Dauerkonflikt Borstgrasrasen vs. Golfplatz: Streit in Oberhof dauert seit Jahren

19. Februar 2023, 21:01 Uhr

Auf der Schuderbachswiese in Oberhof soll eines Tages wieder Golf gespielt werden - zumindest wenn es nach dem Willen der Mitglieder des Herzoglichen Golf-Clubs geht. Naturschützer möchten die Wiese in ihrem jetzigen Zustand bewahren. Seit Jahren gibt es keine Annäherung.

Schon vor über 100 Jahren wurde auf der Schuderbachswiese in Oberhof Golf gespielt. Damals herrschte noch der Kaiser über das Deutsche Reich. Wenige Jahre nach Gründung der DDR war es in Oberhof mit dem Golf spielen vorbei. Der alte Golfclub am Rand der Wiese ist heute mit Brettern zugenagelt.

Golf-Club vor 17 Jahren neu gegründet

Am 24. April 2006 wurde der Herzogliche Golf-Club Oberhof neu gegründet. Zu den Mitgliedern zählen Unternehmer, Hoteliers und Golffreunde, sagt Clubmitglied Ullrich Klösser. Protegiert wird der neue Verein von Prinz Andreas aus dem ehemaligen Adelshaus Sachsen-Coburg-Gotha. Ihm verdankt der Club das Prädikat "herzoglich". Das Ziel der Neugründung ist die Wiederherstellung der Golfwiese in Oberhof. Auch in die historischen Gebäude am Rand der Wiese soll neues Leben einziehen - ein Golfhotel entstehen.

1.200 Orchideen auf alter Golfwiese gezählt

Eine Weiterentwicklung der Wiese will auch der Arbeitskreis heimischer Orchideen (AhO) - allerdings im Sinne des Naturschutzes. Ein Gutachten des Thüringer Landesamtes für Umwelt, Bergbau und Naturschutz kam zu dem Schluss, dass 65 Prozent der Wiese von geschützten Pflanzen besiedelt wird, sagt Vereinsmitglied Volker Kögler.

Logo MDR 3 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
3 min

Der geplante Golfplatz auf der Schuderbachswiese in Oberhof würde schützenswerte Natur zerstören, sagt Volker Kögler vom Arbeitskreis heimische Orchideen.

Sa 18.02.2023 20:19Uhr 03:18 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/sued-thueringen/suhl/video-volker-koegler-orchideen-oberhof-schuderbachswiese100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Die verbliebenen Bereiche wären zu klein zum Golf spielen, davon ist der Naturschützer überzeugt. Außerdem würde die notwendige Bewässerung und Düngung des Golfplatzes letztendlich zur Zerstörung der geschützten Bereiche führen.

Mehr als 1.200 Orchideen der Sorte "Grüne Hohlzunge" sollen auf dem artenreichen Borstgrasrasen wachsen. 2021 hat der AhO sie gezählt. Auch die geschützte Arnika wächst hier in großer Zahl, sagt Kögler. Die Schuderbachswiese ist für ihn eine der wertvollsten Bergwiesen in Deutschlands Mittelgebirgen.

Die Schuderbachswiese ist eine unserer wertvollsten Bergwiesen, die wir in Thüringen oder sogar in allen Mittelgebirgen Deutschlands haben.

Volker Kögler, Arbeitskreis heimische Orchideen Thüringen e.V.

"Anlage würde Golfspieler aus ganz Europa anziehen"

Für Ullrich Klösser vom Herzoglichen Golf-Club Oberhof sind das lösbare Probleme: "Eine Orchidee kann man auch versetzen." Außerdem würde nicht die ganze Wiese genutzt werden. Abgesteckte Flächen, die von Golfern nicht betreten oder bespielt werden dürfen, gebe es schließlich auch in andern Golfklubs. Auch Ausgleichsmaßnahmen seien denkbar, zum Beispiel das Anlegen einer neuen Wiese an anderer Stelle.

Im Gespräch mit MDR THÜRINGEN beklagt er die Kompromisslosigkeit der Naturschützer. Der historische Golfklub mit seinen denkmalgeschützten Gebäuden sei einmalig auf der Welt. Eine Anlage dieser Art würde Golfspieler aus ganz Europa anziehen. Ein Segen für die Stadt Oberhof - davon ist Klösser überzeugt.

Bürgermeister beklagt "kriegsähnlichen Zustand" der Golfplatz-Gegner

"Die Schuderbachswiese zu entnaturieren - das fände ich auch nicht in Ordnung", sagt Oberhofs Bürgermeister Thomas Schulz. Den "reflexhaften" Widerstand der Golfplatz-Gegner empfinde er jedoch als unfair. Zu einer unabhängigen Prüfung aller Möglichkeiten sei es nie gekommen.

Mit der Erstellung eines Bebauungsplanes für das Gelände hätten all diese Fragen geklärt werden können, sagt Schulz. Eine Beteiligung der Naturschutzverbände sei dabei gesetzlich vorgeschrieben. Die Aufstellung eines solchen "B-Planes" wurde 2018 im Oberhofer Stadtrat beschlossen. Dass dieser Plan bis jetzt nicht zustande kam, sei die Schuld der Golfplatz-Gegner. Diese argumentierten aus einem "kriegsähnlichen Zustand" heraus.

