Tradition Kuh Celeste und ihr erstes Kuhschwanzfest in Eisfeld

08. Juni 2022, 05:00 Uhr

Über Pfingsten steigt in Eisfeld in Südthüringen das legendäre Kuhschwanzfest. Dabei wird eine Kuh durch die Stadt geführt - normalerweise. Denn in den vergangenen Jahren ging nichts so richtig und das lag nicht nur an der Coronapause. In diesem Jahr konnte sich jetzt zum ersten Mal die Kuh Celeste auf dem für sie noch ungewohnten Terrain beweisen.

MDR THÜRINGEN-Reporterin Bettina Ehrlich
Bildrechte: MDR/Daniela Dufft

Immer an Pfingsten wackelt in Eisfeld in Südthüringen der Kuhschwanz. Dann steigt dort vom Freitag vor Pfingsten bis Dienstag nach Pfingsten das legendäre Kuhschwanzfest. Seine Wurzeln gehen auf den Dreißigjährigen Krieg zurück. Damals rief Herzog Casimir von Coburg die Eisfelder zu Wehrübungen zusammen.

Nach den Schießübungen zogen die Männer mit Pfeifen und Trompeten in die Stadt ein. Aus diesem Ritual entstand das Fest. Damals gab es in Eisfeld vermutlich noch sehr viele Kühe. Und die wurden damals von ihren Besitzern völlig selbstverständlich vor einen Wagen oder Pflug gespannt: Mensch und Kuh waren das gewohnt.

Ungewohntes Terrain für eine Kuh

Heute gibt es in der Umgebung von Eisfeld zwar auch viele Kühe. In der Waisagrund-Agrargenossenschaft in Crock zum Beispiel. Die Rinder dort stehen im Stall, werden zwei Mal am Tag gemolken und kommen auch ab und zu mal auf die Weide. Großen Kontakt zu Menschen haben sie da aber nicht. Geschweige denn zu Menschenmassen. Sie kennen auch keine für Kuhohren sicher besonders gruselige Blasmusik, Böllerschüsse und Geschrei aus allen Richtungen.

Beim Kuhschwanzfest sind wirklich sehr viele Menschen unterwegs, es wird geschossen und da platzt auch mal ein Luftballon.

Wolfram Mertz Rinderzüchter

Genau das aber ist der Höhepunkt des Kuhschwanzfestes. Immer am Dienstagabend setzt sich um 18 Uhr der große Festumzug in Bewegung. Als Maskottchen ist da bisher auch immer eine lebendige Kuh mitgelaufen. Zuletzt war das Browni aus dem Stall im Nachbardorf Veilsdorf. Als Browni beim Kalben unerwartet starb, musste ein Ersatz her. Doch Browni war nicht einfach so zu ersetzen.

Rinderzüchter Wolfram Mertz erinnert sich lebhaft daran, wie die Ersatzkuh kurz vor dem Start des Umzugs 2019 plötzlich die Nerven verließen. "Das Tier ist völlig panisch geworden und ließ sich kaum noch halten", erzählt er. In solchen Fällen gehe Sicherheit einfach vor. Nicht auszudenken, was passieren kann, wenn ein fast 700 Kilo schweres Tier außer Rand und Band durch die Massen rast. "Und auch der Kuh war das einfach nicht zuzumuten", so Mertz. "Kühe mögen keinen Stress, das ist für sie schlimmer als Schmerz." Die Eisfelder mussten deshalb, ob sie wollten oder nicht, auf ihre echte Kuh zum Umzug verzichten.

Die Neue heißt Celeste

Nach zwei Jahren Coronapause nun ein neuer Versuch: Kuh Celeste aus dem Stall in Crock ist dieses Mal die Auserwählte. Celeste, ein Rind der Rasse Deutsches Holstein, war schon als Kälbchen besonders hübsch. Deshalb ist sie immer mal wieder bei verschiedenen Tierschauen unterwegs gewesen. "Sie kennt sich mit Menschenmassen aus und deshalb könnte es klappen", sagt Züchter Wolfram Mertz. Außerdem ist sie ein Halfter am Kopf gewöhnt und läuft gut am Strick.

Sie kennt sich mit Menschenmassen aus und deshalb könnte es klappen.

Wolfram Mertz

Trotzdem ist Mertz ein wenig mulmig zumute: "Beim Kuhschwanzfest sind wirklich sehr viele Menschen unterwegs, es wird geschossen und da platzt auch mal ein Luftballon." Einhundertprozent sicher könne man sich deshalb nie sein. Und so waren auch die letzten Minuten vor dem Umzug die Spannendsten.

Celeste bleibt cool

Per Viehtransporter kommt Celeste knapp eine Stunde vor dem Startschuss nach Eisfeld. Vor dem Start wird ihr als "Parkplatz" ein Stück Rasen zugewiesen, mit Flatterband abgetrennt. Celeste läuft anstandslos vom Hänger probiert gleich das Eisfelder Gras. Tierpfleger Justin Schmitt streichelt sie immer wieder am Hals und redet beruhigend auf sie ein.

Langsam füllt sich der Platz mit Menschen, viele Kinder bleiben vor Celeste stehen und bewundern die Kuh. Sie nimmt es gelassen, muht nur ein einziges Mal und lässt sich – als es soweit ist – wie selbstverständlich durch die lauten Menschenmassen Richtung Marktplatz führen. Schmitt und Mertz zucken erschrocken bei den Salutschüssen zusammen, Celeste bleibt gelassen. Und das im Gegensatz zu manchem Pferd im Umzug die ganze Zeit.

Wir haben wieder eine Kuh, mehr geht eigentlich nicht.

Sven Seifert Mitglied des Festkomitees

Wolfram Mertz und die anderen Kuhzüchter können endlich ein bisschen entspannen. Trotzdem sind sie heilfroh, als sie Celeste nach der Runde durch die Innenstadt endlich wieder wohlbehalten im Hänger haben. Die Kuh hat ihre Feuertaufe mit Bravour bestanden. Auch Sven Seiffert vom Festkomitee ist überglücklich. "Wir haben wieder eine Kuh, mehr geht eigentlich nicht", resümiert er.

Nach eigenen Angaben geht das Kuhschwanzfest 2022 mit mehr als 30.000 Besuchern als eines der erfolgreichsten in die Geschichte ein.

Weitere Traditionen und Feste in Thüringen

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Johannes und der Morgenhahn | 08. Juni 2022 | 06:40 Uhr

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