Schwangerschaft und Verhütung Grüne wollen besseren Zugang zu Abtreibungen in Sachsen-Anhalt

15. Februar 2023, 05:00 Uhr

Wer in Sachsen-Anhalt ungewollt schwanger wird, soll künftig einen besseren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen bekommen. Das verlangen die Grünen. Das Ziel: Mehr Kliniken sollen Abtreibungen vornehmen können. Eine Frauenärztin kritisiert, dass immer weniger junge Menschen hormonell verhüten. Schon jetzt gibt es in Sachsen-Anhalt im Verhältnis die deutschlandweit meisten Schwangerschaftsabbrüche.

Sachsen-Anhalts Grüne wollen ungewollt Schwangeren einen besseren Zugang zu einer möglichen Abtreibung bieten. Die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, Susan Sziborra-Seidlitz, erklärte im Landtag, es sei gesetzliche Pflicht, den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen. Allerdings gebe es "deutliche Signale, dass wir genau diese Pflicht in Sachsen-Anhalt eben nicht mehr vollumfänglich erfüllen". Die Versorgungslage mit entsprechenden Kliniken und Praxen verschlechtere sich stetig, die Beratungsstellen müssten gestärkt werden.

Schwangerschaftsabbrüche in Stellenausschreibung für Ärzte?

Konkret verlangt die Grünen-Fraktion in ihrem Antrag etwa, dass Sachsen-Anhalt statt 80 demnächst 100 Prozent der Personal- und Sachkosten für die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen übernimmt. Zudem will die Partei erreichen, dass künftig zumindest alle landeseigenen Kliniken einen Schwangerschaftsabbruch anbieten. Der Eingriff, der nach einer verpflichtenden Beratung erfolgt, soll zudem künftig Teil der Facharztausbildung sowie in der Stellenbeschreibung für künftige Ärztinnen und Ärzte aufgeführt sein.

Außerdem soll es nach dem Antrag der Grünen künftig ein öffentlich einsehbares Verzeichnis über die Kliniken und Praxen geben, die einen Abbruch vornehmen. "Nicht mal die Landesregierung hat einen genauen Überblick, welche Kliniken und Praxen diesen Eingriff durchführen", kritisierte Sziborra-Seidlitz. Das sei "eigentlich ein Unding". Derzeit gibt es zwar eine Liste der Bundesärztekammer. Eine Aufnahme von Kliniken und Praxen in diese Liste ist allerdings freiwillig, deshalb wird sie immer wieder als unvollständig kritisiert.

Schwangerschaftsabbruch: Die Rechtslage Ein Schwangerschaftsabbruch ist nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches in Deutschland eine Straftat. Nur unter bestimmten Bedingungen bleibt er straffrei: Es muss eine Beratung in einer dafür anerkannten Stelle geben, der Eingriff darf spätestens in der zwölften Woche vorgenommen werden und zwischen Beratung und Eingriff muss eine Zeitspanne von drei Tagen liegen. Außerdem bleibt ein Eingriff straffrei, wenn von der Schwangerschaft eine akute gesundheitliche Gefährdung für die Frau ausgeht oder die Schwangerschaft durch einen Sexualdelikt wie eine Vergewaltigung verursacht wurde.

Grüne: Illegale Abbrüche führen zu tödlichen Verletzungen

Sziborra-Seidlitz betonte, dass es sich um einen Betrag zur Frauengesundheit handele. Wenn es keinen einfachen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gebe, würden Frauen eine Abtreibung illegal vornehmen – was zu schweren Verletzungen oder dem Tod führen könne. Das zeige der Blick in andere Länder. Es gehe daher nicht darum, wie man ethisch und moralisch zum Thema stehe. Vielmehr müsse der Zugang sichergestellt werden, "weil Schwangerschaftsabbrüche Realität sind", sagte Sziborra-Seidlitz.

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Hintergrund des Antrags sei unter anderem, dass es immer weniger Ärztinnen und Ärzte im Land gebe, die einen Abbruch vornehmen. Das liege auch daran, dass viele der in der DDR standardmäßig dazu ausgebildete Medizinerinnen und Mediziner in Rente gingen.

