Pfingstmontag, 24.05: Lieblingsfarben (gesprochen von Holger Treutmann)

Und was ist deine Lieblingsfarbe? Schon lange tauschen wir uns über unsere Vorlieben aus. Halb aus Langeweile, halb aus Neugier stellen wir uns immer neue Fragen. Lieblingstier, Lieblingsautomarke, Lieblingssport und eben auch Lieblingsfarbe. Meine war Blau. Dunkelblau allerdings. Also nicht so ein Himmelblau, auch kein Autobahnblau, sondern so ein richtig kräftiges dunkles Blau wie der Himmel an einem heißen Sommertag oder der neue VW Käfer unserer Lehrerin damals. Blau – sicher hat sich mein Geschmack und mein Interesse an Farben inzwischen geweitet; „blau, blau, blau sind auch nicht alle meine Kleider; und blau, blau, blau ist nicht alles, was ich hab‘“, aber meine dunkelblaue Jeans mag ich am liebsten, und manches blaue Hemd schmückt meinen Kleiderschrank. Auch stehen mir blaue Jacken oder dunkelblaue Anzüge recht gut. Blau ist die Farbe der Ferne, vielleicht auch die Farbe der Sehnsucht. Natürlich ist sie die Farbe des Himmels und weist auf die Ewigkeit. Sie kann aber auch mit dem Wunsch nach Distanz verbunden sein. In der christlichen Ikonografie ist sie die Marienfarbe und deutet ihre Nähe zu Gott an. Sie strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Goethe schreibt in seiner Farbenlehre, Blau habe auf das Auge eine „sonderbare und fast unaussprechliche Wirkung“. Die Farbe Blau ist „in ihrer höchsten Reinheit gleichsam ein reizendes Nichts“. Schon geheimnisvoll, was sich in der Farbe alles finden lässt!Trotzdem mag ich mich nicht festlegen lassen auf diese eine Farbe, auch wenn ich zugeben muss, dass ich eine Nähe zu Blau habe – bis heute.

Andere haben andere Farben, mit denen sie sich gern umgeben. Andere Menschen sind auch anders. Ihnen gefällt das Rot, weil sie kräftig und antriebsstark sind oder es sich wünschen. Oder das Grün – Zeichen der Hoffnung, wie wir sagen. Die Farbe der Natur und der Pflanzen, mit der sie aus Licht Energie gewinnen. Oder Gelb, die Farbe, die jeden tristen Raum heller macht. Oder lila, die Farbe der Exzentrik, nicht nur der letzte Versuch, sondern immer der Wunsch, die Dinge noch von einer anderen Seite zu betrachten. Also doch „bunt, bunt, bunt sind alle meine Kleider, bunt, bunt, bunt ist alles, was ich hab? Darum lieb ich, alles, was so bunt ist, weil mein Schatz ein Malermeister ist?“

Tatsächlich ist Gott ein Malermeister, finde ich. Alle die wunderbaren Farben in der Natur hat er geschaffen. Sie stammen alle aus dem einen großen Licht. Gerade wenn uns die Worte fehlen, um Gott zu beschreiben, wählen wir das Bild vom Licht. Und die Bibel tut es, und Jesus tut es, wenn er vom Göttlichen spricht. Und Gott selbst entäußert sich dadurch, dass er das Licht als erstes Werk in die Welt setzt. Und Gott sprach: Es werde Licht, und es ward Licht. Und mit dem Licht entfalten sich in der Schöpfung die verschiedenen Farben, genauso wie die Vielfalt der Lebewesen. Sie haben alle ihren Ursprung im Wesen des Schöpfers. Deshalb ist es klug, keine Farbe zu verachten, die eigene Farbe zu lieben, und der Vielfalt der Färbungen auf dieser Welt Raum zu geben. Es sind ja nicht nur die sechs Grundfarben im Farbkreis. Eine unüberschaubare Fülle von Schattierungen und Farbnuancen lassen sich finden.

Heute ist Pfingsten. Der zweite Feiertag des Heiligen Geistes. Pfingsten ist das Fest der Gemeinschaft.

