Abtreibungsgesetz Polen: Gewalt bei Massendemonstration in Warschau

30. Oktober 2020, 23:20 Uhr

Beim bislang größten Protest gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts in Polen ist es am Freitag zu Übergriffen durch maskierte Täter gekommen. Präsident Andrzej Duda plant indes einen neuen Gesetzentwurf, der die Lage im Land deeskalieren soll.

Menschen demonstrieren in der Innenstadt gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts in Polen.
Die Stimmung in Polen ist aufgeheizt. Bei der Demonstration in Warschau warfen maskierte Täter Feuerwehrkskörper in die Menge. Bildrechte: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland. | Leszek Szymanski

In der polnischen Hauptstadt Warschau haben am Freitagabend die größten Demonstrationen seit der Verschärfung des Abtreibungsverbots vor gut einer Woche stattgefunden. Nach Angaben der Stadt Warschau waren gegen 21:30 Uhr rund 100.000 Demonstranten auf den Straßen. Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski, der sich selbst unter die Demonstrierenden mischte, berichtete auf seinem Facebook-Kanal von "unzählbaren Menschenmassen". Das Ausmaß der Proteste ist auf Drohnenaufnahmen gut sichtbar, die auf Twitter veröffentlicht wurden.

Insgesamt bewegten sich drei Protestzüge durch die Hauptverkehrsadern der Stadt. An mehreren Standorten kam es dabei zu gewalttätigen Übergriffen durch maskierte Täter. Die Angreifer warfen unter anderem Feuerwerkskörper in die Menschenmassen hinein. Nach Angaben der Polizei wurden mehr als 30 mutmaßliche Täter festgenommen. Dabei seien Schlagstöcke, Reizgas und größere Mengen pyrotechnisches Material sichergestellt worden.

Protestiert wurde auch in anderen Städten des Landes, sowohl Großstädten wie Krakau, Breslau oder Danzig, als auch unzähligen kleineren und mittleren Orten.

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Gewalt bei Demonstration in Wrocław (Breslau)

In den vergangenen Tagen waren bereits jeweils Zehntausende in mehreren Städten des Landes gegen das umstrittene Gerichtsurteil auf die Straße gegangen, das ein fast vollständiges Abtreibungsverbot zur Folge hat. Koordiniert werden die Proteste vom losen Zusammenschluss verschiedener Frauenrechtsorganisationen "Strajk Kobiet" (Frauenstreik). Anfang der Woche war es in Breslau und Bialystok bereits zu gewaltvollen Auseinandersetzungen von Protestierenden und rechten Fußballfans gekommen. Eine Gruppe schwarz vermummter Männer hatte den friedlichen Protest mit Feuerwerkskörpern und rechten Parolen angegriffen. Die Bilder verbreiteten sich durch soziale Medien.

Frauen protestieren gegen ein neues Abtreibungsgesetz der polnischen Regierung in Warschau.
Protest mit Abstand ist kaum möglich, der Zorn vieler Polinnen gegen beschränktes Selbstbestimmungsrecht ist groß. Bildrechte: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland. | Radek Pietruszka

Bei den bisherigen Demonstrationen wurde deutlicher Unmut über die nationalistisch-konservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) laut. Kritiker des Urteils machen die PiS und die in Polen mächtige katholische Kirche für die Entscheidung verantwortlich. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte am Donnerstag ein Ende der Massenproteste: Sie drohten die Corona-Pandemie weiter zu befeuern und so die ältere Bevölkerung zu gefährden, erklärte er zur Begründung.

Jaroslaw Kaczynski während einer Ansprache.
Der Chef der regierenden PiS-Partei, Jarosław Kaczyński, hat sich auf Facebook an seine Anhänger gewendet und fordert sie auf, Kirchen in Polen vor den Demonstranten zu verteidigen. Bildrechte: imago images/Eastnews

Schlichtungsversuch? Duda schlägt ein neues Gesetz vor

Der polnische Präsident Andrzej Duda will unterdessen einen Kompromiss zur Abtreibung vorlegen. Auf dem offiziellen Profil der Präsidentschaftskanzlei erschien heute eine Erklärung: "Nach Beratungen habe ich beschlossen, dem Sejm einen Entwurf zur Änderung des Gesetzes über 'Familienplanung, Schutz des menschlichen Fötus und Abtreibung' vorzulegen", heißt es auf der Internetseite. 

Das polnische Verfassungsgericht hatte am Donnerstag vergangener Woche Schwangerschaftsabbrüche bei Fehlbildungen des Fötus verboten. Dies war bisher die häufigste Indikation für einen legalen Schwangerschaftsabbruch. Jetzt ist Abtreibung nur noch nach einer Vergewaltigung, bei Inzest oder wenn die Gesundheit der Schwangeren gefährdet ist, erlaubt.

(dpa/tvn24/adg/baz)

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 31. Oktober 2020 | 07:20 Uhr

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