Waffenhersteller Innenminister: Sachsen muss Waffen nach Patentstreit nicht vernichten

05. Januar 2023, 12:22 Uhr

Sachsens Innenministerium hatte 2020 neue Dienstwaffen bei einem Suhler Waffenhersteller bestellt. Einen Großteil hatte der inzwischen geliefert. Doch nun hat der Waffenlieferant einen Patentrechtsstreit gegen einen Rivalen verloren. Im Gerichtsurteil stehen Forderungen, die die Polizei Sachsen direkt betreffen.

Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) betont angesichts eines Patentstreits um die Gewehre, dass die sächsische Polizei jederzeit einsatzfähig bleibe. Die Polizei müsse ihre Dienstgewehre weder vernichten noch ersatzlos zurückgeben, twitterte das Ministerium am Donnerstag.

Waffenhersteller streiten um Patent

Hintergrund ist ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf in einem Streit zwischen dem Hersteller Haenel GmbH aus Thüringen und seinem Konkurrenten Heckler & Koch. Das Gericht hatte vor Silvester entschieden, dass der Waffenhersteller Haenel in Suhl sein halbautomatisches Gewehr nicht mehr produzieren und verkaufen darf. Der Suhler Hersteller muss nun alle verkauften Waffen dieses Typs zurücknehmen und vernichten.

"Das Urteil des OLG Düsseldorf verpflichtet die Lieferfirma zum Rückruf bei gewerblichen Abnehmern. Das ist die Polizei nicht", erklärte dazu das Innenministerium in Dresden. Der Freistaat hatte vor zwei Jahren 2.300 der neue Dienstgewehre des Typs CR 223 bestellt. "Etwa 2.200 wurden bisher abgerufen und geliefert, wovon ein Großteil – nach erfolgter Aus- und Fortbildung – bereits an die Dienststellen ausgeliefert wurde", teilte das sächsische Innenministerium auf Nachfrage von MDR SACHSEN mit.

9,2 Millionen Euro umsonst ausgegeben?

Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen könne das Ministerium "erst nach intensiver polizeiinterner Bewertung des Urteils und möglicher Folgen treffen", was noch einige Zeit dauern werde. "Wir werden auch nach dem Urteil die Ausstattung unserer Polizistinnen und Polizisten auf dem hohen Niveau von jetzt halten. Jetzt gilt es, mögliche Folgeszenarien intensiv zu prüfen", sagte kurz nach der Gerichtsentscheidung Landespolizeipräsident Jörg Kubiessa. Über Kosten für Anschaffung und auch Trainingseinheiten für den Umgang mit der Mitteldistanzwaffe äußerte sich das Ministerium nicht.

Im April 2020 berichtete die Monatszeitschrift Europäische Sicherheit und Technik (ES&T), dass Sachsen rund 2.300 Dienstgewehre und ca. 400 Trainigs-Sets anschaffen werde. "Insgesamt sind für die Beschaffung der neuen Dienstgewehre einschließlich Trainingswaffen und Zubehör ca. 9,2 Millionen Euro eingeplant", berichtete ES&T damals.

Das neue Dienstgewehr sollte die Maschinenpistole des Modells MP 5 von Heckler & Koch flächendeckend in Sachsen ablösen. Denn die MP 5 werde "den veränderten, zu bewältigenden polizeilichen Lagen vor allem mit terroristischem Hintergrund nicht mehr voll gerecht", begründete Sachsens Innenministerium die Anschaffung 2020 in einem Gespräch mit MDR THÜRINGEN.

Urteil: Kunden sollen gegen Entschädigung Gewehre zurückgeben

Doch dann stritten sich gut zwei Jahre lang Haenel und der Hersteller-Konkurrent Heckler & Koch aus Oberndorf in Baden-Württemberg vor Gericht über ein sogenanntes Waffenverschluss-System. Im Kern ging es dabei um Anzahl und Anordnung von Öffnungen im Gewehr, die das Ableiten von Gas und Flüssigkeit aus der Waffe ermöglichen. Heckler & Koch hatte dem Thüringer Konkurrenten vorgeworfen, sein Patent verletzt zu haben. In der zweiten Gerichtsinstanz sahen das die OLG-Richter in Düsseldorf auch so, der Waffenhersteller aus Suhl verlor.

Im Urteil (AZ: I-15 U 59/21) heißt es nun, dass die Suhler wegen der Patentrechtsverletzung neben dem Herstellungs- und Vertriebsverbot für das Gewehr "Haenel CR 223" auch dazu verpflichtet sind, "alle noch in ihrem Besitz befindlichen Gewehre zu vernichten und ihre gewerblichen Kunden gegen eine Entschädigungszahlung zur Rückgabe bereits gelieferter Gewehre aufzufordern".

Ist das Urteil rechtskräftig? - Der Senat in Düsseldorf hat entschieden, dass keine Voraussetzungen zur Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) gegen das Urteil vorliegen und die Revision nicht zugelassen.

- Der beklagte Suhler Waffenhersteller kann gegen das Urteil nur das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen. Darüber entscheidet und beschließt der BGH.
- Lässt er die Beschwerde zu, kann ein Revisionsverfahren beginnen, lehnt er sie ab, bleibt es beim OLG-Urteil.

Quelle: BGH

Erste politische Reaktion

"Sachsen sollte jetzt dafür verhandeln, dass die Waffen erst abgegeben werden müssen, wenn Ersatz sichergestellt ist", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Albrecht Pallas, am Mittwoch. In lebensbedrohlichen Lagen wie einem Anti-Terror-Einsatz müsse die Polizei gut ausgestattet sein, um die Sicherheit der Menschen in Sachsen zu schützen. Der Patentrechtsverstoß des Suhler Waffenherstellers dürfe nicht zu Lasten der Inneren Sicherheit in Sachsen gehen.

Der Patentrechtsverstoß der Haenel GmbH darf nicht zu Lasten der Inneren Sicherheit und der Aufgabenerfüllung der Polizei gehen.

Albrecht Pallas Innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion

MDR (kk,ud,dr)/MINA/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 04. Januar 2023 | 19:00 Uhr

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