Donnerstag, 27.05.2021: Narzissus und die Tulipan

"Narzissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide". Als Kind hatte ich keine Ahnung, was sich hinter dieser Formulierung verbirgt. "Salomonis Seide..." Vielleicht eine besondere Seidensorte? Narzissus und Tulipan stellte ich mir jedenfalls leuchtend und duftend vor, so wie die Osterglocken und Tulpen in unserem Garten.

Diese Zeile steckt in einem der bekanntesten Lieder von Paul Gerhardt. In: "Geh aus, mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerszeit". Strophenreich beschreibt Paul Gerhardt einen lustvollen Spaziergang durch Garten, Wiese, Wald und Feld. Mit großer Liebe zum Detail holt er beim Singen die Farben und Klänge, Düfte und Lüfte des Sommers hervor. Paul Gerhard hat heute Todestag. Vor 345 Jahren starb er. Ein Mann des 17. Jahrhunderts, der Krisen völlig anderen Ausmaße kennen lernte als wir: Den langen 30-jährigen Krieg, den frühern Tod seiner Eltern, seiner Frau und von mehreren Kindern, schwere Krankheiten und Seuchen wie die Pest, Zeiten von Entlassung und Armut. Mitten drin in all dem dichtete er vom Leben. Vom Blühen und Wachsen unter Gottes Schutz. Davon, wie Gott Leben gibt. Dichtete von seiner Hoffnung auf diesen Gott des Lebens. Verblüffend, seine Verankerung in christlichen Glauben!

Paul Gerhardt konnte über das "Hier und Jetzt" weit hinausschauen. In paradiesische Gärten, in göttliche Sphären. Dort holte er sich Kraft. Sein Blick reichte selbst in jenen himmlischen Garten, auf den er hoffte. So heißt es in Strophe zehn: "Welch hohe Lust, welch edler Schein wird wohl in Christi Garten sein! Wie muss es da wohl klingen!" Er singt sich selbst in eine Art Vorfreude hinein. Kritische Stimmen sprachen später von einer Vertröstung auf das Jenseits. Welche es durchaus gab im Christentum. Und doch bin ich beeindruckt. Sich so zu freuen an Narzissen und Tulpen, inmitten von Kriegen, Pestkranken und Gräbern – das muss man erstmal drauf haben! Noch heute stärken seine Lieder viele Menschen. Danke, Paul Gerhardt!

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Christine Rösch

Christine Rösch

Geboren am 28.09.1958 in Gotha | 1977 Abitur | Studium an der Bauhaus-Universität Weimar mit Abschluss als Dipl. Ing. für Gebiets- und Stadtplanung 1983 | danach tätig in der Altstadtsanierung und im Kirchenbau der Stadt Gotha | ab 1992 theologische Ausbildung | 1. und 2. Examen und Ordination | zunächst Pfarrstelle in Seebergen (Kreis Gotha) | ab 2002 Pastorin für allgemeinkirchliche Aufgaben der Landeskirche in der 1. Pfarrstelle des Diakonischen Werkes Thüringen | ab 2014 theologische Referentin im Landesverband der Diakonie Sachsen | wohnhaft in Radebeul

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.