Was ist ein Bebauungsplan? In einem Bebauungsplan wird die Art und Weise geregelt, in der eine Bebauung von Grundstücken möglich ist. Erstellt wird ein Bebauungsplan von der zuständigen Gemeinde. Zum Zustandekommen eines B-Planes müssen auch alle staatlichen und privaten Stellen gehört werden, deren Interessen von Bebauung berührt werden. Dazu gehören auch Umweltschutzverbände.

Neuer Bebauungsplan klammert Schuderbachwiese aus

Ein Problem sei der Streit auch für ein Hotel des Arbeiterwohlfahrt-Vereins (Awo), das ebenfalls an der Schuderbachswiese liegt. Für die Anlage gibt es Erweiterungspläne. Die seien auch unkritisch, sagt Bürgermeister Thomas Schulz.

Das Hotelgelände liegt aber ebenfalls im Bereich des ursprünglich geplanten Bebauungsplanes an der Schuderbachwiese, der aufgrund des Golfplatz-Streites nie zustande kam. Für die eigentliche unbeteiligte Awo bedeutete dies Stillstand. Aus diesem Grund wurde der ursprüngliche Bebauungsplan nun zweigeteilt. Der umkämpfte Bereich wurde vorerst ausgespart. Das bedeute aber nicht, dass die Golfplatz-Pläne vom Tisch seien, sagt Thomas Schulz.

Ich bin nach wie vor dafür, dass man so etwas sachlich prüft und dass jeder seine Argumente vorbringen kann. Und wenn alle Argumente auf dem Tisch liegen, dass dann entschieden wird.

Thomas Schulz, Bürgermeister Oberhof

Bebauungsplan für Schuderbachwiese ist in Arbeit

Wie es weitergehen könnte, liegt auch in den Händen der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen (LEG). Sie vertritt die Interessen des Freistaats Thüringen - dem derzeitigen Eigentümer der Schuderbachwiese. Mitarbeiter der LEG arbeiten derzeit an einem Bebauungsplan zur Reaktivierung des Golfplatzes, wie Pressesprecher Holger Wiemers auf Anfrage von MDR THÜRINGEN mitteilte.

Die bisher abgegebenen Stellungnahmen der Naturschützer würden in den Planungen berücksichtigt. Wie mit den Einwänden der Gegner des Golfplatzes umgegangen wird, liege aber letztendlich in der Hand des Stadtrates von Oberhof.

MDR (nis)

47 Kommentare

Lyn am 21.02.2023

Und wenn dann die Wiese zerstört und der Golfplatz gebaut ist, wieviele Golfer kommen dann tatsächlich nach Oberhof, wo es ausser der Natur sonst nicht viel gibt?

Auch mit einer schönen Wiese lässt sich tourismusmässig etwas anfangen, man werfe mal einen Blick ins Biosphärenreservat Rhön und die Umgebung der Wasserkuppe, das rote Moor.

Und es gibt immer weniger solcher Wiesen, bis vor wenigen Jahren hatten wir auch einen ganzen Schwung davon, alles hinüber. Waldschlüsselblumen, Knabenkraut, Sumpfdotterblumen, an verschiedenen Stellen, alles weg. Und kommt nicht wieder.

Harka2 am 21.02.2023

@Andi57
Sie unterliegen dem Irrtum, dass Orchideen etwas total seltenes sind. Dem ist nicht so.In weiten Teilen Thüringens wie im Geratal oder dem Saaletal unterhalb der Staustufen wachsen wie Unkraut an den Kalksteinhängen. Ich habe als Kind nie verstanden, warum die Touristen vor jeder Blume stehen blieben, sind die Wälder doch voll davon. Ich kenne Ecken, da wachsen mehr Schlüsselblumen als Gräser in den Wäldern.

Oberhof hingegen hat das Problem, dass man sich mittelfristig vom Wintersport als einzigen Grund für den Tourismus verabschieden muss. Es braucht dort weitere Gründe, um ganzjährig Touristen anzuziehen. Ein ortsnaher Rennsteigpark und ein Exotarium reicht dafür nicht aus.

Andi57 am 20.02.2023

Damals,damals....2006 war die Welt noch mehr in Ordnung. 2023 sollte uns klar sein, dass wir die Natur besser schützen müssen und der Bürgermeister sollte über dieses Juwel welches die Natur Oberhof geschenkt hat stolz sein. Andere Bundesländer nutzen vermehrt ihre Naturschätze und vermarkten sie, indem sie einen sanften Tourismus fördern und nicht an dem ewigen Gestrigen hängen. Das historische Gebäude kann man als Info—Zentrum aufbauen, um über die heimische Flora und Fauna , über den Klimawandel und die sich daraus ergebenden Aufgaben aufzuklären. Wir müssen Tourismus anders denken und uns nicht vom schnellen Geld leiten lassen. Außerdem wird die Quadratur des Kreises nicht gelingen. Golfplatz und Orchideenwiese lassen sich nicht vereinbaren. Es wird sich sicher ein anderer Ort für einen Golfplatz finden.

Mehr aus der Region Suhl - Schmalkalden - Meiningen

Mehr aus Thüringen