Igor Kolomoisky, Gouverneur der Oblast Dnipropetrowsk.
Ihor Kolomojskyj wird großer Einfluss auf die ukrainische Politik nachgesagt. Nun forderte er in einem Interview eine "Abkehr der Ukraine vom Westen". Bildrechte: imago/ITAR-TASS

Umstrittenes Interview Ihor Kolomojskyj: Bestimmt der Oligarch die Politik der Ukraine?

19. November 2019, 17:21 Uhr

Der mächtige Oligarch Ihor Kolomojskyj gilt als Mann hinter dem Aufstieg des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Nun fordert er eine Abkehr der Ukraine vom Westen. Will er dem Präsidenten die Politik diktieren?

Junger Mann mit Brille
Bildrechte: MDR

Ein Interview des millionenschweren 56-jährigen Unternehmers Ihor Kolomojskyj mit der New York Times sorgt derzeit in der Ukraine für Aufsehen. Darin spricht Kolomojskyj von einer nötigen Abkehr des Landes vom Westen und wünscht sich eine Verstärkung der Zusammenarbeit mit Russland.

"EU und NATO werden die Ukraine nie aufnehmen, das müssen wir uns eingestehen und es nicht mal mehr versuchen. Russland würde uns dagegen gerne in einen neuen Warschauer Pakt einbeziehen", sagt Kolomojskyj und schob nach: "Die Menschen wollen Frieden, keinen Krieg. Ihr, die USA, zieht uns in einen Krieg und gebt uns nicht mal Geld dafür."

Geld von Russland als Zukunft der Ukraine

Geld sei auch der beste Weg, um die Ukraine mit Russland zu versöhnen. Denn laut Kolomojskyj würde Russland dem Land gerne 100 Milliarden US-Dollar Aufbauhilfe  zur Verfügung stellen. Das vergossene Blut wäre so in fünf bis zehn Jahren vergessen. Das sorgte vor allem bei patriotischen Ukrainern, die bei der Wahl den ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko unterstützt haben, für Aufregung.

Sie fürchten nach einem großen Gefangenenaustausch zwischen Kiew und Moskau, dem teilweisen Rückzug von der Front und den wiederaufgenommenen Stromimporten aus Russland schon länger einen sogenannten "Russland-Ruck". Für sie klingt es so, als lasse sich Präsident Selenskyj von seinem Förderer die Außenpolitik des Landes diktieren.

Welchen Einfluss hat Kolomoskyj auf der Präsidenten?

Denn bereits als der ehemalige Komiker Wolodymyr Selenskyj im April zum neuen ukrainischen Präsidenten gewählt wurde, mutmaßten viele, Ihor Kolomojskyj könnte der eigentliche Gewinner der Präsidentschaftswahl sein. Der einst zweitreichste Mann der Ukraine baute mit der "Privatbank" in den 1990er-Jahren die größte Bank des Landes auf, die 2016 verstaatlicht wurden. Ihm gehört auch der private Fernsehsender "1+1", bei dem Seleneskyjs Aufstieg begann. Später machte der Sender aktiv Wahlkampf für den heutigen Präsidenten.

Nach der Wahl Selenskyjs wurde der Anwalt Andrij Bohdan, ein enger Verbündeter Kolomojskyjs, Chef der Präsidialverwaltung. Die Personalie war und ist hoch umstritten und sorgte für Mutmaßungen, Kolomoskyj wolle sich so seinen Einfluss auf den Präsidenten sichern. Dennoch sagt Vorstandsvorsitzende des Zentrums für angewandte politische Forschung "Penta" Wolodymyr Fessenko dem MDR: "Kolomoskyj hat gar keinen Einfluss auf die ukrainische Außenpolitik."

Kolomoskyj im Westen unter Druck

Für Fessenko sind Kolomojskyjs Aussagen eher ein persönlicher Angriff auf die westlichen Geldgeber der Ukraine wie den Internationalen Währungsfonds (IWF): "Diese warnen Kiew immer wieder vor Entscheidungen zugunsten des Oligarchen." Denn Kolomoskyj will vor allem seinen Einfluss auf die 2016 verstaatlichte Privatbank zurückerhalten, erzielt dabei aber kaum Fortschritte. Außerdem sollen US-Behörden wegen des Verdachts auf Geldwäsche gegen Kolomskyj ermitteln.

Kolomojskyj gehe es überhaupt nicht um Einfluss auf die Politik der Ukraine, sondern nur um seine Eigeninteressen, sagt auch der Politologe Taras Beresowez, der dem ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko nahesteht. Kolomoskyj habe Probleme im Westen bekommen und wolle sich nun nach Russland umorientieren, weil ihm dort weniger Gefahr drohe. So sollen US-Behörden wegen des Verdachts auf Geldwäsche gegen ihn ermitteln.

Überschaubarer aber entscheidender Einfluss im Parlament

Auch Kolomoskyjs direkter Einfluss auf die Regierung und die Parlamentsfraktion der Regierungspartei "Diener des Volkes" sei nicht so groß wie befürchtet, meint der "Penta"-Forscher Wolodymyr Fessenko. So hätten zwar verschiedene Einflussgruppen innerhalb der Partei "ihre Abgeordneten" im Parlament, wie es in der ukrainischen Politik häufig vorkommt, aber: "Kolomojskyj hat nur zehn Abgeordnete, die an seine Strukturen gebunden sind, und kontrolliert noch etwa 20 weitere", so Fessenko.

