Dreimal die Woche am Hauptbahnhof Wie ein Verein Essen und Kleidung an Obdachlose in Magdeburg verteilt
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17. Dezember 2020, 08:55 Uhr
Denny Zenker ist Mitglied in einem Verein für Auto-Tuner. Seit Monaten verteilt er Lebensmittel und Kleidung an Obdachlose in Magdeburg. Das macht er dreimal die Woche – für ein Lächeln und zwei Stunden ohne Probleme.
Aufgeregte Stimmen schallen über den Vorplatz am Hauptbahnhof in Magdeburg. An einem nasskalten Montagabend fährt ein grüner Caddy vor und parkt neben der Straßenbahnhaltestelle. Die Stimmen werden lauter. Ein weißer Tisch wird vor dem Caddy aufgebaut. Etwa zehn bis 15 Menschen scharen sich um das Auto. Es sieht aus wie auf einem Wochenmarkt. Denn ein großer stämmiger Mann mit gelber Warnweste preist an dem Tisch "seine Ware" an.
Der große Mann heißt Denny Zenker und ist gar kein Marktschreier. Seine Ware verkauft er auch nicht an den Höchstbietenden. Er verschenkt sie. Denny Zenker ist 35 Jahre alt und verteilt dreimal die Woche am Hauptbahnhof Kleidung, Decken, Schlafsäcke und Essen an Obdachlose und Bedürftige. Das macht er zusammen mit seinen Freunden vom Auto-Tuning-Verein Elb-Emotion – seit dem ersten Corona-Lockdown im Frühjahr. Dabei schaut er in viele lächelnde Gesichter, hat aber auch Sorgen und hofft auf mehr Unterstützung.
Die Bockwurst schmeckt
"Seit dem ersten Lockdown haben Obdachlose weniger Möglichkeiten. Andere Angebote fahren auf Sparflamme", sagt Zenker. Restaurants haben weniger offen, Gebäude sind geschlossen. Für jemand mit Dach über dem Kopf ist das vielleicht ärgerlich, für einen Obdachlosen kann es lebensgefährlich werden. Denn wenn Restaurants weniger öffnen, fällt weniger ab für Bedürftige, die z.B. nicht verkauftes Essen bekommen. Und ein geschlossenes Gebäude bietet keinen Platz, um sich mal für ein paar Minuten aufzuwärmen. Vor neun Monaten dachte sich Denny Zenker: "Ich mache da jetzt etwas dagegen." Seitdem steht er dreimal in der Woche am Hauptbahnhof.
"Es ist pure Freude. Man sieht das Lächeln in den Gesichtern. Die Leute sind mal für zwei Stunden happy." So beschreibt Denny Zenker seinen Antrieb. Und der 35-Jährige hat Recht. Denn um den grünen Caddy herum hört man viele fröhliche Stimmen. Es wird gelacht. Man kennt sich. Heute gibt es Bockwurst. Und die schmeckt, sagt Rene. Der Magdeburger war selbstständig, hat nach eigenen Worten "alles verloren" und lebt nun von Hartz IV. "Ich kann nur 1.000 Mal Danke sagen an Denny und seine Leute." Sagt er und holt sich gleich noch eine Bockwurst.
Wo kann ich spenden?
Mitglieder des Auto-Tuning-Vereins stehen dreimal die Woche auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs. Montag, Mittwoch und Freitag jeweils ab 18 Uhr. Es werden Kleidung, Decken und warmes Essen verteilt. Das Ganze finanziert der Verein selbst, ist aber auch auf Spenden angewiesen. Wer etwas spenden möchte, kann sich über die Facebook-Seite oder unter der Telefonnummer 0176 62 48 60 75 beim Verein melden.
Insgesamt 30 bis 40 Menschen gehören mittlerweile zur Kundschaft. Doch gerade am Anfang war es schwierig, den Betroffenen überhaupt zu sagen, dass man da ist. Die meisten Obdachlosen und Bedürftigen haben kein Handy oder Internet. Deswegen ist Denny mit seinen Mitstreitern und Mitstreiterinnen anfangs durch die Stadt gefahren, um auf ihre Aktion aufmerksam zu machen. "Wir haben die Leute regelrecht gesucht, um ihnen von uns zu erzählen." Dann hat sich das irgendwann unter den Menschen rumgesprochen und ist nach und nach gewachsen.
"Es gibt Leute, die hungern in Magdeburg"
Gewachsen ist auch die Zusammenarbeit mit der Stadt. Wenn auch nicht so schnell und effektiv, wie sich das der Verein Elb-Emotion gewünscht hätte. Nach langem bürokratischem Hin und Her hat der Verein durch Kontakte der Stadt 2.000 Euro von der Wohnungsbaugenossenschaft bekommen. Das habe sehr geholfen und der Caddy konnte davon finanziert werden, sagt Zenker. "Aber ich würde mir wünschen, dass uns der Oberbürgermeister einmal besucht und sich vor Ort ansieht, was wir machen." Es könne noch mehr getan werden.
In der Hochwasserkrise hat sich der Oberbürgermeister Trümper für die Stadt eingesetzt und hat sich auch bewiesen. Aber warum nicht jetzt? Wir haben wieder eine Krise? Die Corona-Krise. Es gibt Leute, die hungern in Magdeburg.
Doch Denny Zenker macht weiter. Auch nach Corona, versichert er. Für diesen Montag ist aber Schluss. Ein Mann fragt noch nach einer Schlafhose. Leider hat der 35-Jährige keine mehr in seinem Auto. Aber er verspricht, dass er Mittwoch eine mitbringt. Quasi auf Bestellung. Der Obdachlose scheint zufrieden. "Terz gibt es hier nicht. Wenn etwas alle ist, ist es alle. Das verstehen die Leute auch." Und so reden dann einfach noch alle miteinander. Oder wie Denny Zenker sagen würde: Sie sind happy.
Quelle: MDR/ff
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 16. Dezember 2020 | 16:40 Uhr
kleinerfrontkaempfer am 16.12.2020
Respekt!!!
Leider können so viele soziale Organisationen und Personen wie Denny Zenker gar nicht genug tun um diese menschliche Misere und das Leid zu lindern.
Warum verlassen sich Parteien, Lobbyisten, Emporkömmlinge und Kleinbürger immer wieder auf diese Engagement?!
Das beschäftigt ganze Völkerstämme, lenkt sie ab und verschafft den Genannten den Freiraum für weiteres egozentrisches Wirtschaften. Wie lange noch?
Harzbiker am 16.12.2020
Hut ab für das was hier für diese armen Menschen getan wird und vielleicht klappt es doch noch mit einem Besuch vom Oberbürgermeister.
Haller am 16.12.2020
Erbärmlich die Zustände wenn so etwas notwendig.