Der Landesrechnungshof des Landes Sachsen-Anhalt, 2015
Der Landesrechnungshof in Sachsen-Anhalt bemängelt die unsachgemäße Verwendung von Faktionskostenzuschüssen. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance / Jens Wolf/dpa-Zentralbild/dpa | Jens Wolf

Sonderbericht des Landesrechnungshofs Landtagsfraktionen wollen zweckwidrig ausgegebene Gelder zurückzahlen

20. August 2024, 10:52 Uhr

Ein Sonderbericht des Landesrechnungshofs in Sachsen-Anhalt zeigt: Mehrere Fraktionen haben über Jahre Kosten-Zuschüsse des Landes nicht für den eigentlichen Zweck verwendet. Dabei geht es um Mittel in Höhe von mehr als 100.000 Euro. Zu den besonders kritisierten Ausgaben gehören unter anderem überhöhte Bewirtungskosten und private Fahrten mit Dienstwagen. Der Landesrechnungshof fordert eine Rückzahlung. Die Fraktionen haben nach eigenen Angaben bereits einen Teil der Gelder erstattet.

Der Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt hat in seinem jüngsten Sonderbericht erhebliche Mängel bei der Verwendung von Fraktions-Kosten-Zuschüssen im Zeitraum von 2012 bis 2016 festgestellt. Insgesamt 130.000 Euro wurden nach dpa-Angaben zweckwidrig eingesetzt. Laut Landesrechnungshof wurde jedoch nur ein Teil des Geldes zurückgezahlt. Demnach stehen weiterhin rund 100.000 Euro aus. Diese Gelder sollen nach Auffassung des Landesrechnungshofes an den Landeshaushalt zurückgezahlt werden, doch besteht Uneinigkeit über die rechtliche Grundlage für solche Rückforderungen.

Der Landesrechnungshof prüft immer in Fünf-Jahres-Zyklen, erklärte Präsident Kay Barthel MDR SACHSEN-ANHALT. Der Zeitraum von 2012 bis 2016 sei daher der letzte, der auch mit dem Stellungnahme-Verfahren der Fraktionen abgeschlossen sei. Das Ergebnis für den Zeitraum 2017 bis 2021 komme im nächsten Jahr.

Landtagspräsident Schellenberger sieht Zuständigkeit bei sich

Zu den besonders kritisierten Verwendungen zählen unter anderem die Finanzierung von Parteiwerbung als Öffentlichkeitsarbeit, überhöhte Bewirtungskosten sowie unangemessene Zahlungen an Fraktions-Mitarbeiter. Der Landesrechnungshof bemängelt, dass viele dieser Ausgaben nicht im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben standen und somit eine zweckwidrige Verwendung von Steuergeldern darstellen. Das betrifft alle Fraktionen, die zwischen 2012 und 2016 im Landtag vertreten waren und damit auch die AfD, die seit der Wahl 2016 im Landtag vertreten ist.

So reagieren die Fraktionen auf den Sonderbericht

Die SPD-Fraktion als Konsequenz aus dem Sonderbericht künftig besonders in der Öffentlichkeitsarbeit darauf achten, wofür die Fraktionskostenzuschüsse genau verwendet werden. Der Parlamentarische Geschäftsführer Rüdiger Erben sagte MDR SACHSEN-ANHALT, der Rechnungshof habe vor allem das Schalten von Anzeigen in Tageszeitungen kritisiert, die für Veranstaltungen mit bundespolitischen Themen warben. Die vom Rechnungshof kritisierten Fehlausgaben wurden nach Angaben der SPD teilweise zurückgezahlt.

Die CDU-Fraktion teilte MDR SACHSEN-ANHALT mit, sie habe entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen knapp 21.000 Euro zurückgezahlt und werde die Erkenntnisse aus dem Bericht des Landesrechnungshofs in ihre Arbeit einfließen lassen.

