Plastikfreie Gewässer Greizer Forscher wollen mit Förderband Flüsse von Müll befreien
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31. Mai 2023, 21:20 Uhr
Kleine Taschen auf einem Förderband könnten künftig Plastikmüll aus dem Fluss an Land transportieren. Wie dieses Förderband beschaffen sein muss, dazu forscht derzeit ein Team des Textilforschungsinstituts Thüringen-Vogtland (TITV). Mit weiteren Projektpartnern aus ganz Deutschland arbeiten sie an einem flexibel einsetzbaren System, das Flüsse von Müll befreien soll, bevor dieser das Meer erreicht. Im Sommer 2025 soll das Forschungsprojekt abgeschlossen sein.
Mehr als 86 Millionen Tonnen Plastikmüll schwimmen weltweit im Meer. 4,8 bis 12 Millionen Tonnen kommen jedes Jahr dazu, schätzt der WWF. Ändern könnte das eine Mischung aus Förderband und Minikran, der an der Wasseroberfläche schwebt. So sehen jedenfalls die Pläne aus, das Müllproblem in Flüssen und Meeren zu verringern.
Am Flussboden unter dem Kran soll ein Schlauch liegen, der mit Düsen eine Art Strömungsvorhang erzeugt, wie Projektleiterin Heidi Schaarschmidt vom Textilforschungsinstitut Thüringen-Vogtland (TITV) erklärt. So sollen Plastikbeutel, Flaschen oder andere mindestens ein Quadratzentimeter große Müllteile auf ein Förderband gepustet werden. Das Förderband transportiert den Müll weiter an Land.
Förderband aus umweltverträglichen Fasern
Schaarschmidts Team arbeitet in den kommenden zwei Jahren mit Projektpartnern aus Wissenschaft und Wirtschaft in Magdeburg, Bad Bibra und Ludwigshafen an diesem Müllsammelprojekt - gefördert mit Bundesmitteln. Die Greizer sind dabei für ein Förderband aus Spezialtextilien zuständig.
Wie genau das funktionieren soll, daran wird derzeit getüftelt. Schaarschmidt stellt sich kleine Taschen vor. "Wie eine Damenhandtasche. Oder wie das Kleingeldabteil im Portemonnaie, das sich aufpumpt, wenn es voll ist, und schließt, wenn es leer ist", erzählt die studierte Diplom-Designerin. Diese Taschen sollen dann mit Müll gefüllt auf einer Art Förderband ans Ufer zuckeln, dort wird der Müll entleert. Welches Material die Textilforscher einsetzen, müssen sie noch testen. "Kein Plastik, aber vielleicht mit Metall verstärkt", schwebt Schaarschmidt vor, "umweltverträglich muss die Faser sein und keinen Abrieb haben, aber gleichzeitig immun gegen Bewuchs von Algen und Mikroorganismen".
Den Fluss bereinigen, bevor er zum Meer gelangt
Seit Februar arbeiten sie und zwei Mitarbeiter in Greiz an dem Projekt, bis Sommer 2025 soll das Müllförderband für Flüsse fertig entwickelt sein. Im Spätsommer könnten erste Modelle in der Weißen Elster getestet werden. Irgendwann soll es auch möglich sein, große Flüsse wie den Rhein oder auch den stark verschmutzten Mekong in Südostasien zu reinigen.
Drei bis fünf Meter lang soll das Förderband lang sein. Ziel ist es, in bis zu zwei Metern Tiefe den Müll aus dem Fluss zu sammeln, bevor er im Meer landet - und natürlich dabei Fische und andere Flussbewohner nicht stören. Die Projektpartner schätzen aktuell, dass mit einem Förderband die Hälfte des vorbeischwimmenden Mülls aus dem Wasser gefischt werden könnte. "Man könnte das System versetzt aufstellen, vielleicht alle fünf Kilometer an einem Fluss, mit unterschiedlichen Porengrößen, um unterschiedlich große Müllteile zu sammeln", so die Idee der Greizer Forscher. In fließenden Gewässern wird die Energie fürs Müllsammeln aus der Wasserkraft gewonnen, bei stehenden Gewässern wären auch Wind- oder Sonnenkraft denkbar. Ein weiterer Vorteil sei, dass die Flüsse für Schiffe befahrbar blieben, so die Projektleiterin.
Mietbare Müllsammler als Zukunftsvision
Das TITV in Greiz ist ein wirtschaftsnahes Forschungsinstitut. "Wir machen angewandte Forschung für Unternehmen, also Forschung, die die Industrie interessiert und die auch in den Unternehmen ankommen muss", erklärt Institutsleiter Fabian Schreiber. 70 Prozent der Einnahmen kämen durch wirtschaftsgeförderte Projekte.
Auch beim Müllsammelprojekt unterstützen Wirtschaftsunternehmen die Forscher. Denkbar sind in Zukunft verschiedene Einsatzmöglichkeiten: Weil das Förderband flexibel sein soll, könnte es nach Festivals oder Hochwasser mit hohem Müllaufkommen aufgestellt werden.
Es könnte auf Flüssen aufgebaut werden, nachdem diese durch große Städte geflossen sind, und Plastikteile herausfischen, oder in Ländern mit extremer Flussverschmutzung länger vor Ort bleiben. Möglich wäre, dass beispielsweise Kommunen oder Festivalveranstalter die Müllsammler von einem Unternehmen mieten. Am besten wäre sicher, wenn Müll gar nicht erst in Flüssen und Meeren landet. In wenigen Jahren könnte es aber zumindest eine Lösung geben, den Schaden zu begrenzen.
MDR (fra)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tage | 31. Mai 2023 | 18:40 Uhr