Zwei Mitarbeiter von VW Zwickau-Mosel lächeln auf dem Werksgelände in die Kamera
Eric Leitsch und Michael Fuchs (rechts) lächeln zwar in die Kamera, machen sich aber Sorgen um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze im Fahrzeugwerk Zwickau-Mosel von VW. Bildrechte: MDR/Matthias Wetzel

VW in der Krise Nach Sparansage von Volkswagen: Wut im Bauch und Zukunftsangst im Zwickauer Werk

03. September 2024, 15:40 Uhr

Der Autohersteller Volkswagen verschärft seinen Sparkurs und schließt Werkschließungen in Deutschland nicht mehr aus. Auch die geltende Jobgarantie bis 2029 soll aufgekündigt werden. Diese Ankündigung verunsichert seit Montag die Belegschaft bundesweit, auch im Fahrzeugwerk Zwickau-Mosel.

Noch ist nichts Genaues bekannt, aber die Ankündigung des Volkswagen-Konzerns, seinen Sparkurs zu verschärfen, bewegt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In Zwickau, Dresden und Chemnitz produziert der Konzern. Insgesamt arbeiten rund 11.000 Menschen bei VW Sachsen, 9.400 davon in Zwickau. Hier hat sich die Nachricht von den Streichplänen in der Belegschaft schnell herumgesprochen. Im Fahrzeugwerk Zwickau-Mosel mischen sich Wut und Verunsicherung, aber auch Kampfbereitschaft.

"Einerseits hat man einfach übelste Wut im Bauch, weil wir ja die ganze Zeit schon gesagt haben, dass hier was nicht richtig läuft", sagt Instandhaltungsmechanikerin Stefanie Haferkorn. "Aber gleichzeitig hat man auch Angst. Man hat ein Haus, eine Familie, die man ernähren muss." Die Stückzahlen seien bereits heruntergefahren worden. "Wir wollen zukunftssichere Produkte am Standort."

Mitarbeiterin von VW Zwickau-Mosel lächelt in die Kamera
Wut und Angst empfindet Instandhaltungsmechanikerin Stefanie Haferkorn, seit sie von den Einsparplänen des VW-Konzerns gehört hat. Bildrechte: MDR/Matthias Wetzel

Betriebsratsvorsitzender: "Absoluter Tabubruch"

Uwe Kunstmann ist der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Volkswagen Sachsen GmbH und damit für alle drei sächsischen Standorte in Dresden, Chemnitz und Zwickau verantwortlich. Er war bei der Ankündigung am Montag selbst dabei. "Es ist ein absoluter Tabubruch", sagt er. Es gehe dabei nicht um einzelne Standorte. "Es ist ein Angriff vom Vorstand auf die Volkswagen-Belegschaft in Deutschland insgesamt."

Er zeigt sich aber kämpferisch. "Mit uns wird es keine Standortschließungen geben", sagt er voller Überzeugung. "Wir werden erbittert dagegen kämpfen, dass irgendein Standort überhaupt in Frage gestellt wird."

Konzernführung will konsequent agieren

VW-Chef Oliver Blume hatte bei einer Führungskräfteveranstaltung gesagt, die Autoindustrie befinde sich in einer sehr anspruchsvollen und ernsten Lage. Der Standort Deutschland falle bei der Wettbewerbsfähigkeit weiter zurück. "In diesem Umfeld müssen wir als Unternehmen jetzt konsequent agieren." Zum Sparplan sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher: "Die angekündigten Maßnahmen sind überfällig, um eine Trendwende einzuleiten und eine Krise zu verhindern."

Werksschließungen und die Aufkündigung der Beschäftigungsgarantien seien notwendig, um Volkswagen zukunftsfähig zu machen. Der Widerstand der Gewerkschaften sei zwar verständlich. Aber: "Es ist besser, 80 Prozent der Arbeitsplätze in der Automobilbranche langfristig zu schützen und produktiver zu machen, statt 100 Prozent der Arbeitsplätze zu gefährden", sagte Fratzscher. Die Beschäftigten, die bei Volkswagen ihren Arbeitsplatz verlieren, würden anderswo neue Arbeit finden und neue Chancen für den Wirtschaftsstandort schaffen.

