Generation Z 21-jähriger Hotelmitarbeiter: "Wir wollen uns nicht ausbeuten lassen"

27. Oktober 2023, 13:18 Uhr

Louis Bretschneider absolviert ein duales Studium in der Tourismusbranche und arbeitet nebenbei für einen Lieferdienst. Für ihn ist die Generation Z weder träge noch faul, sondern lotet ihre Möglichkeiten aus und will sich nicht ausbeuten lassen. Mit MDR SACHSEN hat er über seine Generation gesprochen.

Louis Bretschneider
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Zählen Sie sich zur Generation Z?

Ja, da gehöre ich wohl dazu. Ich bin 21 Jahre alt, also im Jahr 2002 geboren.

Ihrer Generation wird Arbeitsunlust und Demotivation vorgeworfen? Erwische ich Sie gerade in der Hängematte?

Ehrlich gesagt, habe ich gerade das Auto angehalten, um Ihren Anruf entgegenzunehmen. Ich studiere Tourismusmanagement im dualen BA-Studium, nach Feierabend arbeite ich noch für einen Lieferdienst, um mir einen Groschen dazu zu verdienen.

Das klingt aber nicht nach Work-Life-Balance?

Na ja, ich würde gern ein bisschen mehr Geld haben und unabhängig sein.

Einige Arbeitgeber werfen Ihrer Generation vor, sie würde nur auf Freizeit achten und sich nicht auf die Arbeit fokussieren. Fühlen Sie sich angesprochen?

Ja, natürlich. Die Vorwürfe begegnen uns ständig. Man muss sehen: Wir sind eine Generation, die ganz anders aufwächst als die Generationen davor. Wir haben keine wirklichen Krisen erlebt in der Kindheit. Wir sind keine Nachkriegsgeneration, wie unsere Großeltern. Wir sind auch nicht in der DDR aufgewachsen und haben nach dem Systemwechsel Brüche erfahren wie unsere Eltern. Unsere Großeltern und Eltern hatten nicht so viele Möglichkeiten. Da ging es mehr darum, die Familie zu ernähren. Oder eine Arbeit in der Nähe zu finden, damit sie nicht so weit weg mussten - abgesehen davon, dass sie in der DDR ja eh nicht so weit weg konnten.

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Sie begreifen sich also völlig neue Generation mit völlig anderem Hintergrund?

Es geht uns allen wirklich gut, wir können uns ausprobieren. Besonders was den technologischen Fortschritt anbetrifft, haben wir eine ganz andere Herangehensweise. Wir sind die erste Generation die ziemlich digital aufwächst, mit Handy und Laptop und allem Drum und Dran. Ich denke, es ist ziemlich normal, dass es unter diesen Umständen eine andere Entwicklung gibt, gerade was die Berufsfindung angeht. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir träge oder faul sind, sondern vielleicht einfach, dass wir uns durch eine Vielzahl an Möglichkeiten probieren, um dann wirklich etwas zu finden, was zu uns passt – und wo wir gute Bedingungen haben.

Was sind für Sie gute Bedingungen?

Auf alle Fälle wollen wir uns nicht ausbeuten lassen. Wir möchten eben nicht mehr arbeiten, als im Vertrag steht. Sonst könnte ja gleich mehr im Vertrag stehen.

Aber Sie arbeiten ja in zwei Jobs!

Eben. Deswegen möchte unsere Generation nach dem Studium oder der Ausbildung eben Jobs mit guten Bedingungen. Wenn wir uns das aussuchen können, nehmen wir diese doch gern.

Was sind die Erwartungen Ihrer Generation Z an den Arbeitsmarkt?

Ich würde sagen, ich kann natürlich nicht für alle sprechen, Flexibilität, ein gutes Arbeitsklima, genügend Urlaub, eine wertschätzende Arbeitsatmosphäre…

Louis Bretschneider
Der 21 Jahre alte angehende Tourismusmanager geht gern wandern. Er sagt: "Klar, möchten wir faire Arbeitsbedingungen." Bildrechte: Louis Bretschneider

Und Geld, Geld spielt gar keine Rolle?

