Kernenergie Umstrittene Atomkraftwerke in Osteuropa

14. August 2019, 14:54 Uhr

Die Nutzung von Atomenergie ist umstritten. Deutschland steigt aus der Kernenergie aus, anders ist das in Osteuropa. Hier denken viele Staaten gar nicht daran, ihre Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen. Dabei stammen viele Kraftwerke noch aus der Zeit des Sozialismus. Dazu zählen etwa Anlagen in Tschechien und der Slowakei. Welche Atomkraftwerke im Osten Europas betrieben werden – hier eine Auswahl wichtiger Anlagen.

Ungarn: AKW Paks

In dem kleinen Städtchen Paks existiert seit Mitte der 1980er-Jahre das einzige AKW Ungarns mit insgesamt vier Reaktoren sowjetischer Bauart. Bis Mitte der 2030er-Jahre sollen sie noch am Netz sein. Ab 2020 will der russische Staatskonzern Rosneft das AKW Paks II mit zwei Reaktorblöcken erreichten. Ab 2020 will der russische Staatskonzern Rosneft das AKW Paks II mit zwei Reaktorblöcken errichten. Ministerpräsident Orban betont stets unmissverständlich, dass Ungarn nicht auf Kernenergie verzichten werde.

Tschechien: AKW Temelín

Das AKW Temelín liegt in der Region Südböhmen. Es ist, ungeachtet von Protesten vor allem aus Österreich, 2003 in Betrieb gegangen. Es ist das größte AKW Tschechiens. 2015 traten wegen eines defekten Reaktordeckels 1500 Liter Kühlwasser aus. In der Folge wurden geringfügig erhöhte Radioaktivitätswerte gemessen. Umweltschützer kritisieren das Kernkraftwerk als störanfällig und gefährlich – auch wegen der veralteten Reaktoren sowjetischer Bauart. Tschechien will jedoch prinzipiell an der Kernkraft festhalten.

Slowakei: Kernkraftwerk Mochovce

Das Kernkraftwerk im slowakischen Städtchen Mochovce, knapp 120 Kilometer von Bratislava entfernt, gilt als eines der gefährlichsten Atomkraftwerke Europas. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) spricht gar von einem "Schrott-AKW". Geplant in den 1970er-Jahren, begann der Bau von vier bereits damals veralteten Reaktoren sowjetischen Typs im Jahr 1985. Zwei Blöcke gingen 1998/1999 ans Netz, die beiden anderen Reaktoren blieben vorerst Bauruinen. Störfälle im AKW Mochovce waren an der Tagesordnung.

Trotz massiver Proteste von Umweltschützern und der österreichischen Regierung wurden 2008 die Arbeiten an den beiden unvollendeten Reaktoren aus den 1970er-Jahren wieder aufgenommen. Die Bauarbeiten waren von zahllosen Unfällen und Problemen begleitet. Die slowakische Regierung lehnte eine vollständige Offenlegung der technischen Daten der beiden neuen Reaktorblöcke ab. 2020 sollen die beiden Reaktoren schließlich Strom liefern.

Polen: AKW Zarnowiec   

Polen ist eines der wenigen ehemaligen sozialistischen Länder, das bis heute kein Atomkraftwerk hat. Dabei wurde 1982 der Bau eines Atomkraftwerkes in Zarnowiec, einem Dorf etwa 50 Kilometer nordwestlich von Danzig, begonnen. Doch dann ereignete sich die Katastrophe von Tschernobyl und drei Jahre später kam die politische Wende in Polen dazwischen: Das Projekt scheiterte an den Protesten der besorgten Bevölkerung. 2018 gab die polnische Regierung bekannt, dass das Land seinen zusätzlichen Energiebedarf ab 2033 unter anderem mit Atomstrom decken wolle. Als einen möglichen Standort für ein AKW nannte die Regierung Zarnowiec. Dort steht noch die Bauruine des 1982 begonnenen Atomkraftwerks. Nennenswerte Proteste gegen den Einstieg in die Kernenergie gibt es in Polen derzeit nicht.

Slowenien: AKW Krsko

Ein 1981 in Betrieb genommener Reaktor in Krsko produziert derzeit etwa 40 Prozent des slowenischen Strombedarfs. In den 1990er-Jahren beschloss Slowenien einen langfristigen Ausstieg aus der Atomenergie, zehn Jahre später aber wurde dann aber doch ein Ausbau der Kernenergie beschlossen. Der Reaktor in Krsko soll nun entweder ausgebaut werden oder aber noch wenigstens 20 Jahre in Betrieb bleiben. Gegen diese Pläne gibt es scharfe Proteste von Umweltorganisationen, denn die Liste der Störfälle im AKW Krsko ist beträchtlich. 2008 wurde nach einer Panne sogar europaweiter Alarm ausgelöst. In Slowenien soll die Kernkraft auch weiterhin eine bedeutende Rolle spielen. 

