Für die Seele Glücksunterricht an Sachsens Schulen macht Kinder stark

02. Mai 2023, 07:45 Uhr

Glück hat man oder auch nicht. Doch kann man Glück auch unterrichten? In drei Schulen in Sachsen steht das Fach Glück fest im Stundenplan. So für die fünften Klassen am Lößnitzgymnasium in Radebeul.

Pappe und Holz für Bug und Mast, Papier für das Segel - Ideen für den Bootsbau sind bei der Klasse 5/1 am Radebeuler Lößnitzgymnasium gefragt. Gebaut wird im Rahmen einer ganz neuen Schulstunde und die Boote der Mädchen und Jungen haben eine tiefere Bedeutung. Sie sollen die Besonderheiten der Kinder darstellen, sind also ganz eigene Persönlichkeitsboote.

Damit steht man schon mitten in der wöchentlichen Glücksstunde von Ellen Sittner. Es geht um die Auseinandersetzung mit sich selbst, wie sie betont. Ziel sei, die Kinder zur Persönlichkeitsentwicklung zu befähigen. "Also dahingehend sich zu entfalten und mit sich selbst in Kontakt zu kommen, was die eigenen Stärken sind, die eigenen Bedürfnisse - aber auch die Schwächen", erklärt die 37-Jährige.

Es geht darum, mit sich selbst in Kontakt zu kommen, was die eigenen Stärken sind, die eigenen Bedürfnisse, aber auch die Schwächen.

Ellen Sittner Therapeutin

Es gehe dabei aber nicht um ein Besserwerden im Sinne von Selbstoptimierung, verneint die Psychotherapeutin. Sie wolle den Kindern zeigen, dass und wie sie ihr eigenes Wohlbefinden beeinflussen können. Denn während ihrer Arbeit in einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie hatte sie den Eindruck, dass man viel früher und an anderer Stelle ansetzen müsste, wenn es um das mentale Gleichgewicht geht.

Finanzierung über Programm "Aufholen nach Corona"

Am Fritz-Schubert-Institut für Persönlichkeitsentwicklung in Heidelberg machte Sittner eine Ausbildung als Glückslehrerin. In das Konzept würden ganz unterschiedliche Strömungen einfließen, aus positiver Psychologie, Logotherapie, sinnorientierter Therapie. "Es geht aber auch viel um erlebnispädagogische Einheiten und darum den Einzelnen und die Klasse zu stärken", erklärt sie.

Am Lößnitzgymnasium hatte man ihr Angebot im vergangenen Jahr zunächst im Rahmen von Ganztagsangeboten in zwei Klassenstufen getestet. Über das Programm "Aufholen nach Corona" wird der Glücksunterricht von Sittner noch bis Ende dieses Schuljahres finanziert. "Es ist eine tolle Ergänzung zum Fachunterricht", ist Schulleiter René Rygol überzeugt.

Schwacher Klassenverband nach Lockdown

Durch die Schullockdowns in der Corona-Pandemie beobachteten Rygol und sein Lehrerkollegium Veränderungen bei den Schülern und Schülerinnen. "Wir haben die Jungen und Mädchen teilweise sehr zurückgezogen wahrgenommen. Der Klassenverband war nicht mehr so stark. Und das merken wir heute immer noch", so Rygol. Trotz umgreifendem Lehrermangel müsse man sich den Glücksunterricht leisten, betont er. Schließlich gehe es um die Entwicklung der Kinder. "Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass wir diese Ressourcen haben. Ich hoffe und werde auch weiter dafür kämpfen, dass wir dieses Angebot an unserer Schule beibehalten können."

In Radebeul übernimmt ab nächstem Schuljahr Lehrerin Julia Lissel Sittners Glücksstunde. Für die Deutsch-, Sport- und Kunstlehrerin ist das Fach eine wertvolle Ergänzung zum klassischen Schulalltag. Man komme mit den Kinder ins Gespräch, könne Konflikte lösen und Befindlichkeiten aufgreifen. "Eben das besprechen, was die Kinder so umtreibt."

Drei Schulen in Sachsen mit diesem Fach

Auch das Fachreferat Gymnasien vom Landesamtes für Schule und Bildung (Lasub) unterstützt das Projekt am Lößnitzgymnasium in Radebeul, wie die Behörde mitteilt. Nicht erst seit den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie sei deutlich geworden, dass der reguläre lehrplanorientierte Unterricht, den abnehmenden Tendenzen des sozialen, psychischen und körperlichen Wohlbefindens nicht genügend entgegenwirken könne, so die Begründung.

Ähnliche Konzepte des Glücksunterrichtes oder Unterrichts zur Persönlichkeitsentwicklung gibt es in Sachsen noch im Diesterweg-Gymnasium in Plauen und in der Marie-Curie-Oberschule in Dohna. Ellen Sittner will das Angebot weiter ausbauen. Im September startet sie den ersten Ausbildungskurs für sächsische Lehrkräfte. Der ist bereits ausgebucht.

Noch unterrichtet Sittner die fünften Klassen am Lößnitzgymnasium. Die Jungen und Mädchen finden die Stunde Glück durch die Bank weg cool, aus mehreren Gründen. "Es ist schön und interessant, dass man darüber reden kann, wie es einem geht. Das interessiert dann die anderen und ich finde es schön, wie das Zusammenleben in der Klasse dann immer besser wird", sagt die zehnjährige Jolien. Der fehlende Notendruck gefällt der elfjährigen Lilly, "dass es mal nicht darum geht, ob man gut oder schlecht in der Schule ist". Der elfjährige Leopold mag den Unterricht, weil er so schön ruhig ist: "Da muss man nicht viel machen. Ich finde ihn auch einfach cool."

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Dresden | 19. April 2023 | 14:30 Uhr

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