Gegen Einsamkeit Landkreis Sömmerda: "Agathe" soll älteren und alleinstehenden Menschen helfen

"Agathe" ist nicht einfach nur ein Name, sondern ein Programm: "Alt werden in Gemeinschaft - Thüringer Initiative gegen Einsamkeit". Das Programm gibt es auch schon in anderen Landkreisen in Thüringen, gefördert wird es für drei Jahre vom Thüringer Sozial- und Familienministerium. Im Landkreis Sömmerda sind seit September 2022 vier sogenannte Agathe-Beraterinnen unterwegs. Was dieser Job beinhaltet und inwiefern damit älteren Menschen geholfen wird.

Drei Frauen sitzen an einem Tisch und unterhalten sich
Arbeiten eng zusammen: die "Agathe"-Koordinatorin vom Landratsamt, Christiane Maurer, mit Beraterin Constanze Hebs und Rentnerin Gudrun Zobel, die sich in der Seniorenarbeit engagieren möchte (von links nach rechts). Bildrechte: MDR/Samira Wischerhoff

Constanze Hebs ist eine der vier "Agathe"-Beraterinnen im Landkreis und vor allem im Stadtgebiet Sömmerda und seinen Ortsteilen unterwegs. Dass die Sozialpädagogin es mag, älteren Menschen zu helfen, hat sie schon als Kind gemerkt.

Damals gab es eine 90-jährige Frau im Dorf, zu der sie regelmäßig gegangen ist: "Ich hab mit ihr geredet, Plätzchen gebacken, wir haben uns wohl gefühlt und es war schön - und ich denke, solche Sachen helfen halt."

Gesprächsbedarf ist groß

Als "Agathe"-Beraterin ist sie nun täglich zu Senioren und Seniorinnen unterwegs, mal zum Erzählen und Kaffeetrinken, mal gebe es auch ganz praktische Anliegen, bei denen sie hilft - zum Beispiel bei Anträgen für Pflegegrade oder einen Behindertenparkplatz. Vieles sei kompliziert geworden, vor allem, wenn ältere Menschen keine Familie haben oder die Familie weit weg wohnt. Auch mit dem Internet könnten nicht alle umgehen, so Hebs.

Sie drohen, einsam zu werden, oder sind es bereits. Wenn Constanze Hebs vorbei kommt, ist die Dankbarkeit groß. Oft nimmt sie sich bis zu eineinhalb Stunden Zeit, wenn es nötig ist auch mal mehr. Manchmal genügt auch ein kurzes Telefonat, um Fragen zu klären. Wichtig sei, die Seniorinnen und Senioren ernst zu nehmen, so Hebs.

Eine "Agathe"-Beraterin muss vor allem emphatisch und kommunikativ sein, wie Christiane Maurer erklärt, die Koordinatorin des Projekts vom Landkreis. "Grundsätzlich gibt es kein echtes Fachkräftegebot, das heißt, ein sozialpädagogischer Abschluss oder im Bereich Gesundheit und Pflege ist natürlich wünschenswert, aber viel wichtiger sind natürlich die persönlichen Kompetenzen und ja, Empathie."

Netzwerk trägt das Projekt

Für das Projekt konnten im Landkreis drei Träger gewonnen werden: der Arbeiter-Samariter-Bund, das Deutsche Rote Kreuz und der evangelische Kirchengemeindeverband Kindelbrück-Weißensee. Im Vorfeld haben die "Agathe"-Beraterinnen Kontakte zu Senioreneinrichtungen und Angeboten geknüpft.

Einsamkeit ist meist ein schleichender Prozess, die Menschen sind dann irgendwann an einem Punkt, wo sie allein möglicherweise nicht mehr aus dieser Situation herauskommen.

Christiane Maurer "Agathe"-Koordinatorin

Viele ältere Menschen wüssten nicht, wie sie an solche Angebote kommen, sagt Christiane Maurer: "Einsamkeit ist meist ein schleichender Prozess, die Menschen sind dann irgendwann an einem Punkt, wo sie allein möglicherweise nicht mehr aus dieser Situation herauskommen und hier bieten die 'Agathe'-Beraterinnen Hilfe und Unterstützung an."

Ehrenamtliches Engagement unverzichtbar

Zu Gast bei Christiane Maurer und Constanze Hebs ist diesmal die Rentnerin Gudrun Zobel. Sie hat sich gemeldet, um sich auch in der Arbeit für Senioren und Seniorinnen zu engagieren. Als Rentnerin kennt sie die Herausforderungen für ihre Generation und auch die ältere besonders gut.

Es liege ihr besonders am Herzen, was für Senioren und Seniorinnen zu tun und sie aus der Einsamkeit herauszuholen. Angebote gebe es in Sömmerda genug, meint sie - aber viele wüssten davon gar nicht, es würde zu wenig publiziert. Damit meine sie zum Beispiel Sport, Bastel- und Singgruppen oder auch Lach-Yoga.

Eine ältere Frau im gelben Pulli
Gudrun Zobel möchte anderen Rentnerinnen und Rentnern helfen. Bildrechte: MDR/Samira Wischerhoff

Ein wichtiges Anliegen ist ihr auch das Thema Essensangebote. Wenn ältere Menschen nicht mehr für sich kochen, würden sie dazu übergehen, etwas zu bestellen: "Und dann kriegen sie das Essen in einer bescheuerten Alu-Assiette auf den Tisch gestellt, was überhaupt keiner Ess-Kultur entspricht, die sitzen vor ihrem Essen und denken sich, 'na gut, ich muss ja' - das berührt mich wirklich."

Aus ihrer Sicht müssten Räume geschaffen werden, wo man sich trifft und gemeinschaftlich vom Teller isst und sich auf Gespräche einlassen kann. Solche Angebote müssten organisiert und dann vor allem verbreitet werden, sagt sie.

Angebot noch nicht bekannt genug

Dieser Aufgabe wollen sich die "Agathe"-Beraterinnen weiter annehmen. Im Moment müssten noch viele Klinken geputzt werden, meint Christiane Maurer, das Projekt sei noch nicht überall bekannt. Deshalb würden nun überall Flyer verteilt, in Arzt- und Physiotherapiepraxen, Apotheken und in Senioreneinrichtungen.

Insgesamt drei Jahre lang wird das Projekt nun vom Familienministerium gefördert. Und dann? Es gebe schon Planungen und Ideen, das Modellprojekt auch nach den drei Jahren fortzusetzen, sagt Christiane Maurer. Nun solle aber aus der Modellphase vor allem gelernt werden, wie man sich auch künftig aufstellen kann. Denn eins hätte sich schon herausgestellt - dass das "Agathe"-Programm im Landkreis einen Nerv getroffen hätte und wirklich gebraucht werde.

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 03. Februar 2023 | 18:45 Uhr

1 Kommentar

salzbrot vor 7 Wochen

Sehr gutes Projekt echter sozialer Arbeit und nicht nur Management oder Vernetzung. Hoffentlich wird es schnell richtig bekannt und von den alten Leutchen oder deren weit entfernten lebenden Angehörigen nachgefragt. Es soll keine sozialpädagogische selbstbeschäftigung oder Betreuung einzelner werden

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