Natürlich spielt auch Geld eine Rolle. Wir möchten angemessen und fair bezahlt werden.

Das bedeutet konkret?

Wir möchten unserer Ausbildung und unserem Vertrag gemäß bezahlt werden. In der Ausbildung und im Studium sind wir ja auf Jobs angewiesen, die eher im niedrigen Einkommenssegment liegen, das soll sich natürlich danach ändern. Wir wollen nicht unser Leben lang mehrere Niedriglohnjobs gleichzeitig machen. Und wir möchten auch nicht kostenlos arbeiten und ständig kostenlose Überstunden ableisten. Wir wollen einfach anständig und fair bezahlt werden. Heute erscheint es leichter möglich, den Arbeitgebern faire Bedingungen abzutrotzen, als in einer Situation, in der sich viele um einen Job drängeln und Bittsteller sein müssen. Jetzt kann ein wertschätzendes Arbeitsverhältnis auf Augenhöhe gelingen – ja, klar, wollen wir das.

Das duale Studium ist eine Mischung aus Theorie und Praxis. Spüren Sie Unterschiede zwischen den Generationen?

Bei meinem Praxispartner hier im Hotel merkt man große Unterschiede. Viele Mitarbeitende sind jahrzehntelang dabei und haben eine ganz andere Herangehensweise als wir jüngeren Studierdenden oder Auszubildende.

Wo liegt der Unterschied?

Ich glaube, wie gehen sehr flexibel an die Arbeit heran und sehen alles ein bisschen lockerer. Die Älteren wissen genau, was gemacht werden muss. Sie praktizieren das seit Jahrzehnten so und verfolgen es auch weiter so. Wir Jüngeren stehen zwar noch nicht ganz im Saft, probieren dafür aber auch manchmal neuere Dinge aus.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Im Hotel gibt es ja verschiedene Aufgabenbereiche, von Küche über Rezeption und Housekeeping (Haushaltsarbeiten auf der Etage, Anmerkung der Redaktion) bis hin zum Tagungsverkauf und dem Service. Bleiben wir beim Restaurant-Service. Hier gibt es genaue Regeln: wie ein Tisch einzudecken ist, wie man Speisen und Getränke serviert, wie das Besteck zu liegen hat und die Servietten zu falten sind, um nur einige zu nennen. Die Jüngeren haben hier ein anderes Verständnis, wir konnten teilweise nicht nachvollziehen, warum gewisse Dinge so praktiziert werden sollten. Wenn die Begründung lautet: 'Das wird so gemacht, weil es immer schon so ist!', ist es natürlich eine recht schwache Argumentation. Da kamen wir auf die Idee, das Besteck einfach einmal anders hinzulegen, wie es uns praktischer erschien.

Wie weit sind Sie gekommen?

Wir haben es ausprobiert. Am Ende fanden wir eine ganz andere Lösung, die uns allen gut passt und bei der wir auch das Gefühl haben, dass die Gäste zufrieden sind. Es kann ja auch gut sein, Dinge zu hinterfragen. Nur weil sie schon immer so waren, muss es ja nicht falsch sein, Neues ausprobieren.

Im Tourismus müssen Sie oft arbeiten, wenn andere frei haben. Sind Sie sich im Klaren, dass Sie weniger Spielraum haben, als andere im Home-Office mit ihrem Bürojob?

Auf jeden Fall. Es ist eine generelle Frage, wie man Arbeit betrachtet. Ob es einem persönlich wichtig ist, möglichst wenig zu tun und dabei möglichst viel Geld zu bekommen. Klar, ist das verlockend. Andererseits möchte man ja etwas machen, was Spaß macht. Als ich mich für diesen Job entschieden habe, wusste ich, was auf mich zukommt. Mir war klar, dass ich an den Weihnachtstagen Dienst haben könnte. Letzten Endes bin ich dazu bereit, weil mir diese Arbeit viel Spaß bereitet.