Bulgarien: AKW Kosloduj und Belene

Das an der Donau gelegene Kernkraftwerk Kosloduj ist seit 1974 in Betrieb. Das einzige AKW Bulgariens deckte einstmals 44 Prozent des bulgarischen Strombedarfs. Als Bedingung für einen EU-Beitritt mussten vier der sechs Reaktoren (allesamt sowjetischer Bauart) wegen gravierender Sicherheitsmängel abgeschaltet werden. Derzeit erzeugen noch zwei generalüberholte Reaktoren 35 Prozent des bulgarischen Stroms. Die beiden Reaktoren dürfen noch etwa 30 Jahre am Netz bleiben. Es gibt aber auch Ideen für den Bau eines neuen Reaktors: Kosloduj 7. Im AKW Kosloduj ereigneten sich in den letzten zwei Jahrzehnten einige Störfälle.

Seit 1981 gibt es Pläne für ein zweites AKW in Bulgarien - in Belene. Mit dem Fall des Kommunismus wurde das Projekt zunächst auf Eis gelegt, 2006 aber wieder reaktiviert. Wegen zu hoher Kosten und wachsenden Drucks aus Brüssel und Washington sollte das Projekt 2012 endgültig begraben werden. Sieben Jahre später aber, im Frühjahr 2019, legte die bulgarische Regierung die AKW-Pläne in Belene neu auf – Russlands Staatskonzern Rosatom hatte Interesse bekundet, in das Projekt einzusteigen. Trotz großer Proteste aus der Bevölkerung soll das AKW Belene, in das bereits mehr als eine Milliarde Euro geflossen sind, nun gebaut werden. Die bulgarische Regierung hält auch weiterhin an der Kernkraft fest.

Belarus: AKW bei Ostrowez

Ein belarussisches AKW war bereits in den späten 1980er-Jahren geplant. Nach der Reaktorkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl, unter dessen Folgen Belarus noch heute zu leiden hat, wurde auf die Errichtung eines AKW verzichtet. 2011 aber unterzeichneten Russland und Belarus einen Vertrag über die Errichtung eines belarussischen AKW nahe der Stadt Ostrowez. Proteste von Umweltschützern aus dem In- und Ausland, die betonten, Belarus solle auf erneuerbare Energien setzen, wurden ignoriert. Dieses AKW wird sicherer sein als das in Fukushima, versicherte der russische Präsident Wladimir Putin bei der Vertragsunterzeichnung. 2013 begannen die Arbeiten an den zwei Druckwasserreaktoren. Die russische Firma Atomstroiexport, eine Tochter des staatlichen russischen Nuklearkonzerns Rosatom, errichtet das AKW. Russland stellt Belarus die rund zehn Milliarden Dollar Baukosten als Kredit zur Verfügung. Die Inbetriebnahme des AKW "Belarus" ist für 2019/2020 geplant.

Ukraine: AKW Saporischschja

Das Kernkraftwerk Saporischschja mit seinen insgesamt sechs Reaktorblöcken gilt als das leistungsstärkste AKW Europas. Seit Mitte der 1980er-Jahre ist das nahe der Stadt Enerhodar im Südosten der Ukraine gelegene AKW in Betrieb und versorgt bis heute beinahe den gesamten Süden der Ukraine mit Strom. Die Reaktoren sind zwar weitaus moderner als die in den 1960er-Jahren entwickelten Reaktoren, die in Tschernobyl zum Einsatz kamen, dennoch wurden wiederholt Störungen gemeldet. Allein aufgrund ihres Alters, so die Meinung von Greenpeace, gehe von den Reaktoren ein beträchtliches Risiko aus.

Russland: AKW Akademik Lomonossow

Auch Russland setzt weiter ungebrochen auf Kernenergie. Neuestes Prestige-Projekt Moskaus: das schwimmende AKW. An Bord der etwa 150 Meter langen und 30 Meter breiten "Akademik Lomonossow" befinden sich zwei Druckwasserreaktoren, die Ende März 2019 zum ersten Mal hochgefahren wurden. Das schwimmende Kraftwerk soll ab Dezember 2019 die Stadt Pewek im äußersten Nordosten Russlands mit Strom versorgen. Russland hat eine ganze Flotte von schwimmenden Atomkraftwerken geplant. Umweltexperten warnen allerdings vor unkalkulierbaren Risiken. Von einem möglichen "Tschernobyl auf dem Wasser" spricht etwa Greenpeace.

Schwimmendes AKW
Das schwimmende AKW "Akademik Lomonossow" bei seiner Präsentation im Hafen von Murmansk. Bildrechte: MDR/Rosatom

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Mi 19.06.2019 14:54Uhr 00:10 min

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 16. August 2019 | 17:45 Uhr

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