Andrej Babiš Tschechiens Regierungschef doch nicht vor Gericht?

02. September 2019, 16:47 Uhr

Gegen den tschechischen Regierungschef Andrej Babiš wurde wegen Erschleichung von EU-Geldern ermittelt. Nun soll die Staatsanwaltschaft die strafrechtliche Verfolgung eingestellt haben. Die Opposition ist empört.

Die Staatsanwaltschaft soll die strafrechtliche Verfolgung des tschechischen Regierungschefs im Fall der Storchennestaffäre eingestellt haben. Dies berichten tschechische Medien unter Berufung auf eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft. Ein Sprecher erklärte, dass sich die Meinung zu dem Fall "geändert" habe, wollte aber keine Einzelheiten nennen. Zunächst müsste die Entscheidung noch von höherer Stelle geprüft werden.

Staatsanwaltschaft war sicher, genug Beweise gegen Babiš zu haben

Die Ermittler haben Andrej Babiš vorgeworfen, unberechtigt knapp zwei Millionen Euro EU-Fördermittel für das Luxusresort "Storchennest" nahe Prag bekommen zu haben. Die Gelder wurden für kleine und mittlere Unternehmen gedacht. Babiš besitzt allerdings eine Firma mit Milliarden-Umsatz. Es sah so aus, als hätte der Staatsanwalt Jaroslav Šaroch für eine Anklage alle Trümpfe in der Hand. Im Januar 2018 besuchte er sogar das Parlament, um die Abgeordneten zu überzeugen, die strafrechtliche Verfolgung von Andrej Babiš zu ermöglichen. Babiš war damals als Abgeordneter vor der Verfolgung durch Immunität geschützt, sie wurde ihm ein paar Tage später entzogen. Für rechtliche Schritte schien der Weg geebnet. Nun der Rückschlag für alle, die sich Aufklärung gewünscht hatten.

Entscheidung des Staatsanwaltes trifft auf Unverständnis

Die "Union der Staatsanwaltschaften", die Ständevereinigung der Staatsanwälte, hat den Staatsanwalt bereits aufgefordert, zu erklären, welche Erkenntnisse ihn nach vier Jahren Arbeit zu einer Änderung der Rechtsansicht geführt haben. 

Die Opposition zeigt sich ebenfalls empört. Die Nachricht kam für sie überraschend. "Wäre Andrej Babiš kein Regierungschef, wäre er wahrscheinlich schon längst im Gefängnis", sagte der Chef der parlamentarischen Piratenpartei, Ivan Bartoš. Vor dem Gesetz sollten seiner Meinung nach alle gleich sein. Er wies darauf hin, dass der Staatsanwalt seine Meinung um 180 Grad gedreht habe, da er bis jetzt geäußert hatte, dass die strafrechtliche Verfolgung gerechtfertigt sei. 

Die Entscheidung des Staatsanwaltes nimmt den Menschen die Hoffnung, in einem Rechtsstaat zu leben.

Markéta Adamaová, Abgeordnete der Partei TOP09 Twitter

Babiš: Keine Affäre! Journalisten sind schuld! 

Andrej Babiš selbst kommentierte die Entscheidung des Staatsanwaltes bislang sehr verhalten: Er sagte, er kenne die Entscheidung der Staatsanwaltschaft nicht. Er glaube aber, dass die Verfolgung eingestellt wird. "Wäre ich nicht in der Politik gewesen, hätten die Menschen nie von einer Causa Storchennest gehört. Keiner hat die Unschuldsvermutung gewürdigt", sagte er vor Journalisten und machte diese für die Affäre verantwortlich. "In diesem Land wurden nach der Wende Milliarden gestohlen, aber Sie - die Medien - machen eine Affäre aus dem Resort Storchennest. Da hat keiner etwas geklaut! Da gab's keine Korruption! Es ist eine absurde Geschichte." Babiš war wegen der Ermittlungen unter Druck der Opposition geraten. Eine Anklage könnte zu seinem Rücktritt führen. 

Demonstrationen gegen Babis

Seit dem Frühjahr demonstrierten Tausende Menschen in Prag und anderen Städten gegen Andrej Babiš und seinen angeblichen Einfluss auf die Justiz. Zu einer der größten nach Praga-Letna kamen Ende Juni 250.000 Menschen. Weitere Demonstrationen plant die Organisation "Millionen Momente für die Demokratie" für den Herbst. Die größte soll am 16. November stattfinden - einen Tag vor dem 30-jährigen Jubiläum der Samtenen Revolution. Babiš bleibt trotz der Affäre und der Demonstrationen laut Umfragen der beliebteste Politiker in Tschechien.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 07. Juni 2019 | 17:45 Uhr

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