Konzert-Affäre um Landtagspräsidenten Linke und Grüne fordern Schellenbergers Rücktritt

24. August 2023, 16:42 Uhr

Gunnar Schellenberger steht erneut im Fokus medialer Berichterstattung. Die Mitteldeutsche Zeitung veröffentlichte am Montag ein Foto von ihm mit zwei Frauen und Getränke-Gläsern während des Roland-Kaiser-Konzerts in Magdeburg am 12. August. Schellenberger gab dazu zunächst an: Alles sei dienstlich gewesen. Aber im Landtag hat man Zweifel, ob es im Büro des Präsidenten an dem Samstagabend Termine gab. Später korrigierte und entschuldigte Schellenberger sich.

MDR San Mitarbeiter Lars Frohmüller
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

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Ab 71 Euro waren Karten für das Roland-Kaiser-Konzert auf dem Magdeburger Domplatz zu haben. Landtagspräsident Gunnar Schellenberger genoss das Konzert doch lieber aus der Präsidenten-Loge: seinem Büro im Magdeburger Landtag mit eigenem Balkon. Das zeigen Fotos, die zuerst der Mitteldeutschen Zeitung und nun auch MDR SACHSEN-ANHALT vorliegen. Und nicht allein: Auf den Bildern sind mehrere Personen zu sehen. Mit Sekt- und Weinglas in der Hand wird eher der Eindruck einer Feier als nach einem offiziellen Termin erweckt.

Der Hausherr lässt zunächst durch seine Pressestelle gegenüber der Zeitung erklären: Es handelte sich um einen offiziellen Termin zur Planung der Feierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen des Max-Planck-Instituts. Anschließend hätten sich die Gäste des Termins nur einen Überblick über das Konzert verschaffen wollen, diese Antwort wirft jedoch Fragen auf.

Privates oder berufliches Treffen?

Schellenberger will keine Angaben zu den Teilnehmern machen, die ihn am Samstag im Büro besucht haben. Ein Foto zeigt zwei Frauen mit einem Weinglas in der Hand und eine dritte fotografiert in Richtung des Konzertes. Daneben Gunnar Schellenberger, der über die Balkonbrüstung sieht: Das gleiche Bild wiederholt sich auf einem offenbar später entstandenen Foto in der Dunkelheit.

Der Landtag ist durch rötliche Scheinwerfer angeleuchtet. Menschen tanzen vor dem Gebäude, sie haben keine Karten und müssen hinter dem Zaun der Musik lauschen. Auf dem Balkon werden jedoch Fotos vom Konzert gemacht, hier ist der Blick besser. Ein Mann sieht durch ein Fenster auf den Platz. Es könnte ebenfalls der Landtagspräsident sein, er ist im Lichtschein jedoch schwer zu erkennen.

"Nach Ende des Termins haben er und seine Gesprächspartner sich einen Eindruck vom Konzert auf dem Domplatz verschaffen wollen." Doch die ersten Bilder entstehen offenbar zu Beginn des Konzerts, kurz nach 20 Uhr, andere erst nach 21 Uhr, als die Sonne schon länger untergegangen ist.

Fahnen wehen vor dem Landtag in Magdeburg
Von seinem Büro im Landtag und dem dazugehörigen Balkon über dem Eingangsportal hat Schellenberger offenbar dem Konzert zugehört. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Peter Gercke

Offene Fragen auch bei den Abgeordneten

Quer durch die Fraktionen erntet das Verhalten des Landtagspräsidenten Kopfschütteln. Offen äußert die Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann ihre Kritik: "Wir haben in Sachsen-Anhalt einen Landtagspräsidenten, der sich weder der Würde noch der Angemessenheit seines hohen Amtes bewusst ist." Eva von Angern von den Linken erklärt: "Wer keine Karte mehr bekommt, kann sich die CD des Musikers anhören oder wie geschehen, in der Nähe des Konzert-Ortes dem Künstler lauschen. Was jedoch unverschämt ist, wenn ein Politiker – hier sogar der Landtagspräsident – seine Privilegien nutzt, um quasi einen besonders bequemen und kostenfreien Zuschauerplatz auf dem Balkon des Landtages zu haben."

Guido Kosmehl von den FDP teilte mit: "Wir erwarten, dass sich der Landtagspräsident im Ältestenrat umfänglich dazu äußert, um was für einen Termin im Landtag am Samstagabend parallel zum Roland-Kaiser-Konzert es sich gehandelt hat. Der Eindruck, den das Balkon-Foto macht, ist äußerst unglücklich." Katja Pähle von der SPD: "Ich selbst bin ein großer Fan von Roland Kaiser und kann die Begeisterung für seine Musik gut verstehen. Karten für seine Konzerte sind zwar sehr begehrt, aber an den bekannten Vorverkaufsstellen zu erwerben. So mitten in der Menge macht es nämlich erst richtig Spaß!" Einig sind sich alle: Schellenberger muss aufklären.

Ich wollte das Dienstliche mit dem Nichtdienstlichen verknüpfen. Und ich kann sagen, sorry, das stimmt. Da habe ich mich blöd angestellt. Und möchte mich dafür in aller Form in der Öffentlichkeit entschuldigen.

