Raumerweiterungshalle
Bis 2024 hat die Stiftung der Friedlichen Revolution die Halle reserviert und zieht damit durch mehrere Städte in ganz Deutschland. Zurzeit steht die Halle in Leipzig auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Raumerweiterungshalle DDR-Design trifft auf DDR-Geschichte

20. September 2023, 17:01 Uhr

Mit einer Länge von 16 Metern und 130 Quadratmetern Grundfläche zieht dieser Klassiker des DDR-Designs die Blicke auf sich. Die sogenannte "Raumerweiterungshalle" wurde vielerorts in der DDR genutzt: als Konsum-Verkaufsstellen, Gaststätten, Eisdielen und sogar Kindergärten. Ihr Clou ist die beliebige Erweiterung des Raums. Auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig steht nun wieder eine solche Halle. Sie beherbergt eine Ausstellung zum geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal.

In der Raumerweiterungshalle auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz in Leipzig ist zurzeit eine Ausstellung zum geplanten Freiheits- und Einheitsdenkmal zu sehen. Bei deren Konzeption haben sich die beiden Kuratorinnen bewusst für diese einzigartige Halle entschieden. "Das ist schon so, dass es für uns ein Gesprächsanstoß ist, um darüber auch noch einmal in die Geschichte zu gucken. Deswegen ist die Ausstellung nicht in einer Institution, in einem festen Kunstraum, wie man das sonst kennt, sondern in der Öffentlichkeit, auf diesem Platz. Die Ausstellung soll im nächsten Jahr auf Wanderschaft gehen und da war dieser transportable Container auch ein wichtiger Punkt", sagen die Kuratorinnen Martha Schwindling und Marlene Oeken.

Ein Klassiker des DDR-Designs

Die sogenannte Raumerweiterungshalle ist 16 Meter lang und 7,5 Tonnen schwer. Das Besondere an dieser Konstruktion: Die Halle lässt sich zusammen schieben und dadurch sehr gut transportieren. Ob als Postamt, Ferienhaus, Konsum oder gar als Kirche: In der DDR kam die Halle auf vielfältige Weise zum Einsatz. Erfunden hat den transportablen Container Klaus Both. Vor über 40 Jahren hat er die Raumerweiterungshalle für den VEB Metallbau Boizenburg entwickelt. "Ich hatte diese Form nicht als Architekt oder als architektonische Leistung gesehen. Heute wird mir das zugeschrieben. Das ist eine Zufallsgeschichte", erzählt er.

Einfacher Transport und schneller Auf- und Abbau als Kriterien

"Wir wollten mit wenig Transportaufwand und mit menschlicher Arbeitskraft aufbaubar eine Halle produzieren", erklärt Klaus Both. Nur sechs Personen müssen beim Auf- beziehungsweise Abbau helfen. Für den Aufbau werden zunächst Schienen und Fußbodenplatten ausgelegt. Danach zieht man die acht einzelnen Elemente aus. So entstehen über hundert Quadratmeter Gesamtfläche, die auch leicht zu transportieren sind. Als Vorlage diente dem Ingenieur der DDR-Klappbecher. Er ließ sich auseinanderziehen und nach Gebrauch platzsparend zusammenfalten. Dem gleichen Prinzip folgt die Raumerweiterungshalle.

Ausgefahren ist die transportable Halle in kurzer Zeit. Ihre Außenhülle ist eine Aluminium-Konstruktion. Darin befinden sich acht weitere Raumelemente, die sich teleskopartig auseinanderziehen lassen. In der DDR wurde die Raumerweiterungshalle deshalb auch Ziehharmonika genannt. Die zusammengeschobene Halle in Form eines Wohnwagens ließ sich leicht von einem Ort zum anderen mit dem LKW transportieren.

Nur noch wenige Hallen erhalten

Dass der VEB Metallbau Boizenburg insgesamt 3.500 dieser architektonisch einmaligen Raumsysteme herstellen konnte, ging auch auf die Leipziger Messe 1970 zurück. Sie bescherte der Firma einen bis dahin nicht gekannten Auftragseingang, wie sich Firmenchef Helmut Both erinnert: "Der hat dann auch bedingt, dass wir von der Handarbeit unter freiem Himmel dann auf Taktstraßen-Fertigung auf einem neuartigen Betriebsgelände umgestellt haben."

Mit der flexibel einsetzbaren Raumerweiterungshalle wollte man in Westdeutschland auch Devisen verdienen. Auf der Hannover Messe fand sie damals zwar Interesse, aber sie war auf dem Markt nicht absetzbar. Der Grund: Es war zu viel körperliche Arbeit, um die Halle aufzubauen und damit ein Kostenfaktor.

Eine Halle hat es sogar über den Atlantik geschafft. Im US-Bundesstaat Kalifornien ist sie im Wendemuseum bei Los Angeles zu sehen. Da in dieser Gegend hin und wieder die Erde bebt, kam es zu einer für den DDR-Ingenieur Klaus Both ungewöhnlichen Nachfrage. "Da wollten die von uns, in Los Angeles, Berechnungen über die Erdbebensicherheit haben. Da ging’s nicht mehr weiter, das konnten wir nicht", berichtet er schmunzelnd. Insgesamt sind heute schätzungsweise nur noch wenige dutzend Hallen erhalten.

MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 19. September 2023 | 20:15 Uhr

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