung einen "hohen Blutzoll" gezahlt, betont Felgentreu. In der Weimarer Zeit seien bis zum Verbot durch die Nazis 1933 allein 64 "Reichsbanner"-Leute ermordet worden – weil sie sich für Demokratie und Rechtsstaat eingesetzt hätten.

Festakt und militärische Ehren Gegründet wurde das "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" am 22. Februar 1924 als überparteiliches Bündnis, und zwar in Magdeburg. 100 Jahre später wurde deshalb am Donnerstag groß Jubiläum gefeiert – mit einer Feierstunde im Magdeburger Landtag und Gästen aus der Bundespolitik, mit einer neuen Gedenkstele auf dem Domplatz und mit militärischen Ehren der Bundeswehr. Neben Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) waren unter anderem die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) in Magdeburg vor Ort. Im Landtagsgebäude wurde am Donnerstag zudem eine Ausstellung mit dem Titel "Für Freiheit und Republik!" eingeweiht. Bereits am Morgen hatte eine Andacht im Magdeburger Dom stattgefunden.

Heute leistet der Verein vor allem Bildungsarbeit. Es geht dem "Reichsbanner" dabei auch um die Farben, die die Flagge der Bundesrepublik zieren. "Schwarz-Rot-Gold sind die Farben der wehrhaften Demokratie", sagt Felgentreu. Sie stünden für den Rechtsstaat und die freie Republik. Dass heute Parteien wie die AfD versuchten, sich dieser Farben zu bemächtigen, sei Etikettenschwindel.

Fritz Felgentreu und Gunnar Schellenberg kommen in den Plenarsaal des Landtages von Sachsen-Anhalt
Am Nachmittag fand der offizielle Festakt im Landtag statt. Bildrechte: picture alliance/dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Vorsitzender begrüßt Proteste gegen Rechtsextremismus

Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen, das hatte sich das "Reichsbanner" schon in der Weimarer Republik zur Aufgabe gemacht. 100 Jahre später scheint genau das wieder brandaktuell. Felgentreu sagt, man wende sich heute gegen AfD, Pegida und Reichsbürger. Sie seien eigentlich die "geistigen Erben" von deutschnationalen und Nazis. "Wir erkennen, dass in den letzten Jahren die Narrative dieser Feinde der Demokratie an Zugkraft gewonnen haben."

Teilnehmer einer Kranzniederlegung stehen vor einer Stele die anlässlich des 100. Jahrestages der Gründung des "Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold" mit einer Kranzniederlegung eingeweiht wurde
Die neue Gedenkstele auf dem Magdeburger Domplatz Bildrechte: picture alliance/dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Umso wichtiger sei es auch heute für Freiheit und Demokratie einzustehen – etwa durch die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in den vergangenen Wochen. Felgentreu begrüßt sie ausdrücklich. "Diese Botschaft ist angekommen", sagt der "Reichsbanner"-Vorsitzende. Die Proteste zeigten, dass es heute einen "starken demokratischen Grundkonsens" in der Gesellschaft gibt.

Mit Vergleichen "ganz, ganz vorsichtig sein"

Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Stille Helden in der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand, spricht bei der Eröffnung der grundlegend neugestalteten Dauerausstellung «Widerstand gegen die Judenverfolgung in Europa 1933 bis 1945».
Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Bildrechte: picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Vor 100 Jahren sei das nicht so gewesen – deshalb könne man die heutigen Verhältnisse auch nicht mit den damaligen vergleichen. Das bestätigt auch Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Die Ausgangslage damals in Magdeburg sei "eine ganz andere gewesen", eine Reaktion auf historische Ereignisse wie den Hitlerputsch 1923. "Sie hatten in Deutschland eine bürgerkriegsähnliche Situation", sagt Tuchel am Donnerstag. Daher müsse man "mit allen Vergleichen ganz, ganz vorsichtig sein".

Nichtsdestotrotz: Vom "Reichsbanner" könne man lernen, dass das Engagement für Demokratie nötig ist. Heute sei das schließlich deutlich einfacher als noch vor 100 Jahren. Tuchel mahnt: "Demokratie sind nicht die anderen, Demokratie sind immer wir selbst."

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MDR (Felix Fahnert)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 22. Februar 2024 | 19:00 Uhr

82 Kommentare

Lavendel vor 21 Wochen

Eine Flagge ist nicht per se sakrosankt und ich kann sicherlich das Zeigen unserer Nationalflagge bei rechtsextremen Aufzügen kritisch sehen und für mich feststellen, dass sie dort lediglich als Ersatzsymbol von Rechtsextremisten gezeigt wird, die damit Patriotismus vortäuschen wollen und Demokraten eines Symbols berauben wollen. Von daher tun sich sicher inzwischen auch viele Demokraten schwer mit dieser Flagge auf Demos aufzutreten, weil die Symbolik inzwischen nicht mehr eindeutig ist.

"Wer für die Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung einstehen will, sollte sich unter dieser Flagge sammeln und nicht sie verächtlich herabwürdigen."

Blöd nur, dass sich inzwischen Nazis drunter sammeln, weil dies für die strategische Wahrnehmung besser ist als mit Reichkriegsflaggen zu marschieren.

Beim Fußball und ähnlichen Events sind die Farben ja längst zum Accesoire verkommen.
Von daher bleiben sie cool und achten darauf wer diese Farben mit welcher Motivation zeigt.

MiSt vor 22 Wochen

@Lavendel
"...muss man mit einer komischen Fahne durch die Gegend laufen? Wohl kaum."

Ich kann eine solche Abschätzigkeit nicht unwidersprochen lassen. Es mag vielleicht einem in seiner moralinsauren Spießigkeit bemerkenswerten Zeitgeist entsprechen, nationale Identifikationssymbole zu delegitimieren, aber nur weil der MDR dies durchwinkt, muss es nicht richtig sein.
Sie sprechen von unserer Nationalflagge, der Flagge, die mit ihren Farben für Einigkeit, Recht und Freiheit steht. Unter dieser Flagge sind seit 200 Jahren Menschen für unsere Freiheit eingetreten und auch gestorben. Auf diese Farben habe ich geschworen und werde sie immer als Symbol unserer Werte verteidigen. Diese schwarz rot goldene Fahne symbolisiert den Geist der Lützower Jäger, der Frankfurter Nationalversammlung und der Väter unseres Grundgesetzes. Wer für die Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung einstehen will, sollte sich unter dieser Flagge sammeln und nicht sie verächtlich herabwürdigen.

DER Beobachter vor 22 Wochen

Ursprünglich von den Kommunisten, aber die Weiterverwendung damals und heute wieder durch die Rechtsäußere beweist einmal mehr, daß diesen nichts zu blöd ist abzukupfern, um Demokraten zu diskreditieren...

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