Die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat nach eigenen Angaben etwas mehr als 6.000 Euro zurückgezahlt. Wie der Parlamentarische Geschäftsführer Olaf Meister MDR SACHSEN-ANHALT sagte, hatte der Rechnungshof der Fraktion knapp 10.000 Euro als Fehlausgabe angekreidet. "Einen Teilbetrag in Höhe von etwas mehr als 3.000 Euro haben wir noch nicht zurückgezahlt, weil wir diese Kritik für unberechtigt hielten", so Meister.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Fraktion, Stefan Gebhardt, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, es sei völlig klar, dass ein Landesrechnungshof manche Veranstaltungen von Fraktionen nicht wichtig finde. "Das sehen aber naturgemäß die Fraktionen, die die Veranstaltungen machen, dann anders", führte Gebhardt aus. Die Linke habe einen kleinen Anteil in Höhe von 700 Euro, bei dem sie die Kritik des Rechnungshofs als korrekt erachtet habe, an die Landeskasse zurückgezahlt.

Die AfD-Fraktion sieht keine Fehlausgaben ihrerseits. Der Landesrechnungshof hat der 2016 neu in den Landtag eingezogenen Fraktion einen Gesamtbetrag von etwa 9.700 Euro als Fehlausgabe angekreidet, wie die Fraktion auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mitteilte. Demnach handelte es sich größtenteils um die Herstellungskosten der ersten Ausgabe der AfD-Fraktionszeitung. Die Fraktion sehe jedoch keine Veranlassung für eine Rückzahlung, teilte sie schriftlich mit.

Die FDP war zwischen 2012 und 2016 nicht im Landtag vertreten. Sie zog erst nach der Wahl 2021 wieder als Fraktion in den Landtag ein.

Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) sprach sich dafür aus, dass er künftig dafür zuständig ist, nicht oder zweckwidrig verwendete Mittel von den Fraktionen zurückzufordern. In einem schriftlichen Statement vom Montag heißt es, das lege der Sonderbericht des Rechnungshofes nahe. Er sei sich mit dem Präsidenten des Rechnungshofes einig, dass die Zuständigkeit im Fraktionsgesetz entsprechend geregelt werden müsse, und wolle das der Parlamentsreformkommission vorschlagen.

Gegen die Regeln: Spirituosen und Trinkgelder bezahlt

In mehreren Fällen wurden Bewirtungskosten für interne Zusammenkünfte wie Fraktionssitzungen aus den Fraktions-Kosten-Zuschüssen finanziert, ohne dass die Teilnahme externer Gäste ausreichend dokumentiert wurde. Dies verstößt gegen die Vorgaben, da Bewirtungskosten nur übernommen werden dürfen, wenn sie nachweislich für die Wahrnehmung von Fraktions-Aufgaben erforderlich sind. Darüber hinaus wurden in einigen Fällen auch Ausgaben für Spirituosen und Trinkgelder getätigt, was nach den geltenden Vorschriften ebenfalls unzulässig ist.

Private Fahrten mit Dienstwagen

Die Untersuchung ergab zudem, dass Fraktions-Mitglieder Dienstfahrzeuge auch für private Zwecke sowie für Fahrten zu Parteitagen nutzten, ohne diese Fahrten zu versteuern. Das verstößt gegen die Zweckbindung der Fraktions-Kosten-Zuschüsse. Besonders problematisch ist, dass in einigen Fällen die vorgeschriebenen Fahrtenbücher entweder unvollständig geführt oder gar nicht vorhanden waren, sodass ein Nachweis des Fraktions-Bezugs der Fahrten nicht erbracht werden konnte.

Eine Fraktion verzichtete komplett auf ein Fahrtenbuch und verwies auf die Versteuerung des privaten Nutzungswertes nach der Ein-Prozent-Regelung, was jedoch nicht von der ordnungsgemäßen Führung eines Fahrtenbuches entbindet.

Landesrechnungshof kritisiert Kosten für Veranstaltungen

Ein weiteres häufiges Problem war laut Bericht die Verwendung von Fraktions-Mitteln für Druckerzeugnisse wie Flyer und Broschüren, deren Inhalte nicht immer einen klaren Bezug zur parlamentarischen Arbeit der Fraktion aufwiesen. Auch bei der Finanzierung von Facebook-Anzeigen wurde oft der inhaltliche Bezug zur Fraktionsarbeit nicht ausreichend dokumentiert. Der Landesrechnungshof betont, dass Öffentlichkeitsarbeit, die primär als Parteiwerbung wirkt oder die Bekanntheit einzelner Abgeordneter steigern soll, nicht aus Fraktions-Mitteln finanziert werden darf.