Warum VW unter Druck steht

  • Volkswagen leidet unter dem zunehmenden Preisdruck auf dem Automarkt. Wegen steigender Zinsen und der allgemein schwächelnden Konjunktur halten sich viele Autokäufer zurück, vor allem auch bei Sonderausstattungen.
  • Das jahrelang starke China-Geschäft ist unter Druck und bei Elektroautos bekommt VW die Konkurrenz einheimischer Hersteller zu spüren.
  • Zudem wirkt laut VW das 2023 aufgelegte Sparprogramm mit Abfindungen und Altersteilzeit nicht so wie erhofft. Damit wollte VW bis 2026 zehn Milliarden Euro in der Kernmarke einsparen und die Gewinnmarge auf 6,5 Prozent steigern. Die lag in der ersten Jahreshälfte 2024 bei 0,9 Prozent.
  • Nach Berechnungen der Zeitschrift "Automobilwoche" lag die Auslastung in den VW-Werken deutlich niedriger als bei anderen Autobauern. Schlusslicht war demnach 2023 das Werk in Osnabrück mit einer Auslastung von weniger als 20 Prozent, gefolgt von der Gläsernen Manufaktur in Dresden mit 30 Prozent Auslastung.

Stimmung gedrückt

Mitarbeiter im Fahrzeugwerk Zwickau-Mosel erzählen dagegen, dass die Stimmung im Werk koche. Falls es zu Einschneidungen in ihrem Werk kommen sollte, wollen sie kämpfen. Michael Fuchs ist seit 27 Jahren im Unternehmen. Schon sein Vater hat hier gearbeitet. "Die Stimmung ist gedrückt und natürlich gibt es Ängste", sagt er. "Gestern konnten viele bestimmt nicht so gut schlafen", ergänzt Eric Leitsch. "Aber man muss immer positiv bleiben und das Beste hoffen."

Das macht den Leuten Angst. Die Mannschaft hier hat in zwei Jahren sechs Modellanläufe gerockt. Und da muss eine Entscheidung im Vorstand getroffen werden, dass die Marke zukunftsfähig ist.

langjähriger VW-Mitarbeiter in der Produktion

Gewerkschaft: "Unternehmen soll es sich gut überlegen"

Thomas Knabel, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Zwickau, zeigt sich enttäuscht von der Ankündigung des Konzerns. "Es war immer die Übereinkunft, dass wir Wirtschaftlichkeit und Sicherheit für die Kolleginnen und Kollegen zusammenbringen", sagt er. Diese Grundlage der Zusammenarbeit werde nun aufgekündigt. "Ich erlebe, dass die Kollegen auch mit Wut auf diese Kündigung reagieren und das Unternehmen soll sich gut überlegen, ob es diesen Weg weitergeht." Am Ende löse man Probleme nur mit der Mannschaft und nicht gegen sie.

Betriebsversammlung am Donnerstag geplant

In Zwickau-Mosel herrscht große Verunsicherung. "Jeder einzelne macht sich Gedanken, aber natürlich sollte man das spekulieren lassen, bis irgendwas Definitives bekanntgegeben wird", sagt Mitarbeiter Stefan Schönheider. "Also ich selber bin jetzt 27 Jahre hier und dann nochmal neu anfangen, mit über 50, das ist ja nicht so toll. Weil eigentlich ist VW ein toller Arbeitgeber."

Genauere Informationen für ihr Werk erhoffen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zwickau von einer Betriebsversammlung am Donnerstag. Dort soll auch der Markenvorstand, Thomas Schäfer, vor Ort sein.

Welche Werke träfe der Sparkurs?

Welche Werke beim größten industriellen Arbeitgeber in Deutschland konkret wegfallen könnten, ist derzeit nicht bekannt. Ebenso wenig, wie viele Mitarbeiter ihre Arbeit verlieren könnten. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) hat für die Standorte im Freistaat Unterstützung signalisiert. "Die Botschaft aus Wolfsburg hat uns alarmiert und stark getroffen. Der Freistaat steht zu allen sächsischen Standorten und fest an der Seite der Kolleginnen und Kollegen in Zwickau, Chemnitz und Dresden", sagte er laut Mitteilung.
Sachsen unterstütze auch Forderungen, eine Verkaufsprämie für Elektrofahrzeuge wieder einzuführen.

In Sachsen sind laut Unternehmensangaben rund 11.000 Beschäftigte für VW tätig. In Zwickau wurde Anfang Juli wegen schwacher Nachfrage nach E-Autos bereits ein Stellenabbau angekündigt.

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MDR (ali/mwa/kk/U. Georgi)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 03. September 2024 | 19:00 Uhr

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