Der Redakteur | 10.11.2023 Warum ist der Führerschein so teuer geworden?

12. November 2023, 12:55 Uhr

Vor wenigen Jahren kam man mit 1.500 Euro gut hin für einen Auto-Führerschein. Heute sind es 3.000 Euro und mehr. Nicht alles lässt sich mit Inflation und gestiegenen Kosten erklären. Woran liegt es dann?

Es sind viele Faktoren, die für die gestiegenen Gesamtkosten verantwortlich sind. Der ADAC hat in einer gerade veröffentlichten Erhebung der hauseigenen Markt- und Meinungsforschung ermittelt, dass der Pkw-Führerschein in den vergangenen sechs Monaten bei 21 Prozent (2019/2020: 48 Prozent) der Befragten unter 2.500 Euro gekostet hat, bei 46 Prozent (2019/2020: 34 Prozent) der Befragten 2.500 bis 3.500 Euro und bei sieben Prozent (2019/2020: sechs Prozent) sogar 4.500 Euro und mehr.

Der Ausschnitt aus der Erhebung zeigt deutlich: Es hat eine Verschiebung gegeben, aber nicht bei jedem einen Sprung. Ursachen für die gestiegenen Preise sind laut ADAC gestiegene Sprit-, Personal und Fahrzeuganschaffungskosten, aber auch die erklären den Preissprung und vor allem die Preisspanne nicht komplett.

Denn wer mehr als 4.500 Euro zahlt, hat ja das Fahren nicht auf einem Nobelhobel gelernt, sondern vielleicht im gleichen Auto wie der mit 2.500 Euro.

Welche Kosten sind gestiegen?

Es ist kein Geheimnis, dass wir aktuell bei den Spritpreisen und anderen Preisen - Stichwort Autowerkstatt - ein Niveau erreicht haben, das Firmen an ihre Kunden auch weitergeben. Fahrschulen müssen - wie andere Firmen auch - kalkulieren, sie stehen im Wettbewerb und kommen am Ende auf einen Preis X.

Der Kunde erwartet zu Recht, dass die Fahrzeuge in einem einwandfreien Zustand sind. Ich zahle aber für die Werkstattstunde je nach Fabrikat im Schnitt zwischen 170 und 220 Euro. Ohne Material!

André Schmidt Thüringer Fahrlehrerverband

Der Blick auf die einzelnen Bestandteile der Führerscheinrechnung zeigt, wo die Hauptkostenfaktoren liegen. Der Grundbetrag beträgt laut ADAC zwischen 350 und 565 Euro. Damit sind - sagt der Fahrlehrerverband - Theoriekurs und Verwaltung abgedeckt.

Beim Lernmaterial liegen wir um die 100 Euro, die Therorieprüfung kostet in der Summe zwischen 83 und 160 Euro, die praktische Prüfung summiert sich auf zumeist mehr als 300 Euro. Wobei ein Teil davon direkt an die Ämter und Prüfer durchgereicht wird. Hier lässt sich der Preissprung nicht erklären.

Schild "Fahrschule" auf dem Dach eines Autos 18 min
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18 min

im Interview: Andre Schmidt vom Fahrlehrerverband Thüringen.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Fr 10.11.2023 16:40Uhr 18:04 min

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Sonderfahrten sind generell teurer

Blicken wir also auf den größten Posten, die Fahrstunden selbst. Die Übungsfahrten, die Fahrlehrer André Schmidt mit dem Laufenlernen vergleicht, schlagen laut ADAC bundesweit mit 55 bis 77 Euro zu Buche. Wobei "eine Stunde" hier nur 45 min lang ist.

In Thüringen (Erfurt-Rieth) haben wir auch eine Fahrschule gefunden, die nur 40 Euro berechnet. In der Regel liegen die Thüringer Fahrschulen in dem vom ADAC genannten Bereich. Die Sonderfahrten, verglichen mit dem Erlernen von schnellem Laufen, Hüpfen, Springen, (es sind Überland-, Autobahn- und Nachtfahrten) kosten meistens etwas mehr, das ist aber laut ADAC in der Regel kein extremer Unterschied zur Übungsfahrt.

Und auch wenn wir durchschnittlich 60 Euro für 45 Minuten ansetzen und somit auf einen Stundensatz von 75 Euro kommen, liegen wir in einem Bereich, in dem auch viele Handwerker liegen. Mit dem Stundensatz kalkuliert dann die Fahrschule. Darin sind unter anderem Autokosten (Abschreibung, Werkstatt, Tüv), die Spritkosten und die Lohnkosten enthalten.