Der Landesrechnungshof des Landes Sachsen-Anhalt, 2015
Der Landesrechnungshof des Landes Sachsen-Anhalt befindet sich in Dessau-Roßlau. Bildrechte: picture alliance / Jens Wolf/dpa-Zentralbild/dpa | Jens Wolf

Die Finanzierung von Veranstaltungen mit Fraktions-Mitteln, bei denen sowohl auf die Fraktion bezogene als auch parteiinterne oder auf Wahlen bezogene Themen behandelt wurden, stellt eine weitere Verletzung der Zweckbindung dar. Dies betrifft insbesondere gemeinsame Klausurtagungen von Fraktionen und Parteien sowie Neujahrsempfänge, bei denen der Schwerpunkt nicht eindeutig auf der parlamentarischen Arbeit der Fraktionen lag. Derartige Ausgaben laufen nach Auffassung des Landesrechnungshofes auf eine indirekte Parteienfinanzierung hinaus und sind daher unzulässig.

Forderung nach gesetzlicher Klarstellung  

Angesichts der festgestellten Mängel fordert der Landesrechnungshof eine Anpassung des Fraktionsgesetzes, um die rechtlichen Grundlagen für Rückforderungen nicht zweckgemäß verwendeter Mittel klarer zu definieren. Ein Vorbild könnte das Berliner Fraktionsgesetz sein, das die abschließende Entscheidung über die Rechtswidrigkeit und Rückforderung dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses überträgt. Nur durch eine solche gesetzliche Klarstellung kann der bestehende Dissens über die Rückforderung von Mitteln beigelegt und eine korrekte Verwendung der Fraktions-Zuschüsse in Zukunft sichergestellt werden.

MDR (Lars Frohmüller, Fabienne von der Eltz, Engin Haupt, Marius Rudolph) | Zuerst veröffentlicht am 19.08.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 19. August 2024 | 11:00 Uhr

68 Kommentare

Freies Moria vor 28 Wochen

@pwsksk: Hier geht es darum, das Fraktionsgelder nicht gemäß den Regeln für Fraktionsgelder eingesetzt wurden. Dann muss entweder zurückgezahlt oder versteuert werden, oder oder, je nach Sachverhalt.
Wenn jemand mit Dienstwagen diesen zweckfremd nutzt, dann sollte eigentlich dasselbe passieren. Wenn die zugehörige Aufsicht so gut arbeitet wie hier die Landtagsverwaltung...

Freies Moria vor 28 Wochen

Ob Geld verschwendet wurde, oder ein Pflichtversäumnis vorliegt, oder am Ende beides vorliegt, lässt sich aus dem Artikel überhaupt nicht ablesen. Es sind einfach zu viele unterschiedliche Fälle abgehandelt worden.
Richtig ist, es gibt strenge Trennung zwischen Fraktionsarbeit und Parteiarbeit.
Bei Landtagsneulingen wäre ich gar nicht verwundert, wenn das aus Unkenntnis zunächst nicht richtig eingehalten wird.
Bei Parteien die schon Jahrzehnte dabei sind, ist dagegen von Absicht auszugehen.
Ob Wiederholungstäter dabei sind, steht hier auch nicht. Und Strafen jenseits der Rückzahlung scheinen nicht zu existieren.
Immerhin wurden die ausstehenden Beträge offensichtlich eingetrieben - das ist wohl das einzig positive an diesem Bericht.
Interessant wäre auch ein Vergleich mit anderen Bundesländern oder vorherigen Legislaturperioden, aber Recherche betreibt der MDR offenbar grundsätzlich nicht.

Denkschnecke vor 28 Wochen

Die "minimale Summe" ist ziemlich genauso groß wie die bei den Grünen beanstandete und wurde in nur neun Monaten ausgegeben anstatt fünf Jahren. Die AfD denkt im Übrigen im Unterschied zu anderen Parteien an Rückzahlung.

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