Albert Weiler- Lars Sänger Kommentar
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Meinung Analyse: Albert Weiler und die Werteunion - Mehr Fragen als Antworten

23. Februar 2024, 18:38 Uhr

Albert Weiler von der Werteunion sorgt für Schlagzeilen. Obwohl der Thüringer Landesverband der Werteunion noch nicht mal gegründet ist, die Partei also im Freistaat erst noch aus der Taufe gehoben werden muss, erwägt Weiler schon den ganz großen Wurf. Der Ostthüringer, der vor seinem Eintritt in die WU schon jeweils rund 20 Jahre SPD- und CDU-Mitglied war, denkt über eine Kandidatur als Ministerpräsident nach. Ein Kommentar dazu von Lars Sänger.

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Das Selbstvertrauen eines Albert Weilers muss man erst mal haben! Seine Partei ist noch nicht mal in Thüringen gegründet, geschweige denn zur Landtagswahl zugelassen, da spricht der Mann öffentlich über eine mögliche Kandidatur als Ministerpräsident. Man kann ihm das so oder so auslegen. Entweder hält man Weiler für größenwahnsinnig oder für ehrgeizig. Eines kann man Weiler jedenfalls nicht absprechen: Er sorgt für Publicity für die Werteunion (WU). Und genau die braucht eine neue Partei, um wahrgenommen zu werden. Dabei darf durchaus bezweifelt werden, ob es überhaupt redlich ist, die Werteunion jetzt schon in Gedankenspiele um die Thüringer Macht-Arithmetik einzubeziehen. Denn bislang ist die WU in Thüringen nichts mehr als ein zahnloser Papiertiger mit großem Ego.

Partei-Neugründung die Zweite

Ich will ganz ehrlich sein: Ich bin hin- und hergerissen. Einerseits spricht es für das Funktionieren unserer Demokratie, wenn sich - wie in den vergangenen Wochen - neue Parteien gründen. Unser demokratisches System erlaubt das und das ist auch gut so. Und es ist schließlich auch entkräftend denjenigen gegenüber, die behaupten, Deutschland sei kein Rechtsstaat mehr und die Demokratie am Ende. Genau das ist nämlich eben nicht der Fall. Das belegt auch die Gründung der Partei Werteunion. Oder anders ausgedrückt: Man stelle sich vor, Kritiker in einer Diktatur würden versuchen, eine oppositionelle Partei zu gründen. Unvorstellbar.

Anders in Deutschland. Hier gibt es nämlich keine Verbote, nur Grenzen - und zwar solche, die für alle gelten. Letztlich ist das Gründen neuer Parteien demokratisches Recht und Mittel aller. Und: Es ist damit legitimer Versuch und Möglichkeit zugleich, Lücken zu schließen. Lücken, die die etablierten Parteien geschaffen oder offengelassen haben. Das Entstehen neuer Parteien ist eine fast schon logische Reaktion auf die Entwicklung der politischen Lage der vergangenen Jahre. Und ja: Je größer das Angebot, desto größer auch die Auswahlmöglichkeiten für Wählerinnen und Wähler. Das an sich ist positiv.

Anderseits: Hilft das in Thüringen?

Zu bewerten, welche Rolle die WU in Thüringen spielen kann oder wird, gleicht dem Blick in die berühmte Glaskugel. Zu Vieles ist unklar. Zusätzliche Unsicherheit schürt, dass gegen die Umwandlung der Werteunion von einem Verein in eine Partei durch eigene Mitglieder gerichtlich vorgegangen wird. Nicht ausgeschlossen, dass das Gericht die Partei Werteunion für nichtig erklärt. So oder so gilt: Jede Wählerin und jeder Wähler hat aber ein Recht darauf zu erfahren, welche Probleme eine Partei vor der eigenen Haustür lösen will. Und wie! Und mit wem!

Solange das alles unklar ist, wird dem Wahlvolk die Katze im Sack verkauft. Und mal ganz ehrlich: Wollen Sie die Katze im Sack kaufen? Bei allem Verständnis für Unzufriedenheit kann ich mir das nicht vorstellen. Die Werteunion hat weder Personal benannt, noch konkrete Inhalte und Lösungen präsentiert. Frontmann Weiler spricht von den Schwerpunkten Bildung, Wirtschaft und Agrarpolitik. Doch all diese Felder beackern jetzt schon alle anderen Parteien. Alleinstellungsmerkmal WU: Fehlanzeige.

