Auf einer Computertastatur liegt das Wort Start-up.
Viele Startups in Magdeburg begreifen die Krise als Chance und tragen sogar zu ihrer Lösung bei (Symbolbild). Bildrechte: imago images / Steinach

Wirtschaft und Energiekosten Von wegen nur Vakuum: Wie Magdeburger Start-ups durch die Krise gehen

23. Oktober 2022, 11:22 Uhr

Mitten in der Krise gründen sich in Magdeburg neue Unternehmen, die mit ihren Ideen die Welt verändern wollen. Trotz der Probleme begreifen viele die schwierige Lage als Chance. Wirtschaftsprofessor Matthias Raith ist überzeugt, dass sie nicht nur Magdeburg, sondern die ganze Region voranbringen können.

Corona, Klima, Kostensteigerungen – viele Betriebe in Sachsen-Anhalt stehen derzeit vor großen Herausforderungen. Erst vor wenigen Wochen mussten etwa die beiden Traditionsunternehmen Bodeta aus Oschersleben und FAM aus Magdeburg Insolvenz anmelden und viele Handwerksbetriebe kämpfen ums Überleben. Aus der Wirtschaft, so scheint es zumindest, kommen täglich Hiobsbotschaften. Wie wird es da wohl Unternehmen gehen, die sich gerade erst gründen und oft mit nur wenig Startkapital ausgestattet sind?

Ein Besuch am Transfer- und Gründerzentrum (TUGZ) der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) zeigt: überraschend gut. Die Start-ups schaffen es offenbar nicht nur häufig, sich an die neuen Bedingungen anzupassen, manche profitieren sogar von der Krise. Das ist besonders dann der Fall, wenn die jungen Unternehmen Innovationen liefern, die zur Minderung der Krisen beitragen.

Die Krise als Chance

Das junge Unternehmen Dronodat etwa hat eine Drohne entwickelt, die unter anderem bei der Inspektion von Solar- und Windkraftanlagen helfen kann. Durch automatisierte Datenanalyse kann die Drohne auch kleine Mängel an Anlagen erkennen und so zu einer höheren Effizienz und geringeren Wartungskosten der Anlagen beitragen, die sonst in aufwendigen manuellen Verfahren inspiziert werden müssen. Geschäftsführer Mahmoud Sarhan geht davon aus, dass die hohen Energiekosten und die Energiewende die Attraktivität des Unternehmens steigern können.

Sarhan erzählt, die direkten Folgen der Pandemie und der Energiekrise hätten das Unternehmen kaum getroffen. Herausforderung sei eher, in Deutschland mit komplizierter Drohnenbürokratie einen Markt für das Drohnengeschäft zu erschließen und als junges Unternehmen von den großen Firmen ernst genommen zu werden. Er hofft, dass sich das bald ändert und das Unternehmen mit großen Kunden zusammenarbeiten und Deutschland auf seinem Weg zur Klimaneutralität unterstützen kann. Das, sagt Sarhan, sei für ihn der Hauptantrieb zur Unternehmensgründung gewesen.

Weitermachen trotz Krise

Stärker als Dronodat war das junge Unternehmen Nanofract von der aktuellen Krise betroffen. Man habe durch die Pandemie keine Messen und Konferenzen besuchen und keine neuen Kunden gewinnen können, erzählt Geschäftsführerin Polina Aman. Auch die Produktionskosten seien gestiegen.

Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, für Kunden passgenau entwickelte Werkstoffe zu erstellen, die durch Beschichtungen auf Nano- und Mikroebene bestimmte Eigenschaften haben. So hat das Unternehmen stromleitfähigen und magnetischen Kunststoff entwickelt, der etwa bei Leichtbautechniken zum Einsatz kommen kann. Andere Produkte werden in der Umweltanalytik eingesetzt, um zu untersuchen, wie kleine Kunststoffpartikel sich auf die Tiere in Ozeanen auswirken. Polina Aman ist zuversichtlich, dass sich das Unternehmen erfolgreich entwickeln wird.

Die Bedeutung der Start-ups für die Region

Der Wirtschaftsprofessor Matthias Raith, der an der OVGU in Magdeburg forscht und lehrt, ist überzeugt, dass junge, innovative Unternehmen und Start-ups mit ihren Erfindungen nicht nur die Technologiewelt verändern können, sondern auch die Stadt Magdeburg erheblich stärken können.