Der Unterschied zum Handwerker, der seine Spritkosten gern in eine Anfahrtpauschale von 5-20 Euro packt: Das Fahrschulauto steht nicht während der Arbeitsstunde. Das heißt, eine Fahrschul(dreiviertel)stunde, die 60 Euro kostet und in der 50 Kilometer gefahren werden, enthält bei einem Verbrauch von sieben Litern auf hundert Kilometern zu 1,80 Euro pro Liter alleine schon mal 6,30 Euro Spritkosten, die ein Handwerker so nicht hat.

Eine Fahrschülerin sitzt in einem Fahrschulauto neben ihrem Fahrlehrer.
Da geht's lang: Der Weg zum Führerschein kostet Zeit und Geld - und manchmal Nerven. Bildrechte: picture alliance / dpa | Armin Weigel

Grundsätzlich haben die verschiedenen "Zünfte" auch ganz unterschiedliche Kostenfaktoren, die sich am Ende im Stundensatz niederschlagen. Das fängt bei der banalen KFZ-Versicherung für das Dienstfahrzeug an. Ein Fahrschulwagen dürfte deutlich teurer sein mit all seinen Versicherungen als ein durchschnittlicher Transporter, auch können hier Nachzuschläge anfallen. Dagegen sind die weiteren Investitionskosten einer Fahrschule überschaubar, weshalb die Reaktionen aus der Handwerkerschaft zum Thema Fahrschulpreise auch kritisch ausfielen.

Wobei es auch wieder Handwerker gibt, die mit wenig Investitionen auskommen. Maler zum Beispiel. Im Gegensatz dazu gehören Tischler zu den Gewerken mit der kostenintensivsten Maschinen- und Werkzeugsammlung überhaupt. Auch diese Anschaffungs- und Wartungskosten sind aber Teil einer Kalkulation und letztlich des Stundensatzes. Hinzukommen unterschiedliche Konkurrenzsituationen. Die Fahrschulen konkurrieren maximal untereinander und haben eine natürlich nachwachsende Kundschaft, die irgendwann kommen "muss". Der Preisdruck von außen ist also eher gering.

Der Maler hat hingegen zusätzlich zu den Branchenkollegen den Heimwerker als "Konkurrent", ist er zu teurer, schwingt der Kunde den Pinsel selbst. Dem Tischler machen hingegen die Möbeldiscounter zu schaffen. Der Heizungsbauer hat dieses Problem nicht und den Vorteil, regelmäßig Wartungsarbeiten anbieten zu können. Die Liste ließe sich fortsetzen. Und am Ende muss jeder eine Kalkulation machen, in der Hoffnung, die Kunden sind bereit, die Summen auch zu zahlen.

Das Fachportal "Deutsche Handwerkszeitung" hat kürzlich all diese Kalkulationszwänge thematisiert, um klar zu machen, dass sich auch die 60 oder 70 Euro Stundenlohn niemand direkt in die Tasche steckt.

ADAC: Die Ausbildung dauert heute länger als früher

Bei der Dauer der Fahrausbildung haben wir den entscheidenden Kostentreiber entdeckt, der nur zum Teil den äußeren Umständen zugeschrieben werden kann. Laut ADAC sind das zum Beispiel die komplexer gewordenen Fahrsituationen. Vorgeschrieben sind nach dem individuellen "Laufenlernen" in sogenannten Übungsstunden eigentlich nur die zwölf Sonderfahrten für zusammen zum Beispiel 800 Euro.

Doch dabei bleibt es nicht, hat der ADAC ermittelt. Knapp ein Drittel der Fahrschüler heute braucht 30 zusätzliche Praxisstunden, wobei hier die erwähnten Übungsstunden ganz am Anfang mit dabei sind.

Fahrschüler bringen oft wenig Grundwissen mit

Aber mit der komplexer gewordenen Fahrsituation alleine lässt sich dieser gestiegene Lernbedarf auch nicht erklären. Komplex war es auch schon vor drei oder vier Jahren. Fahrlehrer André Schmidt macht da ganz andere Beobachtungen. Es fehlt bei einem großen Teil der Fahrschüler schlicht das Grundwissen.

Die ganz banale Kenntnis über die Funktion der zwei bis drei Pedale da unten ist schlicht nicht vorhanden, unter der Motorhaube befindet sich eine einzige Blackbox und der Fahralltag hat bisher nicht interessiert. Und mitunter fehlen auch die Sprachkenntnisse. Gelehrt wird auf Deutsch und wer verstehend lesen kann, ist im Vorteil. Wer Grundwissen hat, aber eben auch.

Wenn die Eltern mal ihre Kinder beobachten, die hinten rechts ins Auto steigen. Da gucken 90 Prozent auf ihr Smartphone. Früher haben sie nach vorn geschaut und den Tag herbeigesehnt, vorn links sitzen zu dürfen.

