Gefährdung eines Staatsanwaltes "Tag X": Hausdurchsuchung bei Sozialarbeiter in Grimma

26. Juni 2023, 18:04 Uhr

Auch Wochen nach den Demonstrationen am sogenannten "Tag X" in Leipzig dauert die Aufarbeitung an. Unter den eingekesselten Demonstranten am 3. Juni waren auch Beamte in Zivil. Einer davon soll ein Staatsanwalt aus Leipzig gewesen sein. Tweets, die Daten zu seiner Person enthüllen, haben nun die Generalstaatsanwaltschaft Dresden auf den Plan gerufen. Sie befürchtet gewaltsame Übergriffe auf den Staatsanwalt und seine Familie.

Nach der Verbreitung von Tweets im Zusammenhang mit dem sogenannten "Tag X" ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Dresden gegen einen Mann aus Grimma. Dafür fanden bereits am Freitag Durchsuchungen in der Wohnung eines 40 Jahre alten Mannes statt, wie die Behörde am Montag mitteilte.

Nach Informationen von MDR SACHSEN handelt es sich dabei um den Sozialarbeiter Tobias Burdukat. Burdukat ist in Grimma kein Unbekannter. So war er 2022 Kandidat für Die Linke bei der Grimmaer Oberbürgermeisterwahl, sein Projekt "Dorf der Jugend" bekam in den letzten Jahren bundesweit Beachtung.

Burdukat soll in seinen Tweets unterschwellige Andeutungen verbreitet haben, die "zu einem gewaltsamen Einwirken auf einen Staatsanwalt hinwirken sollten", so die Staatsanwaltschaft. Bei der Durchsuchung wurden elektronische Geräte als Beweismittel sichergestellt, die nun ausgewertet werden.

Verbreitung von persönlichen Daten

Neben dem Tweet "Hier auch mal ohne Maske - falls er euch in den leeren Gassen #grimma|s mal über den Weg läuft.", habe Burdukat in weiteren kommentierten Retweets persönliche Informationen über einen Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Leipzig verbreitet. "Bereits die Verbreitung des Wohnortes des Geschädigten – hier Grimma – in Verbindung mit der Veröffentlichung eines Lichtbildes stellt unter den gegebenen Umständen eine Gefährdung der Rechtsgüter des Geschädigten dar", teilte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden auf MDR-Nachfrage mit. Das Bild war durch die Übernahme eines fremden Tweets mit dem Text verknüpft worden. Der Tweet zeigte einen Ausschnitt aus einem frei zugänglichen Artikel der Vereinszeitschrift "Info" des sächsischen Richtervereins.

Bin ich für Retweets haftbar? - Wer Dinge retweetet oder favorisiert, macht sich die ursprüngliche Aussage zu eigen. Sie erscheint auf dem eigenen Profil und ist damit strafrechtlich genauso relevant, wie wenn ich den Ursprungstweet geschrieben hätte.
- Für die Beurteilung gibt es keinen Unterschied zwischen Tweet und Retweet. Auch zivilrechtlich hat es dieselben Konsequenzen.
- Eine Ausnahme ist dabei eine Distanzierung. Wenn ich strafrechtlich relevante Inhalte weiterverbreite und mich in diesem Retweet dann davon distanziere, sie in eine journalistische Recherche einordne oder andere Distanzierungen vornehme, dann greift das nicht. Aber das muss klar und deutlich erkennbar sein. Quelle: Rechtsanwalt Gilbert Häfner

Ferner bestehe der Verdacht, dass der Beschuldigte auch weitere nicht öffentlich zugängliche personenbezogene Daten, z.B. die Mitgliedschaft in einem Elternbeirat und in einem Ortsgremium veröffentlicht habe. "Auch diese Daten können zu einer weitergehenden Identifizierung des Geschädigten und von dessen (auch familiären) Lebensumständen genutzt werden und erhöhen die abstrakte Gefahr für Straftaten zu dessen Lasten", so die Generalstaatsanwaltschaft weiter.

Staatsanwaltschaft befürchtet gewalttätige Übergriffe

Den Tweets Burdukats waren Berichte über die Anwesenheit eines "vermummten" Staatsanwalts am sogenannten Tag X bei gewalttätigen Ausschreitungen im Anschluss an eine Versammlung in Leipzig vorausgegangen. Der Sprecher der Polizeidirektion Leipzig Olaf Hoppe hatte den Einsatz von sogenannten Tatbeobachtern, die sich auch im Kessel der Demonstration am 3. Juni befunden haben sollen, bestätigt. Einer von ihnen soll der Leipziger Staatsanwalt gewesen sein. Die Demo-Anmelder kritisierten, dass die Betreffenden sich nicht gegenüber dem Versammlungsleiter zu erkennen gegeben hätten. Das sei laut Strafprozessordnung aber nicht nötig gewesen, so Hoppe.

Laut Generalstaatsanwaltschaft Dresden besteht eine erhebliche Gefahr, dass gewaltbereite Twitter-Nutzer aus der linken Szene aufgrund der Tweets des Beschuldigten Angriffe auf den Staatsanwalt und seine Familie verüben werden. Nach Informationen von MDR SACHSEN war im Durchsuchungsbeschluss dagegen noch von einer "abstrakten Gefahr" die Rede. "Beim Tatvorwurf des gefährdenden Verbreitens personenbezogener Daten handelt es sich juristisch um ein abstraktes Gefährdungsdelikt", erklärt die Generalstaatsanwaltschaft auf Nachfrage. "Die tatsächliche Gefahreneinschätzung erfolgte als erheblich."

"Ermittlungen sind Einschüchterungskampagne"

Die Linke-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz sieht in den Ermittlungen eine Einschüchterungskampagne. "Bei mir verfestigt sich durch solche 'Medieninformationen' der Eindruck, dass hier ein Exempel wegen zweier Retweets statuiert werden soll, das Teil einer umfassenderen Einschüchterungskampagne ist" schreibt sie auf Twitter. "Die Botschaft: Kritik am Behördenhandeln bei #le0306 wird bestraft."

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 26. Juni 2023 | 13:30 Uhr

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