
Roter Berg "Gehe gern an meine Grenzen": Ex-Ringer und Student eröffnet Lebensmittelmarkt in Erfurt
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13. September 2024, 15:53 Uhr
Seit dreieinhalb Jahren kaufen die Bewohner am Roten Berg in Erfurt in einem Container ein. 2021 war das Einkaufszentrum samt Lebensmittelmarkt abgerissen worden, der Neubau hat sich verzögert. Ein Student und Ex-Ringer will den Anwohnern nun eine weitere Einkaufsmöglichkeit bieten.
Hochhäuser und Plattenbauten prägen den "Roten Berg" in Erfurt - die Heimat von Wladimir Arutiunjan. In einem Elf-Geschosser ist er aufgewachsen. Seit mittlerweile 25 Jahren lebt der 27-Jährige hier - quasi sein ganzes Leben lang. "Ich bin hier in den Kindergarten gegangen, dann in die Schule - die Zeit am Gymnasium war die beste meines Lebens", sagt Wladimir Arutiunjan. Nun lebt er mit seiner Verlobten in einem der Fünf-Geschosser und will hier nicht wieder weg.
"Hier gibt es einfach viele gute Erinnerungen für mich und man muss den Menschen trotz aller Vorurteile einfach eine Chance geben, sie kennenzulernen", sagt er. Vor ein paar Wochen hat er mit seinem Bachelorabschluss den ersten Teil seines Regelschullehramt-Studiums abgeschlossen. Von der Uni nimmt er sich nun eine Auszeit - denn er hat ein Geschäft zu führen. Am Jakob-Kaiser-Ring, inmitten der Hochhäuserreihen, hat Wladimir Arutiunjan seinen Laden eingerichtet: "Haikos Shop am Ring". "Ich war schon immer jemand, der gerne etwas gemacht hat, was man nicht erwartet hat", sagt er.
Es gibt keinen richtigen Supermarkt am Roten Berg
Rund 6.200 Einwohner leben am Roten Berg und konnten bis Anfang 2021 ihre Einkäufe im "Einkaufszentrum Roter Berg" erledigen. Da das Gebäude nicht mehr zeitgemäß war, sollte ein Neubau her. Doch nach dem Abriss verzögerten sich die Bauarbeiten. Nach aktuellem Stand sollen nun Ende Oktober 2025 die Räumlichkeiten an die Mieter übergeben werden. Als Übergangslösung für die Einkäufe hat eine Supermarktkette einen Container aufgestellt.
Ich gehe gerne an meine Grenzen und will schauen, wie lange es so geht.
Mit seinem Laden will Wladimir Arutiunjan den Bewohnern am "Roten Berg" eine Alternative zum Container und dem künftigen Einkaufszentrum bieten. Für sein Geschäft hat er eine leerstehende ehemalige Schleckerfiliale gemietet. Auf gut 200 Quadratmetern bietet er ein breites Sortiment von Nudeln, über Getränke, Tiefkühlprodukte bis hin zu Backwaren an - denn eine Bäckerfiliale gibt es in dem Viertel nicht.
Außerdem sollen die Kunden sich Produkte wünschen können, die Wladimir Arutiunjan dann für sie mit ins Sortiment aufnimmt. In Zukunft würde er auch gerne einen Lieferservice anbieten - insbesondere für die älteren Anwohner. "Wir kennen uns hier alle untereinander, wir helfen uns gegenseitig, das macht es einfach so schön und so herzlich hier", sagt Wladimir Arutiunjan.
Keine Angst vor Konkurrenz
Über die Containerkonkurrenz und das spätere Einkaufszentrum macht er sich keine Sorgen. "Weil die Kunden hier die Möglichkeit haben, sich vielleicht auch mal kurz zu unterhalten, vor allem unsere älteren Bewohner, die vielleicht auch mal ein Schwätzchen halten wollen", sagt er. Die Preise könnten laut Wladimir Arutiunjan mit anderen Supermärkten mithalten und seien bewusst nicht auf Kiosk-Niveau. Außerdem hat "Haikos" längere Öffnungszeiten: von 8 bis 20 Uhr, freitags und samstags sogar bis 21 Uhr.
Disziplin und familiärer Rückhalt
Zu Beginn will der 27-Jährige alleine im Laden arbeiten. "Ich gehe gerne an meine Grenzen und will schauen, wie lange es so geht", sagt er. Wladimir Arutiunjan war lange im Kampfsport aktiv und mitteldeutscher Meister im Ringen. Daher habe er seine Disziplin, Projekte wie den Laden auch bis zum Ende durchzuziehen. Falls es zu viel wird, stünden aber seine Verlobte und zwei Vollzeitkräfte bereit, um einzuspringen, sagt er. Viel Unterstützung bekommt er außerdem von seiner Familie.
Sie hatte auch von ihm gefordert, erst seinen Bachelorabschluss zu machen, bevor er sich ausschließlich dem Laden widmet. Doch nun könne er auf ihre volle Unterstützung zählen. Ein Großteil seiner Familie wohnt selbst nach wie vor am "Roten Berg". "Mit dem Laden können wir dem Viertel hier auch was zurückgeben und dafür sorgen, dass es noch schöner wird", sagt seine Schwester Naira.
MDR (anh/sar)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Morgen | 14. September 2024 | 08:10 Uhr
Deutscher_Patriot vor 29 Wochen
Der Name ist ja nun nicht gerade ein echter arischer deutscher Name.
Für viele Thüringer ist es das wichtigste, auch unter Deutschen die Ausländer, die andersartigen auszumachen. Um sie auszugrenzen.
Meuselbacher 2007 vor 30 Wochen
zB Hans Dietrich Genscher? Blieb als Person gerade für Bürger der Neuen Bundesländer ein gebürtiger Hallenser. Egon Bahr: in den Kolumnen beim Ableben: er war ein in Treffurt Geborener. Henry Kissinger: blieb immer ein Franke. Jahre spielen nicht die dominierende Rolle: denn wie im Fall des Ringers: er verbleibt natürlich kulturell, familiär, oft auch religiös der Heimat seiner Vorfahren verbunden.
pepe79 vor 30 Wochen
"..mit seinem Bachelorabschluss den ersten Teil seines Regelschullehramt-Studiums abgeschlossen. Von der Uni nimmt er sich nun eine Auszeit -..."
Das Studium ist ja noch nicht beendet, er braucht sicher noch den Master. Wird nicht sonst immer gemeckert über Akademiker ohne Praxisbezug?
Vlt. studiert er ja Lehramt auf Wirtschaft oder so, da ist die Erfahrubg als Geschäftsmann nicht verkehrt oder er wartet bis eine Stelle in Erfurt frei wird....es fehlen Lehrer aber das Land gleicht kaum die Verluste durch Pensionierung/Rente aus.