Flutkatastrophe "Das geht rein ins Herz": Görlitzer hilft unermüdlich im Ahrtal

13. Januar 2024, 11:41 Uhr

Es waren die Flutkatastrophen in Sachsen, die Rudi Dollischall eher unfreiwillig zum Fluthelfer machten. Während der Jahrhundertflut 2002 schickt ihn sein Arbeitgeber - ein Energieunternehmen aus dem Ruhrpott - nach Pirna, um zu retten, was noch zu retten ist. 2013 ist er wieder als Fluthelfer in Sachsen unterwegs. Und verliebt sich nebenher in Görlitz, wo er nun als Rentner lebt. Von hier aus organisiert er unermüdlich Hilfsfahrten ins Ahrtal, denn die Schäden der Flutkatastrophe 2021 sind allgegenwärtig.

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"Es ist im Ahrtal viel schlimmer, als man im Fernsehen sieht", sagt der Görlitzer Rudi Dollischall, der seit der Flutkatastrophe im Sommer 2021 bis heute als Fluthelfer an der Ahr unterwegs ist. Erst vor wenigen Tagen kehrte der Rentner aus dem Katastrophengebiet wieder zurück nach Görlitz. Sein Transporter musste in die Werkstatt, seine Kleidung gewaschen und vor allem das Werkzeug musste repariert oder ersetzt werden.

Ballern steht für stemmen und ranklotzen

Jetzt sitzt der 67-Jährige in seiner Wohnung in der Görlitzer Altstadt bei einem Kaffee und sieht sich Fotos von Einsätzen an: "Hier, das ist einer unserer Einsatzorte, da haben wir geballert!" Ballern steht bei Rudi Dollischall nicht etwa für "in der Gegend rumschießen". "Ballern" steht für stemmen und ranklotzen. Mit schweren Bohrhämmern wird der Putz von den Wänden gemeißelt - also "geballert" -, damit das Gebäude trocknen kann.

Der Görlitzer gehört mit anderen Oberlausitzern zum "Team Ballern". Die Truppe, zu der meist junge Leute aus ganz Deutschland gehören, hat sich bei einem Hilfseinsatz in der Gemeinde Schuld - mitten im Schlamm - zusammengefunden.

Als die Truppe nach einem Einsatz am Abend - wieder einmal als Letzte - ins Camp der Helfer kam, wurde freundlich gelästert: "Da kommt das 'Team Ballern'". Damit hatten die Helfer ihren Namen. Bis heute helfen sie im Ahrtal. Die Gruppe gehört zu den wenigen ehrenamtlichen Helfern, die im zerstörten Ahrtal durchgehalten haben.

Erst in der vergangenen Woche hat das Team kostenloses Brennholz in Bayern organisiert und im Ahrtal verteilt. "Noch immer leben viele Menschen im Ahrtal auf einer Art Baustelle in ihren Häusern", erklärt der Görlitzer. "Heizungen, Öl und Gas, funktionieren nicht, elektrisch ist einfach zu teuer."

Vom Bohrhammer bis zur Waschmaschine, alles wird gebraucht

Rudi ist mit seinem weißen Transporter praktisch der Logistiker der Truppe. Immer wieder bringt er dringend benötigte Dinge aus dem Landkreis Görlitz ins Ahrtal. Er nimmt aber keinen alten Krempel mit, sondern nur neuwertige Sachen. Einmal war der Transporter prall gefüllt mit zehn nagelneuen Schubkarren. Die Lücken zwischen Schubkarren füllte ein lokaler Baumarkt mit dringend benötigten Arbeitsschuhen.

Vor einigen Monaten rollten Geräte für den Haushalt und Waschmaschinen von der Neiße an die Ahr. "Die Waschmaschinen und andere Geräte haben Görlitzer in einem Elektromarkt gekauft und danach haben wir die nagelneuen Geräte direkt in den Transporter gepackt", freut sich Rudi noch heute. "Die Hilfe kommt an, da gibt es manchmal auch Freudentränen", sagt der Fluthelfer.

Da kommen die Leute aus dem Osten und bringen den Leuten im Westen Sachen, die sie dringend brauchen. Das geht rein ins Herz.

Rudi Dollischall Fluthelfer

Im Ahrtal wissen Einheimische, wo die Not unter ihnen am größten ist. Dorthin schicken sie den Rudi mit seinem "Team Ballern." So stellten Nachbarn fest, dass seit zwei Jahren ein älterer Mann allein versucht, in seinem schlammverseuchten Haus zu überleben. Hier wurde "geballert", bis zumindest annehmbare Zustände hergestellt werden konnten.

Es ist noch viel zu tun, denn die Zerstörung ist noch immer real. Es gibt Ortschaften an der Ahr, da gruselt es einem.

Rudi Dollischall Fluthelfer

Arbeit gibt es noch jede Menge, berichtet der engagierte Rentner. "Altenahr oder Mayschoß, da sieht es aus, wie nach einem Bombenangriff", so der Görlitzer.

In Mayschoß sind nach Angaben der dortigen Behörden von 300 Häusern mehr als Hälfte beschädigt. 38 Häuser hat die Flutwelle komplett zerstört. In Altenahr wurden von 660 Häusern 520 beschädigt. Weil in vielen Ortschaften die Infrastruktur noch immer nicht hergestellt ist, müssen die Leute dort weiter unterstützt werden, meint Rudi. Deshalb hofft der Görlitzer, dass sein Transporter noch lange durchhält und die Oberlausitzer weiter seine Aktionen im Ahrtal unterstützen.       

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 15. Januar 2024 | 16:30 Uhr

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