Blumen und Kerzen liegen unweit des Residenzschlosses vor einem Bauzaun an der Schlossstraße. Am Abend des 4. Oktober 2020 waren nahe dem Schloss zwei Touristen Opfer einer Messerattacke geworden.
Blumen und Kerzen lagen am Tatort vor drei Jahren in Dresden. Ein Überlebender des islamistischen Angriffs beklagt, dass ein öffentlicher Aufschrei darüber ausgeblieben ist. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Kahnert

Anschlagsopfer spricht Nach tödlichem Messerangriff: Überlebender nennt Dresden "Horrorstadt"

03. Januar 2024, 09:24 Uhr

Zwei Touristen aus Nordrhein-Westfalen spazieren am 4. Oktober 2020 durch Dresdens Altstadt. Kurz darauf wird ihr Leben zerstört - von einem islamistischen Gefährder aus Syrien. Der ersticht einen Mann, dessen Partner überlebt schwer verletzt. Drei Jahre danach spricht der Überlebende erstmals mit dem Opferhilfeverein "Weißer Ring". Er kritisiert scharf, dass es nach der islamistischen Attacke in Dresden keinen gesellschaftlichen Aufschrei gab.

Oliver L. hat die Messerattacke eines 21 Jahre alten islamistischen Gefährders im Jahr 2020 in Dresden knapp überlebt. Sein damals 53 Jahre alter Partner starb in der Folge. Die Stadt Dresden wollte L. seitdem nie wieder betreten. "Dresden ist für mich die Stadt des Horrors", sagte der heute 57-Jährige der Zeitschrift "Forum Opferhilfe" des Vereins Weißer Ring. Später im Gerichtsprozess sei er als Zeuge per Video zugeschaltet worden. Zuerst hatte die "Sächsische Zeitung" darüber berichtet.

Homophober Angriff? Hätte jeden treffen können

Inzwischen bewältigt L. seinen Alltag wieder. Freunde hatten ihm einen Hund vermittelt, seine schweren körperlichen Verletzungen, neben einer tiefen Stichwunde im Rücken hatte der Täter ihm das rechte Bein verletzt, sind verheilt. Aber das Bein sei ab der Schnittwunde bis zum Fuß hinunter taub. "Mir geht es gut. Ich kann laufen", sagt der Kölner. Mehr zu schaffen mache ihm der Tod seines Partners und die öffentliche Debatte über den islamistischen Angriff. Es rege ihn auf, weil es immer geheißen habe, das sei ein Attentat auf Schwule gewesen. Auch habe ihn maßlos gestört, dass der Lesben- und Schwulenverband die Opferrolle für sich vereinnahmen wollte.

Erstens beeinflusst die sexuelle Orientierung eines Opfers weder positiv noch negativ die Schwere eines Mordes. Zweitens hatte dieser Täter einfach Hass auf unsere westliche Gesellschaft, und er wollte an diesem Tag morden.

Oliver L. Überlebender eines islamistischen Messerangriffs in Dresden

L. zufolge wollte der Täter aus Hass auf die westliche Gesellschaft morden. "Wir waren Zufallsopfer", betonte er. "Es hätte jeden treffen können." Es sei skandalös, dass so ein Mann hier frei herumlaufen durfte. Nach dem Messerangriff habe er einen gesellschaftlichen Aufschrei erwartet. "Aber die Schwulen-Debatte hat den Blick darauf komplett verstellt." Auch ein vorgeschlagenes Mahnmal in Dresden für die "Opfer homophob und transphob motivierter Gewalt" geht für ihn an der Sache vorbei. Er ist dafür, dass es ein Mahnmal gegen islamistischen Terror gibt. "Aber das traut sich anscheinend niemand."

Blick auf eine gepflasterte Straße in de rNacht. Es sist die Ecke Rosmaringasse/Schloßgasse in der Dresdner Altstadt am Abend des 4.10.2020. Kurz vorher hatte an der Stelle ien Mann zwei Männer angegriffen. Spuren des Vorfalls liegen auf dem Straßenpflaster. Die Polizei hat das Ganze gesichert.
Der Tatort in der Dresdner Altstadt nahe des Schlosses war am 4. Oktober 2020 nach der Attacke von der Polizei abgesperrt worden(Archivbild). Bildrechte: MDR Fernsehen

Ermutigende Briefe, Lob für den Strafrichter

Briefe von Politikern, darunter von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD), habe er als sehr positiv wahrgenommen, sagte L.. Von der Unfallkasse Sachsen habe er zudem sehr schnell Geld bekommen. Dass von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kein Brief kam, findet er heute noch "unverschämt, ehrlich gesagt".

Dagegen habe ihm der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats vor der Verhandlung in Dresden die Angst genommen, "weil er sagte, ich könne nichts Falsches sagen." L.'s Anwalt habe hinterher gesagt, er habe noch nie einen so empathischen Richter erlebt.

Wir waren Zufallsopfer! Wir waren die Dritten, die er im Visier hatte. Andere hatten einfach Glück gehabt, weil sie vorher in einem Hauseingang verschwunden oder in ein Hotel gegangen waren.

Oliver L. Tourist aus Köln, der am 4. Oktober 2020 in Dresden von einem Syrer mit dem Messer schwer verletzt wurde.

Stadt Dresden: Familie wollte keine öffentliche Aufmerksamkeit

Die Stadt Dresden hat auf die Aussagen von Oliver L. reagiert. Demnach hat Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) in der Vergangenheit persönlich Kontakt zum Oberbürgermeister aus Krefeld - der Heimatstadt von Herrn L. - aufgenommen, um den Wünschen und Bedürfnissen der Hinterbliebenen Rechnung zu tragen. Im Ergebnis sei übermittelt worden, dass die Familie keine öffentliche Aufmerksamkeit möchte, heißt es aus dem Rathaus auf Anfrage von MDR SACHSEN.

Auch habe die Stadt zum dritten Mal eine öffentliche Gedenkveranstaltung durchgeführt, an der Opferschutzbeauftragte von Bund, Sachsen und Nordrhein-Westfalen sowie Dresdens Erster Bürgermeister Jan Donhauser, Stadträte und Mitglieder des Ausländer- und Integrationsbeirates teilnahmen. Dem Rathaus zufolge liegen die vom Stadtrat 2021 beauftragten Pläne für einen Gedenkort an der Schlossstraße/Rosmaringasse auf Eis. Ein noch zu gründender Beirat für Erinnerungskulturen soll sie prüfen.

Bundesgerichtshof verwirft Revision des Täters

Der Täter sitzt in Dresden in einem Gefängnis, sagte dessen Anwalt Peter Hollstein MDR SACHSEN als "letzten Stand". Das Oberlandesgericht Dresden hatte den Syrer 2021 wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Eine von Hollstein eingelegte Revision gegen das Urteil, weil sein Mandant nicht nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde, hatte der Bundesgerichthof verworfen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Der Angeklagte sitzt vor der Urteilsverkündung im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts (OLG) an seinem Platz. Nach der tödlichen Messerattacke auf zwei Touristen in Dresden ist der 21-Jährige zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Abdullah A. wurde 2021 vom Dresdner Oberlandgericht zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt. Der Syrer hatte am 4. Oktober 2020 in Dresden zwei Männer von hinten mit zwei Messern niedergestochen und einen der beiden tödlich verletzt. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild Pool | Robert Michael

MDR (wim, kk)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 01. Januar 2024 | 19:00 Uhr

Mehr aus der Region Dresden

Mehr aus Sachsen