Öffentliche Aufträge Nach harscher Kritik: Vergabegesetz soll überarbeitet werden
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22. November 2024, 06:32 Uhr
Wenn der Staat Aufträge vergibt, sollen die Arbeiter, die das erledigen, nicht zu Dumpinglöhnen schuften müssen. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat deshalb vor zwei Jahren ein Vergabegesetz beschlossen. Große öffentliche Aufträge dürfen seitdem nur an Firmen gehen, die nach Tariflohn oder in vergleichbarer Höhe bezahlen. Doch die Kritik an dem Gesetz reißt nicht ab. Nun hat Wirtschaftsminister Sven Schulze versprochen, sich die Sache noch einmal anzusehen.
- Die Praxistauglichkeit des Vergabegesetzes steht in der Kritik.
- Eine Reform des Gesetzes würde die Bürokratiebelastung verringern.
- Das Vergabegesetz soll Arbeiter schützen, die den Mindestlohn erhalten.
Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze will das Vergabegesetz überarbeiten und dafür eine Kommission ins Leben rufen. Diese soll aus Vertretern der kommunalen Ebene und der Kammern sowie aus Experten seines Ministeriums bestehen. Er wolle dem Landtag Vorschläge präsentieren, wie das Vergabegesetz vereinfacht werden könne, sagte Schulze.
Vergabegesetz scheitert in der Praxis
Eine gängige Kritik am Vergabegesetz lautet: Es ist so bürokratisch, dass sich Firmen nicht mehr um öffentliche Aufträge bewerben. Das stimmt allerdings nicht grundsätzlich. Die Gemeinde Elsteraue schreibt auf Nachfrage des MDR, das Interesse an öffentlichen Aufträgen habe zuletzt sogar zugenommen. Die Stadt Bernburg teilt hingegen mit, vor allem kleine Firmen würden sich seltener bewerben.
Für Bernward Knüper steht fest: Das Tariftreue- und Vergabegesetz funktioniert nicht. Knüper ist Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Sachsen-Anhalt und sagt: Das Land habe ein Gesetz beschlossen, mit dem man nicht arbeiten könne.
Das Land hat ein Gesetz beschlossen, mit dem man nicht arbeiten kann.
"Also es sollte ein Register angelegt werden über alle Tarifverträge. Da geht es um über 800 Tarifverträge, die man im Blick behalten muss. Und dieses Register funktioniert noch nicht." Der Gesetzgeber habe ein Gesetz gemacht und dann die Leistungen, die er dazu versprochen habe, um dieses Gesetz überhaupt vollziehen zu können, dann nicht erbracht.
Gesetzesreform: Bürokratieabbau ist möglich
Bernward Knüper würde das Gesetz abschaffen. Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an Tariflöhne zu knüpfen, findet er falsch. Das sieht auch Burghard Grupe so, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg. Er ist froh, dass die Landesregierung das Gesetz überprüft – gerade in Hinblick auf die Bürokratie: "Wenn das Vergabegesetz jetzt angepackt werden würde, am besten ganz abgeschafft, dann wäre das wirklich gut und der Effekt wäre schlicht und einfach: Wir hätten einen enormen Bürokratie-Abbau. Dieses Bürokratiemonster muss wirklich weg."
Dieses Bürokratiemonster muss wirklich weg.
Susanne Wiedemeyer findet die Kritik hingegen übertrieben. Die Landeschefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes argumentiert, das Gesetz gelte ja erst für öffentliche Aufträge ab 40.000 Euro, bei Bauleistungen greife es sogar erst bei 120.000 Euro. Andere Bundesländer seien da deutlich strenger.
Nicht alle Firmen zahlen nach Tarif
Für Wiedemeyer hat das Gesetz positive Wirkungen, weil öffentliche Mittel nur noch an Firmen vergeben werden, die Tarif zahlen: "Das ist für uns gut und für die Menschen vor Ort auch. Wir haben ja immer noch das Problem, dass wir sehr viele Personen haben, die mit Mindestlohn arbeiten müssen."
Wiedemeyer rechnet nicht damit, dass das Gesetz in Sachsen-Anhalt ganz abgeschafft wird. Das sei mit der mitregierenden SPD nicht zu machen. Kammergeschäftsführer Grupe will wenigstens Reformen. Alle vergabefremden Themen müssten raus – zum Beispiel, dass Unternehmen garantieren müssen, dass ihre Waren frei von Kinder- oder Zwangsarbeit sind.
"Ein Vergabegesetz ist nicht dazu geeignet, die Welt zu retten. Leider nicht. Das wäre schön, ist aber nicht möglich", betont Burgward Grupe. Das Gesetz müsse schlicht und einfach zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern im öffentlichen Bereich die Regeln setzen.
Wie der Streit ausgeht, hängt nun an Wirtschaftsminister Schulze. Alle warten nun auf Vorschläge aus seinem Haus, wie das Vergabegesetz vereinfacht werden kann.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 22. November 2024 | 06:12 Uhr
randdresdner vor 2 Wochen
Diesen Forderungen würde ich in keiner Weise nachgeben. Arbeit kostet so viel, das Menschen einen vernünftigen Lohn bekommen. Es reicht schon zu, dass es im privaten Bereich nicht so gesehen wird bzw. viele Steuergelder unterschlagen werden.
Kommunen sollen ein Vorbild sein und nicht Vorreiter bei Dumpinglöhnen.
Wilhelm vor 2 Wochen
Die Kritik am Vergabegesetz in SLA seitens der Wirtschaftslobby ist nicht nachvollziehbar. Dass die Wirtschaftslobby sich davor drücken will, nachvollziehbar zu dokumentieren, woher die Vorprodukte und zu welchen Bedingungen beschafft, ist nachvollziehbar. Diese Sichtweise ist jedoch in Anbetracht der Bedeutung, die öffentliche Leistungen für das Land haben, nicht sinnvoll. Jede Leistung, die von der öV erbracht wird, lässt sich rechtlich überprüfen. Warum sollte dieser Grundsatz für das Vergabegesetz nicht gelten.