Zum einen schafften junge, neue Unternehmen im Gegensatz zu großen Unternehmen häufig viele neue Arbeitsplätze, sagt Raith. Zum anderen erzeugten junge Unternehmen ab einer bestimmten kritischen Masse eine innovative Dynamik, weil sie weitere innovative Unternehmen anzögen und auch politische Prozesse beeinflussen und beschleunigen könnten, indem sie Ansprüche an die Politik stellten. Dadurch werde etwa der Ausbau von Infrastrukturen vorangetrieben, die der ganzen Region nützten.

Auch Raith sieht in der Krise eine große Chance für neue Innovationen. Besonders in der Energiewirtschaft, der Agrarwirtschaft und Ernährungstechnologie sieht er großes Potenzial für Unternehmen, große Märkte zu erschließen. Damit die Unternehmen dauerhaft in Magdeburg blieben, müssten aber auch entsprechende Anreize geschaffen werden. Dazu gehöre auch die entsprechende Förderung und Bildungsangebote.

Unterstützung am Transfer- und Gründerzentrum

Am Transfer- und Gründerzentrum (TUGZ) und in der experimentellen Fabrik in Magdeburg versucht man, innovativen Menschen mit Förderungen, Räumlichkeiten und Know-how bei der Unternehmensgründung zu helfen. So soll dabei geholfen werden, dass die Erfindungen, die an der Universität entwickelt werden, nicht in Schubladen verstauben, sondern ihren Weg in Unternehmen finden.

Hieraus sind bereits eine Reihe erfolgreicher Unternehmen entstanden. Dazu zählen etwa das Unternehmen Smela, das energieeffiziente elektrische Antriebssysteme für Industrieanlagen herstellt, das Unternehmen Trenux, das für seinen faltbaren Fahrradanhänger bekannt geworden ist, das Gründungsprojekt Moosaik, das durch spezielle Fassadenbegrünung mit Moos Gebäude dämmt und Schadstoffe aus der Luft filtert, sowie zahlreiche Produkte aus der Medizintechnik.

Ein anderes Start-up, das an der Universität in Magdeburg entwickelt wurde und gerade Schlagzeilen und Millionenumsätze macht, ist "Periodically", das mit einem öffentlichen Spender für Menstruationsprodukte weltweit Erfolg hat und für seinen Beitrag zum Allgemeinwohl gerade ausgezeichnet wurde.

Zugewinn an Wohlstand und Attraktivität

Gerald Böhm und Jonas Crackau vom TUGZ berichten dass die Gründerszene die Pandemie und die Energiekrise als Chance begriffen hat. Dass es deshalb weniger Menschen gibt, die Unternehmen gründen wollen, können beide nicht feststellen. Eher sei das Gegenteil der Fall. Böhm und Crackau sind überzeugt, dass den jungen Unternehmen die Zukunft gehört und sich Investitionen in sie unbedingt lohnten.
"Ich würde schätzen, dass ein Euro, der an Steuermitteln in die Gründungsförderung investiert wird, pro Jahr 1,30 Euro zurückgibt", sagt Jonas Crackau. Laut ihm bringen Start-ups enorme Gewinne an Wohlstand und Standortsattraktivität für ihre Region.

Ich würde schätzen, dass ein Euro, der an Steuermitteln in die Gründungsförderung investiert wird, pro Jahr 1,30 Euro zurückgibt. Das ist ein massiver Gewinn an Wohlstand für die Region und natürlich auch wichtig, weil wir als Standort interessant bleiben müssen.

Jonas Crackau Mitarbeiter am TUGZ

Gerald Böhm ist sich sicher, dass in Magdeburg noch ungeheures Potenzial für weitere innovative Projekte und Unternehmensgründungen steckt. Allein an der Universität liegen laut Böhme derzeit 170 ungenutzte Patente, von denen einige extrem vielversprechend für Unternehmensgründungen seien.

MDR (Leonard Schubert)

MDR SACHSEN-ANHALT

1 Kommentar

Shantuma am 23.10.2022

Ich hoffe Dronodad bekommt entweder hochauflösende Kameras oder eine Sondergenehmigung für den Drohnenflug.

Denn in der Nähe von Energieanlagen gilt ein seitlicher Mindestabstand von 100m.

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