Sitzung im Landtag von Sachsen-Anhalt
Weil viele neue Abgeordnete im Landtag von Sachsen-Anhalt sitzen, will die Regierungskoalition die Abgeordneten auf eine Stasi-Mitarbeit prüfen lassen. Bildrechte: picture alliance/dpa

Letzte Stasi-Überprüfung Landtag prüft mögliche Stasi-Vergangenheit von Abgeordneten

07. September 2023, 08:33 Uhr

In einem Ausschuss soll ein letztes Mal geprüft werden, ob Mitglieder des Landtages in Sachsen-Anhalt für die Staatssicherheit tätig waren. Die Abstimmung hierzu wurde jedoch vertagt. In Zukunft könnte eine solche Überprüfung nicht mehr notwendig sein.

Aktuelle Nachrichten finden Sie jederzeit auf mdr.de und in der MDR Aktuell App.

Die Einsetzung eines Ausschusses zur Überprüfung der Landtagsabgeordneten in Sachsen-Anhalt auf eine Tätigkeit für die Stasi verzögert sich. Das bestätigte CDU-Fraktionschef Guido Heuer am Mittwoch. Er begründete die Vertagung mit dem Fehlen mehrerer Abgeordneter bei der Landtagssitzung am Donnerstag. Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) sei beispielsweise bei der Ministerpräsidentenkonferenz, zudem gebe es krankheitsbedingte Ausfälle.

Heuer sagte, es sei besser, den Antrag zurückzuziehen und später zu behandeln, "bevor das Thema schief geht." Für die Einsetzung sind 49 Stimmen nötig, die Koalition aus CDU, SPD und FDP hat zusammen 56. Man wisse nicht, ob weitere Abgeordnete kurzfristig ausfallen würden, so Heuer.

Die schwarz-rot-gelbe Koalition im Landtag von Sachsen-Anhalt will einen Ausschuss einführen, der die Landtagsabgeordneten auf hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeiten für die Staatssicherheit der DDR, kurz Stasi, überprüfen soll. Ein Antrag von CDU, SPD und FDP sieht die Einrichtung dieses Gremiums vor. Den Vorsitz soll der ehemalige Bildungsminister Marco Tullner (CDU) übernehmen.

Nachrichten

Stasi-Akte 6 min
Bildrechte: picture-alliance / Berliner_Kurier | Keikus Karsten

Keine ehemaligen Stasi-Mitarbeiter im Parlament

Der vorgeschlagene Ausschuss aus sieben Mitgliedern soll eine umfassende Überprüfung der Parlamentarier vornehmen. Das Vorhaben ist Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung der Parteien, um Transparenz und Vertrauen in den politischen Reihen zu gewährleisten.

Für Guido Kosmehl, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der FDP-Fraktion, soll diese Überprüfung das letzte Mal in dieser Legislaturperiode stattfinden. Angesichts der Tatsache, dass viele Abgeordnete erstmalig ins Parlament gewählt wurden, sehe man die Notwendigkeit, die Vergangenheit zu überprüfen und ein klares Signal zu setzen. Kosmehl betont, dass der Landtag eine klare Botschaft aussenden möchte: Kein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter soll Teil des Parlaments sein.

CDU: Ab 2026 keine weitere Überprüfung notwendig

Die CDU-Fraktion im Landtag unterstreicht diese Haltung. Markus Kurze, der Parlamentarische Geschäftsführer der Partei, betont die Wichtigkeit der Überprüfung im Hinblick auf die historische Rolle der Stasi. Die Misshandlungen und Verletzungen, die das Stasi-System verursacht habe, sollen nicht in Vergessenheit geraten.

Kurze erkennt an, dass die Wahrscheinlichkeit neuer Erkenntnisse gering ist. Er sieht jedoch einen Wert in der Absicherung, dass keine ehemaligen Stasi-Mitarbeiter im Parlament tätig sind. Er weist darauf hin, dass nach dieser Überprüfung aufgrund des fortschreitenden Zeitverlaufs in der nächsten Legislaturperiode ab 2026 keine weiteren Untersuchungen mehr geplant seien.

