Wirtschaft Viele Unternehmen in Ostthüringen suchen händeringend Nachfolger

11. Februar 2023, 15:33 Uhr

Über 3.000 Unternehmerinnen und Unternehmer in Ostthüringen sind laut Industrie- und Handelskammer (IHK) älter als 66 Jahre. Viele von ihnen finden keine Nachfolger.

In der Lagerhalle von Christian Güpner geht es zu wie auf dem Rangierbahnhof. Der Techniker bereitet in seinem Lager eine neue Veranstaltung vor. Vor einem halben Jahr übernahm er die Firma von den Vorbesitzern. Trotz Sorgen vor einer neuen Corona-Zwangspause, die auch die Veranstaltungsbranche schwer gebeutelt hat. "Bis jetzt ist alles gut gegangen", sagt Christian Güpner. "Ich konnte meine freien Kollegen an Bord halten und auch neue Kunden gewinnen."

Angebot zur Übernahme mitten in der Pandemie

Das Unternehmen ist auf Kongresse und Tagungen spezialisiert, auch Tourneen von Comedy-Künstlern begleiten die Geraer. Christian Güpner ist eigentlich Quereinsteiger, arbeitete viele Jahre nebenberuflich in der Veranstaltungsbranche. Dann kam mitten in der Pandemie das Angebot zur Übernahme der Firma.

Die beiden Vorbesitzer wollten gesundheitsbedingt aussteigen. "Es war gar nicht so einfach, in dieser Branche einen Bankkredit zu bekommen", sagt Christian Güpner. "Auch meine Familie musste ich erst überzeugen." Es gab Momente, wo alles zu viel wurde und er nicht sicher war, die neue Aufgabe zu stemmen. Doch die Familie, Freunde und auch die beiden Alteigentümer halfen, wo sie konnten. Jetzt ist der Terminkalender gut gefüllt. Ab Mai sind Christian Güpner und sein Team beinahe täglich auf Achse.

Nicht überall funktioniert die Übergabe in den Unternehmen. Allein in Ostthüringen suchen viele Inhaber händeringend nach Nachfolgern. Laut IHK-Expertin Almut Weinert sind rund 11.000 Inhaberinnen und Inhaber von Unternehmen inzwischen älter als 55 Jahre. Für sie wird es bei der Suche knapp. Über 3.000 sind sogar schon älter als 66 Jahre. Vor allem im Einzelhandel und in der Gastronomie ist die Lage schwierig.

Übernahme oft risikoärmer als Neugründung

"Eigentlich ist die Übernahme sogar oft risikoärmer als eine Neugründung", sagt Almut Weinert. Schließlich gäbe es bereits erprobte Strukturen, aber auch einen Kundenstamm und gewachsenes Know-how in den Firmen. Wichtig sei aber, dass sich die Inhaber frühzeitig um ihre Nachfolge kümmern. Bei Steuern, Kaufpreis und Verträgen lauern schließlich eine Menge Fallstricke. Deshalb berät die IHK sowohl Unternehmen als auch Gründungsinteressierte. Die können sich unter www.nexxt-change.org informieren, welche Unternehmen Nachfolger suchen.

Als Quereinsteiger ins Blumengeschäft

Für Erik Heckel in Zeulenroda-Triebes ist die Entscheidung schon gefallen. Er wird Ende des Jahres den Blumenladen seiner Mutter übernehmen. Sie hat das Geschäft vor 18 Jahren gegründet und aufgebaut. Als Quereinsteigerin hat die gelernte Bauingenieurin damals ihr Hobby zum Beruf gemacht. Inzwischen kommen die Kunden aus bis zu 30 Kilometern Entfernung und kaufen Blumen, regionale Produkte und Geschenkartikel.

Hier kann ich tagtäglich etwas machen, wo auch direkt jemand sagt: oh, das ist aber toll.