CDU verweist auf "Schutz des ungeborenen Lebens"

Sozialministerin Petra Grimm-Benne stellte im Landtag klar, dass der Zugang zur Schwangerschaftskonfliktberatung und zu Einrichtungen, die einen Abbruch vornehmen, in Sachsen-Anhalt gegeben sei. Die SPD-Politikerin erklärte, die Beratungsstellen würden angemessen gefördert, in den vergangenen Jahren sei die Unterstützung sogar erhöht worden. Grimm-Benne verwies außerdem auf die öffentlich einsehbare Liste der Bundesärztekammer mit Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Dennoch signalisierte sie mit Blick auf die Forderungen der Grünen Gesprächsbereitschaft.

Kritik kam aus der CDU-Fraktion: Der Abgeordnete Matthias Redlich erklärte, auch wenn es Möglichkeiten eines sicheren Schwangerschaftsabbruchs brauche, gehe es dabei immer auch um den Schutz des ungeborenen Lebens. Er kritisierte, dass dieser Punkt im Antrag der Grünen vernachlässigt werde und alles als "Teil der Frauengesundheit" gesehen werde. Auch die AfD erklärte, man solle sich "schützend und fördernd vor jedes menschliche Leben" stellen – also auch vor das ungeborene Leben. Die Forderungen der Grünen sollen nach der Debatte im Landtag nun im Sozialausschuss weiter beraten werden.

Immer weniger junge Menschen verhüten hormonell

Die Grünen betonten im Landtag, das oberste Ziel müsse sein, ungewollte Schwangerschaften von vornherein zu vermeiden. Dazu sei ein guter Sexualkundeunterricht nötig, um über Verhütungsmethoden aufzuklären. Einer Studie zufolge verhüten immer weniger junge Menschen hormonell. Demnach ist die Nutzung der Pille bei den 18- bis 29-Jährigen in den vergangenen Jahren von 72 auf 56 Prozent zurückgegangen.

Dörte Meisel, stellvertretende Vorsitzende des Berufsverbands der Frauenärzte in Sachsen Anhalt, sprach bei MDR exactly von einer "Studie, die uns Sorgen macht". Seit dem Trend von der hormonellen hin zur biologischen Verhütung gebe es in den Praxen einen Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche von zwölf Prozent, erklärte Meisel. Als Ursache nannte die Frauenärztin das Internet, verbreitete nicht-medizinische Informationen, mangelnde Beratung und auch ein Versagen der Schulen.

Sachsen-Anhalt mit den verhältnismäßig meisten Abtreibungen bundesweit

Sachsen-Anhalt nimmt beim Thema Schwangerschaftsabbruch durchaus eine besondere Rolle ein: Denn bundesweit werden hier im Verhältnis zur Zahl der Frauen die meisten Abtreibungen vorgenommen.

Die Zahl ist allerdings rückläufig und nähert sich langfristig dem bundesdeutschen Durchschnitt an. Auffällig ist zudem, dass keineswegs nur junge Frauen einen Abbruch vornehmen lassen: Laut Statistik sind die betreffenden Schwangeren immer älter.

MDR (Felix Fahnert)

Dieses Thema im Programm: MDR+ | MDR exactly | 13. Februar 2023 | 17:00 Uhr

5 Kommentare

hansfriederleistner am 15.02.2023

Da klagen Menschen, daß Tiere nicht artgerecht gehalten werden und fordern alles Mögliche. Und ein werdender Mensch? Den braucht man nicht. Der wird erbarmungslos entsorgt. Auch für das wehrlose Kind gilt: du sollst nicht töten.

Burgfalke am 15.02.2023

Zitat: "in Sachsen-Anhalt im Verhältnis die deutschlandweit meisten Schwangerschaftsabbrüche"
Bisher nahm ich an, daß das längst kein wirkliches Thema mehr ist bzw. hier in diesem BL.

Besitzen die Frauen nicht seit Jahren die Freiheit selbst entscheiden zu können, ob sie ein Kind wollen.

Von ebenso großer Bedeutung ist es Sorge dafür zu tragen, daß unsere Bevölkerung nicht weiter schrumpft, sondern durch die hier lebende eigene Bevölkerung sich stabilisieren kann. Dafür braucht es jedoch andere Bedingungen in diesem Land. Das wird allerdings ein Traum bleiben! Hier trifft wohl eher die Prognose eines ehemaligen Berliner Senator zu (leider).

ElBuffo am 15.02.2023

Der Befund der meisten "Abbrüche" ungeborenen Lebens im passt irgendwie nicht zur Forderung, dass dieses Angebot noch ausgebaut werden müsste. Zumal wohl auch in anderen Bereichen ein erheblicher Mangel an Angeboten herrscht, wenn ich da etwa an Kinderärzte und -kliniken denke.

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