Die Partei hat jedoch 254 Abgeordnete und verfügt damit auch über eine absolute Mehrheit im Parlament. Der Großteil von ihnen wird von Selenskyjs persönlichen Freunden, Mitarbeitern seiner einstigen Produktionsfirma und anderen Unternehmern kontrolliert, die Kolomoskyj eher als Konkurrenten sehen. So konnte Kolomoskyj im November auch nicht die Wahl des ihm unliebsamen neuen Parteichefs Olexander Kornijenko verhindern. Dem Präsidenten die Politik diktieren kann er so jedenfalls nicht.

Für eine Machtdemonstration scheint sein Einfluss im Parlament jedoch zu reichen. Zuletzt musste das Parlament über den Antrag des Generalstaatsanwalts Ruslan Rjaboschapka abstimmen, einen umstrittenen Abgeordneten festnehmen zu lassen. Aus seiner Ablehnung gegenüber Rjaboschapka machte Oligarch Kolomoskyj zuvor keinen Hehl. Und so stimmten 44 Abgeordnete gegen den Antrag des Generalstaatsanwalts, wobei über ihre Beweggründe freilich spekuliert wird. Die Botschaft scheint klar: ohne diese 44 Stimmen würde die Partei des Präsidenten bei keiner Abstimmung ihre eigentlich vorhandenen absolute Mehrheit auch erreichen.

MDR AKTUELL RADIO

Ein Angebot von

Mehr aus Osteuropa

Nachrichten

Eine Tatra Straßenbahn steht in braunem Wasser 1 min
So ist beispielsweise die Donau in der slowakischen Hauptstadt Bratislava an vielen Stellen über die Ufer getreten. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 18.09.2024 | 17:53 Uhr

Die Donau ist in der slowakischen Hauptstadt Bratislava an vielen Stellen über die Ufer getreten. Zwar zieht sich das Wasser in einigen Regionen Europas zurück, in anderen wird der Höchststand aber noch erwartet.

Mi 18.09.2024 15:24Uhr 00:35 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/video-hochwasser-bratislava-slowakei-hoehepunkt-donau-flut-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Nachrichten

Ein mit einer Drohne aufgenommenes Foto zeigt die überflutete niederschlesische Kleinstadt im Südwesten Polens 1 min
Im Nordosten Tschechiens begannen am Montag schon teilweise die Aufräumarbeiten. Bildrechte: picture alliance/dpa/PAP | Maciej Kulczynski
1 min 16.09.2024 | 20:32 Uhr

Die starken Niederschläge haben auch zu schwerem Hochwasser in den Nachbarländern geführt. In Polen brach ein Staudamm und flutete eine Stadt. In Tschechien mussten 250.000 Menschen evakuiert werden.

Mo 16.09.2024 17:31Uhr 00:52 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/video-polen-tschechien-hochwasser-flut-aufraeumen-dammbruch-katastrophenzustand100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus der Welt

Nachrichten

Ein Krankenwagen, der vermutlich Verwundete transportiert, nachdem mehrere Explosionen während der Beerdigung von vier Hisbollah-Kämpfern zu hören waren, die am Montag durch Explosionen ihrer Pager getötet wurden. 1 min
Schon am Dienstag waren an mehreren Orten im Libanon gleichzeitig hunderte Pager explodiert. Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Bilal Hussein
1 min 18.09.2024 | 21:13 Uhr

Wieder sind am Mittwoch im Libanon reihenweise elektronische Geräte explodiert. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums wurden mehr als 300 Menschen verletzt und mindestens neun Menschen getötet.

Mi 18.09.2024 18:56Uhr 00:58 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/panorama/video-libanon-explosion-erneut-wieder-israel-krieg-hisbollah100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Nachrichten

Eine Tatra Straßenbahn steht in braunem Wasser 1 min
So ist beispielsweise die Donau in der slowakischen Hauptstadt Bratislava an vielen Stellen über die Ufer getreten. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min 18.09.2024 | 17:53 Uhr

Die Donau ist in der slowakischen Hauptstadt Bratislava an vielen Stellen über die Ufer getreten. Zwar zieht sich das Wasser in einigen Regionen Europas zurück, in anderen wird der Höchststand aber noch erwartet.

Mi 18.09.2024 15:24Uhr 00:35 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/video-hochwasser-bratislava-slowakei-hoehepunkt-donau-flut-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video
Eine Straße durch eine Waldstück. Auf beiden Seiten Flammen. Auf der Straße in der Mitte stehen Feuerwehrfahrzeuge. 1 min
Verheerende Waldbrände im Norden und der Mitte Portugals Bildrechte: Reuters
1 min 18.09.2024 | 17:50 Uhr

Bei den seit Sonntag in Portugal wütenden Waldbränden sind bereits sieben Menschen ums Leben gekommen. Der Zivilschutz berichtet zudem von mehr als 50 Verletzten. 5.000 Einsatzkräfte bekämpfen gleich mehrere Großfeuer.

Mi 18.09.2024 07:18Uhr 00:27 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/panorama/video-waldbraende-portugal-feuer-tote-flammen-100.html

Rechte: Reuters

Video

Nachrichten

Viele Helfer kümmern sich um einen verwundeten Mann. 1 min
Die Explosionen wurden im gesamten Libanon gemeldet, vor allem in den von der Hisbollah kontrollierten Gebieten. Bildrechte: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | STR
1 min 18.09.2024 | 06:51 Uhr

Im Libanon sind gleichzeitig hunderte kleine Kommunikationsgeräte, sogenannte Pager, explodiert. Dabei sind mehrere Menschen getötet und mehr als 2.700 verletzt worden.

Di 17.09.2024 17:46Uhr 00:35 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/panorama/video-libanon-pager-explosion-verletzte-tote-israel-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video