Nach sechs Wochen im Amt Britische Premierministerin Liz Truss kündigt Rücktritt an

20. Oktober 2022, 20:34 Uhr

Nach nur rund sechs Wochen im Amt hat die britische Premierministerin Liz Truss ihren Rücktritt angekündigt. Bevor sie ihren Posten abgibt, soll zunächst ein Nachfolger für sie gefunden werden. Ihr Vorgänger Boris Johnson war drei Jahre Premierminister der Vereinigten Königreichs.

Die britische Premierministerin Liz Truss hat nach rund sechswöchiger Amtszeit ihren Rücktritt erklärt. Sie werde so lange im Amt bleiben, bis ein Nachfolger ernannt worden sei, sagte die konservative Politikerin am Donnerstag in London vor dem Amtssitz in der Downing Street. Dieser Prozess solle bereits innerhalb der kommenden Woche ablaufen, so die scheidende Regierungschefin. Die 47-Jährige habe bereits mit König Charles III. darüber gesprochen. Truss geht damit als Premierminister mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte des Königreichs ein.

Nachfolge für Truss gesucht

Bis Ende nächster Woche wollen die konservativen Tories einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin auserkoren haben. Einer kürzlich in Großbritannien durchgeführten YouGov-Umfrage zufolge hat der ehemalige Finanzminister Rishi Sunak die besten Zustimmungswerte unter den möglichen Nachfolgern. Auch der britische Ex-Premierminister Boris Johnson soll Berichten zufolge eine erneute Kandidatur für den Posten planen. Das berichteten die Zeitungen "Times" und "Telegraph" am Donnerstag unter Berufung auf nicht genannte Quelle.

Als kompetenter Einheitskandidat könnte sich auch der aktuelle Finanzminister Jeremy Hunt erweisen. Nach seinem Auftritt am Montag, bei dem der frühere Außen- und Gesundheitsminister das Steuerpaket von Truss fast vollständig gekippt hatte, wurde er von einigen schon als "De-facto"-Premier bezeichnet. Eine weitere Kandidatin ist Penny Mordaunt. 2019 wurde die Brexit-Befürworterin die erste britische Verteidigungsministerin.

Wirtschaftspolitik löste Chaos an den Finanzmärkten aus

Truss war erst seit dem 6. September im Amt. In ihrer Partei wuchs bereits Mitte September zunehmend der Unmut und Widerstand gegen sie. Die 47-jährige Nachfolgerin des skandalgeplagten Ex-Premier Boris Johnson war enorm unter Druck geraten, nachdem ihre Wirtschaftspolitik binnen weniger Tage ein beispielloses Chaos an den Finanzmärkten angerichtet hatte. Truss musste eine politische 180-Grad-Wende hinlegen und verlor innerhalb einer Woche zwei ihrer wichtigsten Minister, Kwasi Kwarteng als Finanzminister und Suella Braverman als Innenministerin.

Rund 24 Stunden vor ihrem Rücktritt hatte sie noch im britischen Unterhaus beteuert, nicht aufgeben zu wollen und "eine Kämpferin" zu sein. Am Donnerstag erklärte sie vor der Presse vor ihrem Regierungssitz in der Downingstreet in London: "Angesichts der Situation erkenne ich an, dass ich das mir von der konservativen Partei übertragene Mandat nicht erfüllen kann". Umfragen zufolge liegen die Konservativen etwa 30 Prozentpunkte hinter der oppositionellen Labour-Partei. Bei dem Forschungsinstitut YouGov ist Truss die unbeliebteste Regierungschefin seit dem Beginn der Erhebungen.

Rücktritt wirkt sich auf Börsen aus

Der angekündigte Rücktritt macht sich auch an der Wall Street und den Börsenkursen bemerkbar. Aus Verunsicherung über die künftige Entwicklung der britischen Wirtschaft halten sich Investoren mit Engagements zurück. Die Leitindizes Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 fielen zur Eröffnung am Donnerstag um bis zu 0,2 Prozent und stiegen danach um bis zu einen Prozent.

"Die Investoren sehnen sich wirklich nach einer gewissen Sicherheit", sagte Analystin Susannah Streeter vom Brokerhaus Hargreaves Landsdown. Diese sei aber nicht zu erwarten, bis ein Nachfolger von Premierministerin Liz Truss das Vertrauen in Großbritannien wieder herstellt, schrieb Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners.

Französischer Präsident Macron zeigt sich besorgt

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat nach der Rücktrittsankündigung der britischen Premierministerin Liz Truss Besorgnis über die politische Situation im Land zum Ausdruck gebracht. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, der Spannungen beim Thema Energie und noch größerer Krisen sei es wichtig, dass Großbritannien schnell wieder politische Stabilität erlange, sagte er am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels in Prag.

Zum Abschied von Truss sagte er: "Ich bin immer traurig, wenn Kollegen gehen." Er habe mit Truss stets sehr konstruktive Treffen gehabt, zuletzt beim Gipfel der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft in Prag.

reuters, dpa, AFP (kar)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 20. Oktober 2022 | 15:00 Uhr

Mehr aus Politik

Junge Menschen schwenken EU-Fahne und georgische Flaggen 1 min
Massenproteste um umstrittenes Gesetzesvorhaben in Georgien gehen weiter Bildrechte: AP
1 min 03.05.2024 | 16:46 Uhr

In Georgiens Hauptstadt Tiflis haben erneut Tausende gegen ein geplantes Gesetz protestiert. Die Demonstranten befürchten die Verfolgung politisch Andersdenkender und eine Gefährdung des EU-Beitritts.

Fr 03.05.2024 16:30Uhr 00:45 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/video-georgien-massenprotest-tiflis-gesetz-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video
Studenten demonstrieren für Solidarität mit Palästinensern 1 min
Bildrechte: mdr
1 min 02.05.2024 | 13:42 Uhr

In den USA spitzen sich die pro-palästinensischen Proteste weiter zu. An der New Yorker Columbia Universität gab es rund 300 Festnahmen. In Kalifornien wird die Räumung eines Protest-Camps vorbereitet.

Do 02.05.2024 13:02Uhr 00:49 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/politik/video-usa-universitaeten-proteste-pro-palaestina-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Mehr aus der Welt

Homepage "Reporter Ohne Grenzen" 1 min
"Reporter Ohne Grenzen" bewertet weltweite Lage zur Pressefreiheit Bildrechte: MDR
1 min 03.05.2024 | 17:02 Uhr

Die Pressefreiheit hat sich weltweit insbesondere im Umfeld von Wahlen weiter verschlechtert. Das geht aus einem Bericht von "Reporter ohne Grenzen" hervor. Deutschland ist im Rangking positiv nach oben geklettert.

Fr 03.05.2024 16:46Uhr 00:32 min

https://www.mdr.de/nachrichten/welt/panorama/video-pressefreiheit-verschlechtert-reporter-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video