Erik Heckel, vom Zimmermann zum künftigen Blumenladen-Betreiber

Erik Heckel ist eigentlich gelernter Zimmermann. Auch er entdeckte irgendwann seine kreative Ader. Nach einer Auszeit mit der Familie arbeitet er inzwischen im Laden seiner Mutter mit. "Ich hätte auch in die Holzbranche zurückgehen können, aber da hätte mir etwas gefehlt", sagt Erik Heckel. "Hier kann ich tagtäglich etwas machen, wo auch direkt jemand sagt: oh, das ist aber toll."

IHK: Gesetzgeber soll Übernahmen erleichtern

Nicht immer läuft das Miteinander im Geschäft reibungslos, sagt der zukünftige Ladenchef. Trotzdem ist er froh, jeden Tag bei seiner Familie zu sein statt wie früher auf Montage zu arbeiten. Außerdem schätzt er die Möglichkeit, ein Traditionsgeschäft zu übernehmen. "Ich wüsste nicht, wie es wäre, wenn ich komplett alleine anfangen müsste", sagt Erik Heckel.

Auch für die IHK Ostthüringen ist die Nachfolge in der Familie der Idealfall. Für viele Traditionsunternehmen könnte sich aber in den nächsten Jahren überhaupt kein Nachfolger finden. Deshalb sehen die IHK-Experten auch den Gesetzgeber in der Pflicht, die Bedingungen zu erleichtern und zum Beispiel Bürokratie abzubauen.

MDR (adr/dr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 11. Februar 2023 | 19:00 Uhr

3 Kommentare

Uborner am 12.02.2023

Und wer hat dieses Verhalten der Jugend bei gebracht? Wer war Vorbild für die Jugend? Wer hat die Gesellschaft so gestaltet das die Jugend so ist wie sie ist? Es sind die Alten die es vergeigt haben, alte Männer die sich aufgespielt haben wie Könige und nicht gemerkt haben das die Zeiten sich ändern, die nach wie vor Kriege anzetteln und von den tollen alten Zeiten faseln und davon das früher alles besser war. Das Problem sind nicht die Jungen, es sind die Alten. ( PS.: ich bin fast Rentner)

MAENNLEiN-VON-DiESER-WELT am 12.02.2023

Ost-Thüringen — ist nicht West-Thüringen, ist nicht Mittel-Thüringen, ist nicht das Ruhrgebiet und doch eint unser Land der Kräfte-Mangel in allen gesellschaftlichen Bereichen…

Bereits vor 20 Jahren
nach dem Untergang des kommunalen Mehr-Sparten-Theater-Eigenbetriebes der Stadt
Erfurt und nach dem frühen Tode meiner lieben Mutter, entschloss ich, Theatermann
seit frühen Kindheitsbeinen an, mich dazu,

den großelterlichen Handwerksmeisterbetrieb mit dazugehörigem Elektro-Facheinzelhandel in Arnstadt weiter führen und weiter entwickeln zu wollen…

Ganze Baumstämme sind mir zwischen die Beine geworfen worden !
IHK und HWK-Unterstützung❓— FEHLANZEiGE‼️

Erst neulich schrieb ich dem Thüringer Wirtschaftsministerium (erneut)
einen Brief. Er bleibt — wie alle unsere Briefe seit 20 Jahren — völlig
unbeantwortet…

…nein,
Genossen, Handwerk hat hier keinen goldenen Boden mehr !
Mein Eigentum und das dreier Generationen meiner Familie
wurde „verramscht“. Den Betrieb gibt es nicht mehr…‼️☹️

Jedimeister Joda am 11.02.2023

Ich bin Handwerker und bräuchte ich einen Nachfolger, dann müßte ich mir einen backen ...lassen. Nachdem die Handwerker lange lange Zeit wie Aussätzige behandelt wurden ist das Interesse der jungen Menschen an einem solch fordernden Arbeitsplatz erloschen. Ja studieren und großkopft dastehen danach steht der Jugend der Sinn. Am besten sogar Influencer sein. Doch was soll außer warmer Luft rauskommen? Joda Jedimeister

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