Russland-Ukraine-Krieg Gas gegen Rubel – das steckt hinter Putins Plan

24. März 2022, 17:25 Uhr

Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, dass Russland sich künftig Gaslieferungen an "unfreundliche Staaten" in Rubel bezahlen lassen wird. Was steckt hinter diesem Schritt? Warum will Putin Rubel statt Dollar? Geht Deutschland darauf ein oder dreht Russland den Gashahn zu? Wir haben dazu den Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Aaron Sahr befragt.

Für Gaslieferungen aus Russland sollen Deutschland und andere EU-Staaten künftig in Rubel bezahlen. Das kündigte der russische Präsident Wladimir Putin am Mittwoch an. Eine Bezahlung russischer Waren in Devisen habe ihren Sinn verloren. Die Lieferungen würden weiter in vollem Umfang gewährleistet.

Putin betonte, dass es sich um eine Reaktion auf das Einfrieren russischer Vermögenswerte im Westen handle. Betroffen sind Länder auf Russlands schwarzer Liste "unfreundlicher Staaten". Dazu gehören Deutschland und alle anderen EU-Staaten, aber auch die USA, Kanada und Großbritannien.

Bundesregierung sieht Vertragsbruch

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bewertete Putins Schritt in einer ersten Stellungnahme als Verstoß gegen die privaten Verträge zwischen den Energie-Unternehmen zu Gaslieferungen, da diese in der Regel in Euro abgewickelt würden. Man prüfe das jetzt und stimme sich auch mit EU-Partnern ab.

Was steckt hinter dem Schritt?

Der Ökonom und Soziologe Aaron Sahr, der unter anderem Geld und monetäre Fragen erforscht, sagte MDR AKTUELL, in erster Linie versuche Putin damit die schwer unter Druck geratene russische Währung Rubel zu stützen.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat ja ein Bekenntnis zum russischen Gas abgegeben. Wenn das nun mit Rubel bezahlt werden muss, stützen wir den Rubel.

Wirtschaftssoziologe Aaron Sahr

Deutschland müsse also Rubel mit Euro kaufen, erklärt Sahr, um damit das Gas zu bezahlen. Das sei ein durchaus "cleverer Schachzug" von Putin, um die Finanzsanktionen auszuhebeln.

Wie kommt Deutschland an Rubel?

Deutschland muss sich Rubel bei der russischen Zentralbank kaufen. Das verstößt eigentlich gegen die westlichen Finanzsanktionen. Putin versucht nun offenbar, ein Ende der Finanzblockade zu erzwingen.

Nach Auffassung von Sahr lässt Putin jetzt praktisch Deutschland die Arbeit der russischen Zentralbank machen: den Kurs des Rubel stabilisieren. Er könnte uns so lange keine Rubel verkaufen, wie die russischen Konten bei uns eingefroren sind. Andererseit wolle Putin ja, dass der Westen Rubel kauft.

Welche Auswirkungen hat das auf den Gaspreis in Deutschland?

Sahr erwartet jetzt einen schnellen Anstieg der Preise für sogenannte Gas-Futures. Diese Preise im Gas-Terminhandel seien ein Indikator für künftige Preisanstiege. Der Gaspreis werde wohl nochmal deutlich zulegen. Das könnte schon nächste Woche der Fall sein, wenn man dann seinen Gastank auffüllen wolle.

Wenn Sie nächste Woche ihren Gastank auffüllen wollen, könnte es direkt teurer werden.

Aaron Sahr

Was passiert, wenn Deutschland nicht in Rubel zahlt?

Dann rechnet Sahr, unter anderem Leiter der Forschungsgruppe "Monetäre Souveränität" am Hamburger Institut für Sozialforschung, mit einem Stopp der Lieferungen durch Russland.

Könnte der Schritt des Kreml die Entscheidung für ein komplettes Energie-Embargo gegen Russland beschleunigen?

Das ist aus Sicht von Sahr schwer zu beurteilen. Er glaube nicht an ein komplettes Energieembargo, sagte er MDR AKTUELL, so kurz nach dem Bekenntnis von Kanzler Scholz zu Gas- und Ölimporten aus Russland.

Die deutsche Gaswirtschaft reagierte besorgt und zeigt sich "irritiert". Welche Auswirkungen das auf den Gashandel konkret haben werde, könne man derzeit noch nicht abschätzen, hieß es.

Warum will Putin Rubel und keine Euro oder Dollar?

Trotz der Angriffskriegs in der Ukraine kaufen Deutschland und andere europäische Länder weiter in großem Stil russisches Öl und Gas. Die Energielieferungen sind von den EU-Sanktionen ausgenommen.

Die Forderung zum Stopp der Gas- und Ölimporte aus Russland, um nicht weiter Putins Krieg zu finanzieren, ist umstritten. Einige Ökonomen argumentieren: Die laufenden Ausgaben für den Krieg würden nicht mit Devisen, sondern vor allem in Rubel gezahlt – für Sold sowie Waffen und Munition, die fast ausschließlich in Russland produziert werden. Zwar könnte die russische Zentralbank theoretisch unbegrenzt Rubel drucken, oder Putin könnte seine Einnahmen etwa über Steuererhöhungen steigern, doch dann droht eine Inflation mit großen Verwerfungen im Land.

Andere Experten verweisen darauf, dass sich der Rubel trotz umfangreicher Sanktionen gegen die russische Notenbank zuletzt stabilisiert hat – dank der Deviseneinnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft. Denn russische Gas- und Ölfirmen müssen den Großteil ihrer Euro- und Dollareinnahmen sofort in Rubel tauschen. Damit stützen sie die russische Währung bereits – wie es die Zentralbank am Devisenmarkt machen würde, aber wegen der Sanktionen derzeit nicht kann.

AFP,MDR(ans)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR RADIO | 23. März 2022 | 16:00 Uhr

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