André Schmidt Thüringer Fahrlehrerverband

Wobei sich diese Beobachtung auch nicht verallgemeinern lässt, die Mopedschrauber vom Dorf gibt es heute auch noch und die, die schon halbwegs Auto fahren können, ebenso.

Einbisschen Interesse schadet nicht

Unterm Strich kommen die am günstigsten weg, die schon mit Vorkenntnissen vorsprechen. Das ist die Erfahrung der Fahrlehrer. Das heißt, es sind Fahrschüler, die es eben nicht als lästige Pflicht ansehen und "wegen des Jobs" den Führerschein machen "müssen". Und wer eine Fahrschule erwischt, die, wie die erwähnte Erfurter Fahrschule, nur 40 Euro die Fahrstunde kostet, der landet inklusive allen vom ADAC ermittelten Kosten bis hin zum Passfoto tatsächlich bei unter 2.000 Euro, wenn er gut ist.

Die Frage ist nur, ob das Stundenzählen so erstrebenswert ist. Die Fahrschulen müssen innerhalb weniger Stunden jemanden in den Stand versetzen, sicher Auto zu fahren und mit dem Verkehr klarzukommen. Es soll Menschen geben, die nach zehn Jahren Mathematikunterricht noch nicht einmal das kleine Einmaleins beherrschen, geschweige denn die Prozentrechnung.

Nicht jeder Fahrschüler lernt gleich gut

Der "Lehrplan" in der Fahrschule ist übrigens deutlich genauer definiert als der oft unverbindliche Rahmen in der Schule. Ausgebildet wird nach einem Fahraufgabenkatalog nebst elektronischer Lehrstanderfassung. Geradeausfahren, einfädeln, ausfädeln und so weiter bis zum Erfolg.

Und erst, wenn alles erfüllt ist, geht's zum nächsten Schritt. Das wären erst die Sonderfahrten und später die Prüfung. Und den gleichen Katalog hat auch der Prüfer. Und es lernt auch nicht jeder gleich gut. Situationen mit Überforderungen sind da eingeschlossen, man ist schließlich nicht alleine auf der Straße. André Schmidt hält es deswegen für unseriös bis gefährlich, wenn eine Fahrschule sozusagen versprechen würde, nach 25 Fahrstunden hat der Filius definitiv seinen Schein.

 Der frühe Vogel spart das Geld

Einen ersten großen Schritt zum Geldsparen können Eltern machen, wenn sie die erste Fahrschulstunde schon ins Kinderalter legen. Spätestens dann, wenn es um das Fahrradfahren geht und vielleicht in der Grundschule der Fahrradführschein gemacht wird.

Da könnte die "Fahrausbildung" beginnen und das grundsätzliche Interesse geweckt werden. Spielerisch versteht sich. Was könnte denn das lustige Schild bedeuten? Wer hat Vorfahrt? Rate mal, welchen Gang ich drin habe! Und warum müssen wir hier stehen bleiben?

Eigene Fahrversuche außerhalb privater und eingezäunter Flächen sind natürlich tabu, das kann richtig teuer werden, beziehungsweise den Fahrerlaubniserwerb um Jahre verschieben.

Vorfreude kann Geld sparen

Und trotzdem: Die Fahrschule ist einer von wenigen Orten, wo man mit ein paar Vorkenntnissen und ein bisschen Vorfreude richtig viel Geld sparen kann. Versuchen Sie das mal im Supermarkt. Unter den 21 Prozent, die eben "nur" 2.000 bis 2.500 Euro zahlen, dürften deshalb viele Talente sein. Die Mehrheit zahlt dann 3.000 oder gar 4.500 Euro und mehr.

Es gibt welche, die sind komplett dabei, die haben auch richtig Lust dazu. Denen fällt es auch leichter, die bekommen auch finanziell eine ganz andere Kurve hin als jemand, den das nicht interessiert.

André Schmidt Thüringer Fahrlehrerverband

Und noch etwas trägt vielleicht dazu bei, die Diskussion zu versachlichen: Die Wartelisten sind lang bei den Fahrschulen. Das heißt: Ob da jemand seine zwanzigste Fahrstunde macht oder seine zehnte, kann dem Fahrlehrer wirtschaftlich egal sein.

"Die Leute sind doch helle", sagt André Schmidt und sie würden mitbekommen, wenn der Fahrlehrer "Ehrenrunden" drehen lässt. Denn die Übungsstunde kostet besagte 60 Euro, egal, ob da ein "Dauerschüler" am Steuer sitzt oder der nächste von der Warteliste.

MDR (mm)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 10. November 2023 | 16:40 Uhr

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