Cindy Krause
Dr. Cindy Krause ist Geschäftsführerin der Regionalkammer Mittelsachsen der IHK Chemnitz. Bildrechte: Thomas Kruse

Wirtschaft IHK: Ausufernde Bürokratie gefährdet Unternehmensgründungen in Sachsen

18. September 2023, 13:29 Uhr

Mit einem neuen Gesetz will Bundesjustizminister Marco Buschmann die Bürokratie in Deutschland verringern. Vor allem Firmen sollen so mehr Luft zum Atmen bekommen. Doch wie realistisch sind die Erfolgschancen? Schließlich ist es das vierte derartige Gesetz innerhalb von weniger als acht Jahren. Darüber hat MDR SACHSEN mit der Geschaftsführerin der Regionalkammer Mittelsachsen der IHK Chemnitz, Cindy Krause, gesprochen. Das geplante Gesetz ist auch Thema bei "Fakt ist!" am Montagabend im MDR FERNSEHEN.

Frau Krause, auch in Sachsen stöhnen viele Unternehmen unter der Last der Bürokratie. Der Bundesjustizminister will jetzt mit einem neuen Gesetz für Abhilfe sorgen. Wie zuversichtlich sind Sie, dass das gelingt?

Cindy Krause: Naja, man soll ja die Hoffnung nie aufgeben. Der 28-Punkte-Plan des Bundesjustizministers ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings hätte man an der einen oder anderen Stelle auch mutiger sein können.

An was denken Sie da konkret?

Beispielsweise an die Aufbewahrungspflichten. Bisher müssen Unternehmen Rechnungen, Akten und andere Unterlagen zehn Jahre aufbewahren. Das ist gerade für kleine und mittlere Firmen ein erheblicher Aufwand. In der Praxis heißt das, wenn jemand 70 Jahre alt ist und sein Unternehmen abmeldet, muss er trotzdem noch Räumlichkeiten für die Unterlagen haben und auch noch für Rückfragen zur Verfügung stehen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass diese Aufbewahrungspflicht auf acht Jahre verkürzt wird. Das ist aus unserer Sicht aber nur ein kleiner Schritt. Da wäre mehr möglich gewesen.

Setzen die Eckpunkte für das Gesetz die falschen Prioritäten?

Wir erkennen die Bemühung durchaus an, aber da stehen auch Dinge drin, wo es aus unserer Sicht gar kein Gesetz bräuchte. Das trifft unter anderem auf die Aushangpflicht zu. Unternehmen sind verpflichtet, wenn sie Mitarbeiter beschäftigen, bestimmte Gesetze zum Arbeitsschutz auszuhängen. In den Eckpunkten heißt es nun, dass das auch digital möglich sein soll, zum Beispiel im Intranet. Da sind die Unternehmen jedoch schon selbst drauf gekommen.

Außenansicht mit Schriftzug Teigwaren-Fabrik in Riesa 6 min
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Wo drückt denn der Schuh bei den Unternehmen in der Region tatsächlich?

Das sind vor allem die vielen Berichtspflichten. Nehmen wir mal die Tourismuswirtschaft. Die Unternehmen müssen dort regelmäßig Zahlen liefern fürs Statistische Landesamt zur Zahl der Übernachtungen und den Umsätzen. Das ist sicherlich wichtig, auch als Entscheidungsgrundlage für die Politik. Aber für die Unternehmen bedeutet es Aufwand, mit dem sie kein Geld verdienen. Nicht mal eine Belohnung gibt es oder eine Rückmeldung, was mit den Daten passiert.

Ein weiteres Beispiel wäre der Datenschutz. Wenn sie als Firma viele Kunden haben, müssen sie sagen, zu welchem Zweck sie mit wem kommuniziert haben. Und vor allem müssen sie das auch alles jeweils belegen. Ab einer gewissen Größe ist sogar extra ein Datenschutzbeauftragter nötig. Pflichten gibt es zudem bei den Lieferketten. Kauft man Material bei Zulieferern ein, ist ein Nachweis nötig, dass die Menschenrechte eingehalten wurden.

Bauarbeiten auf einer Baustelle 3 min
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Wie wirkt sich das auf die Themen Existenzgründung und Unternehmensnachfolge aus?

Viele fragen sich angesichts des hohen bürokratischen Aufwands, der auf Kosten der Zeit geht, in der Geld verdient wird: Was bleibt unterm Strich für mich noch hängen? Es ist unglaublich schwierig, das Thema Unternehmensnachfolge zu betreiben und auch im Bereich der Existenzgründungen sind die Zahlen rückläufig. Die umfangreiche Bürokratie gefährdet auf jeden Fall die Motivation, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Kann die Digitalisierung nicht helfen, um die Unternehmen zu entlasten?

Wichtig ist zu erkennen, dass Digitalisierung nicht bedeutet, ein Papierdokument einzuscannen. Vielmehr müssen die IT-Systeme der verschiedenen Institutionen miteinander vernetzt sein. Daran hapert es häufig noch. Einmal die Unterlagen zur Gewerbemeldung einreichen, sollte eigentlich genug sein. Im besten Fall ist die Gewerbeanmeldung, die Beantragung der Steuernummer beim Finanzamt und der Erhalt einer Betriebsnummer bei der Agentur für Arbeit in einem Schritt erledigt. Oft steht uns der Datenschutz im Weg, da Informationen im Sinne der Datensparsamkeit nur zweckbezogen gespeichert werden dürfen.

Allerdings gibt es auch positive Entwicklungen, zum Beispiel wenn man auf Institutionen wie die Sächsische Aufbaubank schaut, wo verschiedene Fördergelder beantragt werden können. Dort hat sich in punkto Digitalisierung schon eine Menge getan. Allerdings nützt das nichts, wenn aus Datenschutzgründen nicht auf bestimmte Daten zugegriffen werden darf.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 18. September 2023 | 22:10 Uhr

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