Vor 30 Jahren: Ausreise der Prager Botschaftsflüchtlinge Die Botschaft von Prag: Nie vergessen!

28. September 2019, 05:00 Uhr

Rudolf Seiters, damals Chef des Kanzleramtes und Minister für besondere Aufgaben, verhandelte im September 1989 mit der DDR über eine Ausreise der Prager Botschaftsflüchtlinge. Am 30. September war es dann endlich geschafft: die DDR gab ihr Einverständnis. Seiters reiste gemeinsam mit Außenminister Hans-Dietrich Genscher umgehend nach Prag, um den Flüchtlingen die erlösende Botschaft zu überbringen. - Für "Heute im Osten" hat Rudolf Seiters einen Gastbeitrag verfasst.

Ich vergesse nie den Jubel der 5.000 DDR-Flüchtlinge in der Prager Botschaft, als Hans-Dietrich Genscher und ich auf den Balkon des Palais Lobkowitz traten und der Außenminister sagte: "Wir sind heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Ausreise heute…"

In Prag wurde der erste Stein aus der Mauer gebrochen

Wochenlang hatten wir verhandelt. Ich war überzeugt, dass die DDR nicht wollen könnte, dass die für sie so beschämenden Bilder aus Prag die Feierlichkeiten zum 40. Jubiläum der Staatsgründung der DDR überschatten würden. So erhielt ich zusammen mit Genscher am 30. September 1989 in meinem Büro im Kanzleramt die erlösende Nachricht, dass die DDR der Ausreise der Flüchtlinge nunmehr zustimmen werde. In Prag wurde der erste Stein aus der Mauer gebrochen.

Die Menschen im Osten haben die deutsche Einheit möglich gemacht

Es gibt in Ostdeutschland viele blühende Landschaften. Dennoch gibt es Probleme: in entlegenen Regionen durch den Bevölkerungsrückgang; man sagt: Die Menschen fühlten sich mit ihrer Lebensleistung nicht ausreichend gewürdigt; dabei wissen wir doch, dass ohne ihren Widerstand, ohne ihre großen friedlichen Demonstrationen die Wiedervereinigung nicht zustande gekommen wäre; Sorgen beim Thema Flüchtlingszustrom, Sicherheit und Kriminalität. Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen. Aber für Fremdenfeindlichkeit, Hass und Extremismus darf in Deutschland kein Platz sein. Die Menschen im Osten Deutschlands haben die Diktatur überwunden, sie werden auch Fremdenfeindlichkeit und Rassismus nicht zulassen.

Der CDU-Politiker Rudolf Seiters war unter Bundeskanzler Helmut Kohl von 1989 bis 1991 Chef des Kanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben. 1991 übernahm er das Amt des Bundesministers des Innern, vom dem er 1993 zurücktrat. Von 1998 bis 2002 war Rudolf Seiters Bundestagsvizepräsident und von 2003 bis 2017 Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Den Auftritt in der Prager Botschaft an der Seite von Hans-Dietrich Genscher zählt Rudolf Seiters zu den emotionalsten Momenten seines Lebens.

Rudolf Seiters und Hans-Dietrich Genscher
20 Jahre nach dem historischen Ereignis: Rudolf Seiters und Hans-Dietrich Genscher im September 2009 auf dem Balkon der bundesdeutschen Botschaft in Prag. Bildrechte: imago/CTK Photo

Über dieses Thema berichtet der MDR im TV in "Heute im Osten" 28.09.2019 | 18:00 Uhr

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