Gunnar Schellenberger, Landtagspräsident

Schellenberger: "Möchte mich in aller Form entschuldigen"

Auf einem Pressetermin der CDU verliest der Landtagspräsident ein knappes Statement: "Ich wollte das Dienstliche mit dem Nichtdienstlichen verknüpfen. Und ich kann sagen, sorry, das stimmt. Da habe ich mich blöd angestellt. Und möchte mich dafür in aller Form in der Öffentlichkeit entschuldigen." Die nachfolgenden Sätze werfen jedoch weitere Fragen auf: "... die Besprechung war aufgrund der Hitze im Büro und der Lautstärke des Konzertes nur im beschränkten Umfang möglich. Und das habe ich völlig falsch eingeschätzt." Wozu dann die alkoholischen Getränke während der Besprechung? Warum standen seine Gäste und er mehrfach auf dem Balkon des Landtages, wenn doch die Lautstärke des Konzerts die Besprechung störte?

Antworten blieb Schellenberger schuldig, Nachfragen von Journalisten waren nicht erwünscht. "Im Respekt vor dem Ältestenrat bitte ich um Ihr Verständnis, wenn ich hier und heute keine Nachfragen zu meiner abgegebenen Erklärung beantworte." Dieser tagt am 31. August 2023.

Linke und Grüne fordern Rücktritt

So lange will die Linke im Landtag jedoch nicht warten: "Die Liste der Verfehlungen von Herrn Schellenberger ist voll und er hat lange bewiesen, dass er die falsche Person in diesem Amt ist. Dr. Gunnar Schellenberger selbst und die CDU sollten endlich Konsequenzen ziehen, um die weitere Beschädigung des Amtes eines Landtagspräsidenten zu verhindern." Überschrieben ist die Pressemitteilung mit der Forderung nach seinem Rücktritt.

Auch die Grünen im Landtag fordern den Landtagspräsidenten zum Rücktritt auf. Grünen-Fraktionschefin Lüddemann teilte mit: "Sein Umgang mit der Situation und seinen Fehlern ist katastrophal. Er agiert in selbst verursachten Krisensituationen dem Amte unangemessen, unwürdig und inkompetent. Das zeigt, dass er einer richtigen Krise überhaupt nicht gewachsen wäre. Das ist besorgniserregend, immerhin ist der Landtagspräsident das wichtigste und höchste Amt neben dem Ministerpräsidenten." Aus diesem Grund fordere die Fraktion ihn auf zurückzutreten. "Um es mit den Worten von Roland Kaiser zu sagen: Es gibt für Schellenberger 'Kein Grund zu bleiben'."  

Die CDU hingegen steht hinter ihrem Präsidenten. "Der Präsident hat Asche auf sein Haupt gestreut. Clever geht anders, kann man sagen. Aber ich stehe zu unserem Präsidenten", so Fraktionschef Guido Heuer.

Buch-Empfehlung für Parteifreund wirft weitere Fragen auf

Während Schellenbergers Statement im Pressegespräch kommen weitere Fragen auf: Im Landtagsmagazin "Zwischenruf" wirbt Schellenberger für das Buch von Parteifreund Markus Kurze. Der schreibt privat seit Jahren Bücher, mal historisches aus der eigenen Partei, mal Sagen-Geschichten aus dem Jerichower Land oder über Schicksale nach 1945 aus Burg. Die letzten beiden Bücher bewirbt auch der Landtag offensiv über seine Publikations-Plattformen: ein Buch im Landtags-Magazin, ein anderes über den Social-Media-Auftritt des Landtages unter dem Stichwort "Lesesommer 2023".

Darunter kommt die Frage einer Nutzerin auf, ob auch Oppositionsparteien hier ihre Bücher bewerben können. Öffentlich hatte dies Cornelia Lüddemann gemacht und meint dazu: "Nach diversen Übertretungen muss ich mich nun fragen, warum die Bibliothek des Landtages ein unpolitisches Sagenbuch bewirbt. Die Vermutung liegt nahe, dass Schellenberger hier seinem Parteifreund Kurze einen Gefallen tut. In Zeiten, wo die Kluft zwischen Bürger und Politik sich vertieft, ein höchst unsensibler und unpassender Vorgang." Auch hierzu wird Schellenberger Ende August Rede und Antwort stehen müssen.

MDR (Lars Frohmüller)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 24. August 2023 | 15:00 Uhr

106 Kommentare

Anita L. vor 36 Wochen

"Würden sie genauso Nachgiebig sein wenn es ein AFd Politiker gewesen wäre."

Also mir wäre es auch hupe gewesen, wenn ein AFD-Politiker die Chance genutzt hätte, einem Roland-Kaiser-Konzert von seinem Dienstbüro zu lauschen.

Anita L. vor 36 Wochen

@ralf meier, stimmt, wobei das für mich wenig mit "cancel culture" zu tun hat - denn Sie sagen es ja selbst, der Versuch der Rechtfertigung ist eigentlich peinlich und steht zumindest meines Erachtens für fehlendes selbstsicheres Auftreten - ... Ja, ein "Was wollt Ihr" hätte vollständig gereicht, um dieser Stellvertreteraufregung die Luft zu nehmen.

Dan vor 36 Wochen

Also ich finde es jetzt auch nicht so schlimm muss ich sagen. Da hat sich der Herr Schellenberger schon ganz andere Dinge geleistet und ist im Amt geblieben.
Allerdings hätte er sich die Sache mit den Gästen und dem Alkohol sparen können! Das wirkt wirklich überheblich.
Aber... eben ganz der Gunnar.

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