Energiewende Warum die Slowaken statt auf Kohle auf Kernenergie setzen
Hauptinhalt
Die Slowakei will ihren Kohleausstieg vorverlegen. Statt wie geplant 2030 will das Land bereits 2023 alle Kohlekraftwerke stilllegen. Parallel sucht die Regierung bereits Jobalternativen für die Arbeiter in der Kohleindustrie. Künftig soll auf ehemaligen Gruben Gemüse angebaut werden. Ganz so "grün", wie der Plan klingt, ist er aber nicht. Denn gleichzeitig baut die Slowakei ihre Atomkraftwerk Mochovce aus.
Schon 2023 stellt die slowakische Regierung die Kohle-Subventionen ein. Und das bedeutet, dass das Ende des slowakischen Kohleabbaus sieben Jahre früher als gedacht kommt. Denn die Kohleförderung rechnet sich finanziell nur mit Millionenzuschüssen aus dem Staatshaushalt. Die will die Regierung lieber in nachhaltige Projekte stecken, um internationale Klimaziele zu erfüllen.
Tomaten statt Kohle
Das Bergwerksunternehmen HBP in der Region Novaky baut längst vor: Seit zehn Jahren pflanzt es auf dem Betriebsgelände Tomaten an und ist nach eigenen Angaben der zweitgrößte Tomatenproduzent des Landes. Auch eine Forellenzucht gilt als gute zusätzliche Einnahmequellen für die Zeit nach der Kohle.
Wo der Strom künftig herkommen soll
Doch wie soll das Land seinen Strombedarf decken, wenn die letzten Gruben schließen? Wind- und Solarkraftanlagen gibt es im Land nur wenige. Atomstrom sichert jetzt schon 55% Prozent des slowakischen Bedarfs. Dieser Anteil soll wachsen – auch weil die Slowaken mit Kernkraft ihren CO2-Ausstoß verringern wollen.
Nur 60 Kilometer von der Kohleregion Novaky liegt das AKW Mochovce. Es ist eines von zwei AKWs in dem kleinen Land. Und Mochovce soll um zwei weitere Blöcke erweitert werden. Für den Bürgermeister der Gemeinde Ladislav Ehn bedeutet das Kraftwerk, das bereits seit 1998 am Netz ist, Steuern und Arbeit. Kernkraft ist hier Alltag und beeindruckt die Menschen nur wenig. "Angst zu haben, ist natürlich menschlich. Das ist wie beim Autofahren, trotzdem fahren wir damit. Wir wohnen hier, wir wissen, es gibt eine mögliche Gefahr. Aber wir wissen, dass der, der da fährt, verantwortlich unterwegs ist, so dass der Unfall unwahrscheinlich ist." Mit dieser Meinung steht der Bürgermeister der Gemeinde des AKW nicht alleine da, die Mehrheit der Slowaken befürwortet die Atomenergie.
Baumängel sorgen für Angst auf österreichischer Seite
Kritik kommt vor allem aus dem benachbarten Österreich. Das AKW in Mochovce basiert noch auf sowjetischen Bauplänen. Umweltschützer kritisieren seit Jahren die veraltete Technik und Pfusch am Bau. Vor allem die Österreicher bezweifeln den sicheren Ausbau des Kraftwerks. Wegen neuer Informationen über Baumängel und unsachgemäße Installationen fordert Österreich eine unabhängige Inspektion der Anlage und begrüßte im Frühjahr 2019 eine erneute Verschiebung der Eröffnung der neuen Blöcke.
Die zuständige Atomaufsicht in Bratislava hingegen hält die Mängel für Stimmungsmache. Marta Ziakova ist Direktorin der Slowakischen Kernkraftaufsichtsbehörde und hält die Informationen für nicht aussagekräftig: "Im Prinzip sind die fotografierten Fehler, falls sie überhaupt identifizierbar sind, nicht so, dass man sie nicht beseitigen könnte. Zum Beispiel eine fehlerhafte Verbindung eines Kabels an einem Gerät."
Die Mängelliste ist lang, noch immer werden die Fehler behoben. Schon 2012 sollten die neuen Blöcke ans Netz, seither wird die Inbetriebnahme jährlich verschoben. In diesem Herbst sollen nun Experten der internationalen Atomenergieorganisation das KKW überprüfen.
Für den Bürgermeister von Kalná nad Hronem, Ladislav Ehn, stellt das AKW Mochovce kein Risiko dar. Für ihn lässt sich aus Alt ganz einfach Neu machen und er vergleicht das Kernkraftwerk seiner Gemeinde gerne mit seinem Arbeitsplatz: "Das Gemeindeamt ist mehr als 60 Jahre alt. Wir haben es renoviert, die Isolierung erneuert und es dient seinem Zweck perfekt."
MDR AKTUELL RADIO | 10. August 2019 | 07:40Uhr