Die Zeit drängt

Reicht für die Werteunion die Zeit, um Strukturen zu schaffen und Kandidaten sattelfest aufzustellen? Welche Inhalte vertritt sie konkret in und für Thüringen? Mit welchem Personal will die WU eine Alternative sein? Und apropos Alternative: Die WU schließt eine Zusammenarbeit mit der AfD explizit nicht aus. Der Bundesvorsitzende Hans-Georg Maaßen erklärt, seine Partei sei keine, die "Brandmauern" baut.

Hans-Georg Maaßen
Parteichef Hans-Georg Maaßen sagt, die Werteunion sei keine Partei, die "Brandmauern" baue. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Patrick Pleul

Was das für die Zeit nach der Landtagswahl in Thüringen bedeuten kann, liegt auf der Hand. Zumindest ist dann nicht auszuschließen, dass eine Fraktion der Werteunion das Zünglein an der Waage wird, sollte die AfD eine absolute Mehrheit nur knapp verpassen. Je nachdem, wie die Mehrheitsverhältnisse ausfallen, könnte es dann tatsächlich zu einer mehrheitlich rechten und in Teilen rechtsextremen Landesregierung unter einem Ministerpräsidenten Björn Höcke reichen. Dessen muss sich jeder, der zur WU tendiert, weil diese ihm rechter als die CDU und weniger extrem als die AfD erscheint, bewusst sein.

Soweit wird es doch nicht kommen! Wirklich nicht?

Wenn die Werteunion das Rennen gegen die Zeit gewinnt und alle Fristen erfüllt, könnte sie ihre Liste für Kandidaten anderer Parteien öffnen. Mit den Bürgern für Thüringen und dem Verein Freie Wähler ist die WU im Gespräch über eine gemeinsame Liste bei der Landtagswahl. Wer beschwichtigen will, wendet jetzt ein: Dafür gibt es Hürden. Und das stimmt auch. So müssten alle Kandidaten der anderen Parteien ihr Parteibuch abgeben und quasi parteilos auf der WU-Liste kandidieren.

Aber! Wenn es das Bestreben gibt, dieser Liste Leben einzuhauchen und das politisch gewollt ist, sind solche Hürden überwindbar. Und dann? Dann könnte eine solche WU-Liste, bestückt mit Konservativen der verschiedensten Facetten, problemlos mit sechs, sieben oder acht Prozent in den Landtag einziehen. Schaffen es SPD, Grüne und FDP dann nicht, was durchaus realistisch ist, ist die Bühne bereitet für das nächste Thüringer Polit-Beben.

Das Mehr an Auswahl ist ein Weniger an Gewissheit

Bleibt noch dieses Szenario: Alle schaffen es in den Landtag. Rekordverdächtige acht Fraktionen würden die Mandate dann unter sich aufteilen. Klingt das nach eindeutigeren Mehrheitsverhältnissen und einem regierbareren Land? Nein! Die Mehrheitsfindung wäre noch schwerer als jetzt. Es müssten völlig neue Bündnisse gefunden und zum Teil massive inhaltliche Unterschiede überbrückt werden. Ein Unterfangen, an dem wir in Thüringen - oder besser gesagt die politischen Akteure des Landes - schon mehrfach gescheitert sind. Was droht, sind weitere fünf Jahre in einer Hängepartie. Insofern ist das Mehr an Auswahl auf dem Stimmzettel nicht nur positiv. Und das in einer Zeit, in der sich noch mehr Negatives verbietet. 


Anmerkung der Redaktion: In dem Text ist von den "Freien Wählern" die Rede. Gemeint ist damit der gleichnamige Verein. Die Partei "Freie Wähler" hat eine gemeinsame Liste mit Werteunion und Bürgern für Thüringen ausgeschlossen.

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MDR (thk)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 23. Februar 2024 | 19:00 Uhr

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