Stasi-Beauftragte begrüßt Vorhaben

Die Landesbeauftragte für die Stasiunterlagen in Sachsen-Anhalt, Birgit Neumann-Becker, begrüßt das Vorhaben des Landtags. Sie hatte die Überprüfung bereits Ende 2021 angeregt. MDR SACHSEN-ANHALT sagte Neumann-Becker, die Überprüfung diene der Transparenz. Wählerinnen und Wähler wüssten dann, ob eine gewählte Person eine Vergangenheit im Blick auf Mitwirkung bei der Staatssicherheit habe.

Es gebe allerdings Einschränkungen, so die Landesbeauftragte: "Wenn diese Überprüfung beschlossen wird, heißt das nicht automatisch, dass alle Mitglieder des Landtags überprüft werden. Sie müssen dann auch noch ihr Einverständnis geben. Und in der Vergangenheit hat sich die Fraktion der Linken diesen Überprüfungen nicht angeschlossen." Neumann-Becker zufolge kann es dauern, bis Ergebnisse vorliegen.

Sollte das Gremium gebildet werden, müssten zunächst die Mitglieder des Landtags ihre Zustimmung geben. Dann würden die Unterlagen an das Stasi-Archiv geschickt. Nach etwa einem dreiviertel Jahr gebe es die Auskünfte, die dann bewertet würden, so Neumann-Becker. Erst dann könne sich der Ausschuss damit befassen und gegebenenfalls betroffene Mitglieder des Landtags Stellung nehmen. "Um einen großen Bogen zu spannen, gerade im Zusammenhang mit den Aktivitäten um den Bau von Nordstream ist ja deutlich geworden, wie aktuell diese Fragen von Staatssicherheit, von Geheimdienst, von Verflechtungen geworden ist", so Neumann-Becker.

Stasi-Archiv kümmert sich um Erhaltung der Akten

Das Ministerium für Staatssicherheit in der DDR wirkte als Nachrichtendienst und Geheimpolizei unter der Kontrolle der SED. Das Ministerium überwachte und unterdrückte Dissidenten und Systemkritiker.

Bürgerinnen und Bürger der DDR besetzten am 15. Januar 1990 die Stasi-Zentrale, um die Vernichtung der Geheimdienst-Akten zu stoppen, die nach dem Mauerfall begonnen hatte. Heute kümmert sich das Stasi-Archiv etwa in Halle um die Erhaltung, Aufbereitung und Bereitstellung der noch vorhandenen Dokumente aus DDR-Zeiten.

MDR (Lars Frohmüller, Mario Köhne, Cornelia Winkler), dpa | Dieser Artikel wurde erstmals veröffentlicht am 29. August 2023.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 28. August 2023 | 20:00 Uhr

69 Kommentare

DER Beobachter vor 36 Wochen

Jaja, der "Antikwaren-", Schiffs-, Pflasterstein-, Sägespäne-, Hemden-, Strumpf-, Möbel-, x- und Menschenhändler und die CDU/CSU... Um mal nur beim ersteren zu bleiben - ist eigentlich hoffentlich die Provenienzforschung mittlerweile auch auf musealen und privaten DDR-Kunstraub ausgedehnt worden?

DER Beobachter vor 36 Wochen

rom.1. Sie müssen mir gewiss nichts über Ex-Stasileute und sonstige rote Socken erzählen sowenig wie über IM und deren heutige politische (Selbst)Verortung... Davon hatte ich genug in meinem Arbeits- und "Freundes"Kreis. Das meinte ich übrigens auch, als ich explizit von Thüringen nochmal sprach...

DER Beobachter vor 36 Wochen

Hm, Ost-Handwerker. Ich weiß nicht, ob und welchen Nachteilen kleine Wachsoldaten als solche tatsächlich ausgesetzt wurden/sind. Aber ich denke schon, dass man ggf. berücksichtigen sollte, ob jemand "einfach nur" bei den NVA-Wachregimentern oder doch dem des MfS rekrutiert war. Letzteres mit der besonderen Auswahl ausschliesslich von Zeit- und Berufssoldaten und etwa seiner "Zivilkleidungs"kammer und -regelung diente nun mal besonders vorrangig der "Aufstandsbekämpfung", als Kader-Auswahl/-Schmiede fürs MfS und übernahm neben dem besonderen Schutz - halt Schild und Schwert der Partei bereits - neben den Wachaufgaben für die DDR-Elite eben bereits gewisse andere Aufgaben des MfS etc. schon mal mit. Da landete man nicht einfach so...

Mehr Politik in Sachsen-Anhalt