Billigkonkurrenz Polen und Ungarn stoppen Getreide-Importe aus der Ukraine

16. April 2023, 20:08 Uhr

Nach Polen hat auch Ungarn den Import von Getreide und anderen Agrarprodukten aus der Ukraine vorläufig gestoppt. Die beiden mitteleuropäischen Länder wollen damit ihre Landwirtschaften vor zollfreier Billigkonkurrenz aus dem Kriegsland schützen. Zuvor hatte bereits die Slowakei einen Importstopp wegen angeblicher Pestizidbelastung verhängt. Die EU kritisierte den Einfuhrstopp als nicht zulässig.

Zum Schutz der eigenen Landwirtschaft hat nach Polen und der Slowakei auch Ungarn die Einfuhr von Getreide und anderen Nahrungsmitteln aus der Ukraine ausgesetzt. Das Landwirtschaftsministerium in Budapest erklärte in der Nacht zum Sonntag, das Einfuhrverbot beziehe sich auf Getreide, Ölsaaten und andere Landwirtschaftsprodukte aus der Ukraine. Es solle vorerst bis zum 30. Juni in Kraft bleiben. Bis dahin erwarte man eine EU-weite Lösung.

Nach Darstellung des ungarischen Agrarministeriums werden ukrainische Produkte aufgrund von Herstellungsverfahren, die in der EU nicht mehr zulässig sind, und auch aufgrund ihrer Zollfreiheit in der EU zu derart billigen Preisen angeboten, dass sie die Marktverhältnisse in Ungarn und anderen mitteleuropäischen Ländern verzerren.

EU kritisiert Importstopp

Die Europäische Union hat den von Polen und Ungarn beschlossenen Einfuhrstopp von ukrainischem Getreide kritisiert. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme, einseitige Handelsmaßnahmen von EU-Mitgliedsstaaten seien nicht zulässig. Die Handelspolitik falle in die ausschließliche Zuständigkeit der EU. Einseitige Maßnahmen seien daher nicht akzeptabel. Gerade in herausfordernden Zeiten sei es wichtig, Entscheidungen innerhalb der EU zu koordinieren.

Polen will Landwirtschaft schützen

Am Samstag hatte bereits Polen mit einer ähnlichen Begründung die Einfuhr von Getreide, Zucker, Fleisch, Obst, Gemüse, Milch, Eiern und weitere Nahrungsmitteln aus der Ukraine verboten. Der Chef der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, begründete den Schritt damit, dass man die polnische Landwirtschaft schützen müsse, um eine "tiefgreifende Krise" zu verhindern. In Polen waren zuletzt die Bauern auf die Barrikaden gegangen und hatten für den Rücktritt des Landwirtschaftsministers gesorgt.

Ukraine-Getreide sorgt für volle Silos

Hintergrund der Importverbote ist die Tatsache, dass aufgrund des Ukraine-Krieges weniger landwirtschaftliche Produkte aus der Ukraine auf dem Seeweg exportiert werden. Stattdessen gelangt besonders viel Getreide auf dem Landweg in europäische Nachbarländer. Obwohl die Agrargüter eigentlich in andere Länder weiter exportiert werden sollen, verbleiben sie oft in den Nachbarstaaten und sorgen dort für volle Silos und deutlich sinkende Preise.

Die Slowakei hatte bereits am Freitag den Verkauf von ukrainischem Weizen als Lebensmittel und Tierfutter untersagt, sich dabei allerdings auf die mutmaßliche Pestizid-Haltigkeit des ukrainischen Weizens berufen. Auch Rumäniens Bauern klagen seit Wochen über die Billigkonkurrenz aus der Ukraine.

Solidaritätskorridore der EU

EU-Solidaritätskorridore für die Ukraine
EU-Solidaritätskorridore für die Ukraine. Bildrechte: EU-Kommission

Im vergangenen Jahr hatte die EU-Kommission sogenannte Solidaritätskorridore eingerichtet, um der Ukraine mit alternativen Routen für ihre Agrarexporte zu helfen. Trotz zunehmendem Frust der Bauern in den Nachbarländern der Ukraine hat die EU-Verkehrskommissarin Adina Valean die Korridore gegen die Kritik verteidigt. Die rumänische Politikerin sagte MDR AKTUELL, die Wege seien eine "Win-Win-Wirtschaftspartnerschaft für die EU und die Ukraine".

Bereits im vergangenen Monat hatten die ukrainischen Nachbarländer die EU um Hilfe gebeten, um den Auswirkungen des billigen ukrainischen Getreides entgegenzuwirken.

Reuters, AFP, dpa (amu, dni)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 16. April 2023 | 06:30 Uhr

7 Kommentare

Roy10 am 17.04.2023

Ich finde es eine schande, für die EU, dass jedes land , wie zum besispiel Polen,Ungarn, Slowakaj tun und lassen können wie es Ihnen in den kram passt!
Die Europaische gemainschaft wird unter solchen umständen nicht mehr lange existieren !!!! Dan hat Vladimir erreicht was er wollte! Mal sehen zu welchen Bedingungen die Bauern in Europa dann Ihre Ware verscherbeln ! Und protestestierende werden im nu verschwinden ! Auf Wiedersehen in Sibirien!

Shantuma am 17.04.2023

Die Westukraine?

Bildungsarmes Deutschland ...
Es ist gerade die Zentra-, Süd- und Ostukraine, welche sehr fruchtbar ist und entsprechend groß sind, dies ergibt ein einfacher Blick auf Satellitenbilder!
Zur Not nimmt man sich einen Weltatlas noch zu Brust. Diercke gibt dabei auch ein verständliches Bild.

Harka2 am 16.04.2023

Nun ja, hier kommt die Geschichte zum Tragen. Die (West-)Ukraine hat die fruchtbarsten Böden und die großen Kolchosen der Urkraine sind natürlich wirtschaftlich den kleineren Betrieben in Polen und Ungarn überlegen. Polen protegierte ja immer die Kleinstbetriebe, was letztlich ihre Wirtschaftlichkeit ruinierte. Diese Orientierung auf Kleinbauern sichert der regierenden Partei zwar Wahlstimmen, ist wirtschaftlich aber nicht rentabel und das polnische Erbrecht verschärft die Sache zudem. Da wird der Grundbesitz immer unter allen Kindern aufgeteilt, was zu Feldern groß wie Gartenbeete führt. Moderne Großtechnik kann nicht eingesetzt werden.

Zwar werden nun auch in Polen viele Äcker billigst aufgekauft und zu größeren Nutzflächen zusammengelegt, nur gehören die so gut wie nie Polen und sie kommen dennoch nicht an die Größe ukrainischer Kolchosen heran.

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