Wenn die Älteren schimpfen, die junge Generation sei träge, wenig belastbar und nicht leistungsfähig - wie viel Wahrheit steckt darin?

Ich glaube, da ist etwas Wahres dran. Andererseits standen die Generationen untereinander schon immer in gewissem Disput. Es ist nicht neu, dass die Alten über die Jungen schimpfen. Wenn ich an meine Eltern denke: Die Großeltern haben auch geschimpft, weil sie lange Haare hatten und moderne seltsame Musik hörten. Die Konflikte gab es schon immer. Ob das vor 50 Jahren so war, oder vor 100 Jahren. Jetzt gibt es eben neue Konflikte.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Dienstags direkt | 24. Oktober 2023 | 20:00 Uhr

5 Kommentare

Peter Pan vor 28 Wochen

Der Artikel beschreibt leider nur ein teil der Situation.
Was ist mit den jungen leuten die keinen Ausbildungsabschluss vorweisen können aber trotzdem hohe Löhne erwarten, von denen gibt es mittlerweile reichlich und da höre ich immer wieder das selbe, warum die Ausbildung abgebrochen wird, zu frühes Aufstehen, körperliche Arbeit ist zu anstrengend, Job ist zu monoton.
Viele erwarten trotz fehlender Ausbildung einen Job im Homeoffice zu erhalten, notgedrungen wird dann aber in Hilfsarbeiterjobs gearbeitet oft in Teilzeit und Frage ich nach warum kein vollzeitjob, höre ich immer wieder Schichtarbeit ist Mist, früh aufstehen ist Mist, Bandarbeit ist Mist und diese generation soll das Land weiter voran bringen, da habe ich meine zweifel.

esmeralda vor 28 Wochen

Sehen Sie, im Gegensatz zu dem jungen Mann im Interview, bestätigen Sie das Klischee über die Generation Z. Sicher gibt es all die Krisen, die Sie aufzählen. Auf Ihr persönliches Leben, ihren Komfort, ihre Arbeitsmarktchancen oder ihren Lebensstandard haben die aber eher wenig Einfluss. Eigentlich sind das alles nur Nachrichten die andere betreffen. Weder der Ukrainekrieg, noch Corona oder der Klimawandel haben direkten und unmittelbare Auswirkungen auf ihren Lebensstandard. Von einem Krieg, einem Wiederaufbau, einem Systemwechsel mit Währungsreform und anschließenden Massenentlassungen selber und unmittelbar betroffen zu sein ist damit einfach nicht vergleichbar. Das drückt der junge Mann sehr gut aus. Übrigens freue ich mich für ihn, Sie und alle jungen Menschen, dass sie eben diese Möglichkeiten haben und sich nicht am Arbeitsmarkt ausbeuten lassen müssen. Macht etwas daraus und hört auf immer nur Probleme zu sehen. Nutzt lieber Eure Chancen.

Lucas H. vor 28 Wochen

Es freut mich, dass zu diesem Thema ein Angehöriger der jungen Generation zu Wort kommt. Allerdings kann ich, als ebenfalls junger Mensch, einigen Aussagen aus dem Interview so nicht beipflichten. Zum einen sind wir als junge Generation durchaus krisengebeutelt (z.B. Finanz- und Eurokrise, Corona, Ukraine-Krieg und ihre jeweiligen Folgen), daneben müssen wir - ob wir wollen oder nicht - das Erbe jahrzehntelanger neoliberaler Politik antreten, vom demografischen- und Klimawandel ganz zu schweigen. Auch der Aussage, uns ginge es "allen" gut, muss ich widersprechen: Zwar gibt es viele junge Menschen, die sehr behütet aufgewachsen sind, doch darf man nicht vergessen, dass es nach wie vor viele andere gibt, die es deutlich schwerer hatten und haben. Die soziale Herkunft spielt da leider eine entscheidende Rolle. Hierzu hätte ich mir vom MDR etwas mehr Einordnung erhofft. Dennoch sehr erfreulich, dass mit, statt über junge Menschen gesprochen wird. Gerne mehr davon!

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