Aschersleben Alternative zu Erd- oder Feuerbestattung: Friedhof will Reerdigung anbieten

10. Juli 2022, 10:41 Uhr

Auf dem Friedhof in Aschersleben könnte es neben Erd- und Feuerbestattungen vielleicht bald eine dritte Bestattungsform geben. Die Reerdigung. Bei dem Verfahren wird ein Leichnam in einen Kokon gebettet und innerhalb von 40 Tagen auf natürliche Weise zu Erde zersetzt. Noch fehlt es an gesetzlichen Regelungen dafür.

Tom Gräbe
Bildrechte: MDR/Fabian Frenzel

"Die schönste Art zu bleiben", das steht auf einem Mini-Modell eines Sarkophags. Mit nach Aschersleben gebracht hat ihn Max Hüsch, einer der Geschäftsführer des Unternehmens "Meine Erde". An diesem Tag wird auf dem Ascherslebener Friedhof ein saniertes Gebäude und ein Erinnerungsgarten eingeweiht. Später wird Max Hüsch noch einen Vortrag halten, über die Bestattungsmethode, die eine Alternative zur Urnen- oder Erdbestattung werden soll.

"Das ist Stroh, das sind Blumen, das ist Heu. Und der menschliche Leichnam wird dann mit dem Substrat bedeckt und verbleibt für 40 Tage in dem Kokon. Und nach 40 Tagen haben wir den Menschen in fruchtbare Erde verwandelt.", sagt Max Hüsch. "Im Prinzip haben wir uns eigentlich abgeschaut, was die Natur kann, wenn sie perfekte Rahmenbedingungen dafür hätte." Also, das richtige Verhältnis von Temperatur, Sauerstoff und Feuchtigkeit. Die Arbeit erledigen Mikroben. Das ist natürlich und sogar nachhaltig. Übrigens eine Idee, an der weltweit geforscht und gearbeitet wird.

Eine Erdbestattung im Zeitraffer

Genau diese Art der natürlichen Bestattung hätte gefehlt, sagt Max Hüsch. Sie ähnele der Erdbestattung. Nur die Transformation in Erde, die passiere eben nicht in 25 Jahren, sondern in 40 Tagen. "Es ist ein sehr biologischer Prozess, den wir dann ausprobiert haben." In Deutschland hat die Firma bis jetzt zwei Reerdigungen durchgeführt. Eine dritte laufe momentan. Die Erde der Verstorbenen kann bestattet werden. In Aschersleben würde die Friedhofsverwaltung gern die neue Bestattungsform anbieten. Es gibt bereits konkrete Überlegungen.

In diese Erde, soll ein Baum gepflanzt werden, unterschiedlicher Größe. Und der Bürger hätte die Möglichkeit, den Baum auch mit nach Hause zu nehmen. Beispielsweise, um ihn an anderer Stelle einzupflanzen. Oder wir pflanzen gleich einen größeren Baum, der dann dauerhaft auf unserem Friedhof verbleibt.

André Könnecke Chef der Friedhofsverwalter Deutschlands

André Könnecke leitet den Bauwirtschaftshof der Stadt. Außerdem ist er Geschäftsführer des Verbands der Friedhofsverwalter Deutschlands. Wichtig ist ihm: Am Platz, an dem die Erde des Verstorbenen liegt, soll es eine Plakette geben. Trauer braucht schließlich Orte und Rituale: Wenn der Leichnam in den Kokon gebettet werde, könnten Angehörige dabei sein. Auch während des Prozesses. Oder wenn die Erde bestattet wird. 

Große Unterschiede zur Urnenbestattung, sieht auch Pfarrerin Anne Bremer nicht. "Bei der Reerdigung würde man bestatten: Erde. Das ist das was wir bei der Beerdigung auch sagen. 'Erde zu Erde.' Der Mensch ist von der Erde genommen und er geht zur Erde hin. Nun ist dieser Vorgang sehr komprimiert." Und darauf zu warten, einen Verstorbenen Bestatten zu können, das müssten Angehörige auch bei einer Urnenbestattung.

Abläufe bei Bestattung weitgehend gleich

Die Abläufe die müssten sich auch bei einer Reerdigung nicht wirklich ändern. Nur, dass dann eben beim Bestatter die Entscheidung anstünde: Erdbestattung, Urnenbestattung oder Reerdigung. Der Bestatter soll Hauptansprechpartner bleiben, für die Familien, Friedhöfe, Kirche. Kosten soll eine Reerdigung so viel wie eine durchschnittliche Feuerbestattung, schreibt der Anbieter im Internet.

Noch aber fehlt es an gesetzlichen Regelungen für die Reerdigung. Allerdings werden momentan ohnehin Neuerungen im Bestattungsgesetz diskutiert. Der Verband der Friedhofsverwalter, die hiesige Bestatterinnung, die Innung des Steinmetz- und Bildhauerhandwerks und der Gartenbauverband Mitteldeutschland machen sich in einer Stellungnahme dafür stark, die Reerdigung als neue Bestattungsform ins Gesetz aufzunehmen.

Bestattungsform angeblich klimafreundlich

"Die Reerdigung bietet die Möglichkeit einer Erdbeisetzung in einer beschleunigten Form mit geringem Energieeinsatz und damit verbundenen niedrigen CO2-Emissionen", heißt es in dem Papier. Allerdings: Die Erde soll auf einem Friedhof bestattet werden. Das betonen die Verbände. Ob sich die Reerdigung etabliert oder nicht: Erde zu Erde. Bei wohl keiner anderen Bestattungsform macht der Ausspruch mehr Sinn.

MDR (Tom Gräbe, Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. Juli 2022 | 13:20 Uhr

3 Kommentare

hilflos am 10.07.2022

Keine Beerdigung, das bedeutet auch keine Bestattungsgebühren, aber dafür ist die Kompostierung sicher teuer

hilflos am 10.07.2022

Danach kommt man als Blumenerde in den Handel

Bolle der 1. am 10.07.2022

Tolle Idee. Würde ich für mich sofort in Anspruch nehmen. Wird aber bestimmt nichts. Kirchen und Kommunen verdienen an der Bestattung ja viel Geld.

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