Als die ersten Christusgläubigen nach dem Osterfest zusammenkommen, entsteht eine Gemeinschaft. Die Kirche. Wo Menschen sich in einem Sinne versammeln, da werden sie nicht nur von einem gemeinsamen Geist beflügelt. Wo Menschen zusammenkommen, da braucht es auch Regeln und Organisation. Wo Menschen zusammenkommen, da gibt es auch Streit. Schnell ist man dabei, die Unterschiede zu betonen; vielleicht sogar Grenzen zu setzen und manche auszuschließen, weil sie nicht so sind wie die meisten, oder so denken, wie ich. Und nicht selten hat die Vielfalt der Menschen etwas Verstörendes. Einer der ersten Gemeindegründer blickt grundsätzlich positiv auf die Vielfalt. Er sieht in der Unterschiedlichkeit vielmehr die Fülle der Begabungen, mit der die Gemeinschaft der Gläubigen durch den Heiligen Geist gesegnet ist. Im 1 Korintherbrief schreibt der Apostel Paulus einmal:Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter, aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte, aber es ist ein Geist, der wirkt alles in allen. Durch einen jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller. (1. Kor 12) Und dann zählt er unterschiedliche Stärken auf, die er bei den Leuten entdeckt: Da ist einer, der hat viel Lebenserfahrung und ist weise mit seinen Worten. Da ist eine andere, die hat einen starken Glauben und kann andere begeistern und zum Leben ermutigen. Und wieder ein anderer, dem gelingt es zu heilen; wie er Schmerz lindert durch Worte und Anwesenheit oder mit der Weisheit der Medizin. Und eine hat besondere Kräfte und man sagt, sie könne Wunder tun.

Und noch ein anderer findet Worte, die die Wahrheit treffen, und er entlarvt jede Lüge oder bewusste Halbwahrheit. Und wieder eine andere spürt genau, von welchem Geist ein Mensch beseelt ist, und ob das ihm und der Gemeinschaft gut tut. Und so ließen sich unendlich viele Fähigkeiten aufzählen bis heute. Der eine ist ein Computerfreak, der andere kann gut mit alten Menschen umgehen. Die eine arbeitet in der Diakonie, die andere in der Verwaltung. Um Himmels Willen müssen nicht alle alles können. Aber es ist wichtig für die Gemeinschaft, dass möglichst viele Gaben zum Zuge kommen. Gerade darin erfüllt sich das Wesen nicht nur einer christlichen Gemeinde, sondern liegt auch die Stärke einer jeden Organisation. Und es gibt im Grunde nur drei Kriterien für die Kirche, an denen sich alle in ihren unterschiedlichen Fähigkeiten messen lassen müssen:Erstens: Verstehst du deine Stärken als ein Geschenk Gottes oder als dein eigenes Verdienst? Zweitens: Setzt du deine Begabungen so ein, dass sie zu den Worten und dem Wesen Jesu passen? Und drittens: Nutzen deine Fähigkeiten nicht nur dir, sondern vielen?

In einem jeden offenbart sich der Heilige Geist zum Nutzen aller, schreibt der Apostel. Starke Worte, die den Raum weiten für unterschiedliche Menschen unter einem Dach und jeder und jedem Mut machen, die eigenen Fähigkeiten wirksam werden zu lassen im Heiligen Geist. In Regenbogenfarben ist ein Kreis aufgemalt:

Darin acht Felder wie Tortenstücke, die alle gleich groß sind und je eine Farbe tragen. Da gibt es vier Himmelsrichtungen: Vorantreiben in Gelb  und Überwachen in Blau stehen sich wie Nord und Süd gegenüber. Beraten in Grün links und Organisieren in Rot rechts, einander gegenüber West und Ost. Und wie in einer Windrose weitere Farbnuancen, mit Stärken und Begabungen, die sich zwischen die vier großen Himmelsrichtungen einfügen lassen. Aufgaben eines guten Teammanagements ist es, diese unterschiedlichen Begabungen beieinander zu halten und zum Nutzen für das Ganze zur Wirkung kommen zu lassen. Eine Organisation ist nicht dann stark, wenn sie nur Menschen sammelt, die alle irgendwie ähnlich sind. Eine Organisation richtet sich zu Grunde, wenn sie bestimmte Fähigkeiten von vorn herein wichtiger nimmt als andere.

Natürlich braucht es Leute, die kraftvoll Dinge vorantreiben. Oder die großen Organisatoren, die sofort einen Blick dafür haben, wie die Aufgaben sortiert werden müssen. Aber auch der Skeptiker ist nicht nur Bremser. Er dämpft Euphorie, wenn Gefahren nicht gesehen werden. Oder der Hochsensible. Er ist nicht der Gefühlige und damit Schwache, vielmehr hat er ein Sensus für Chancen, die nicht auf den ersten Blick sichtbar sind; er hört Zwischentöne und braucht Zeit, sich Gehör zu verschaffen, aber auch er fügt einen wichtigen Baustein zum Gelingen des Ganzen bei. Die Palette der Begabungen ist groß. Pfingsten ist das Fest der Einheit bei aller Vielfalt. Es geht gerade nicht darum, alles gleich zu machen. Es geht nicht um Uniform und Linientreue, wenn alle eines Geistes Kind sind. Im Gegenteil. Es geht um eine wohltuende Toleranz der vielen verschiedenen Farben, die aus der Fülle des Lichtes hervorbrechen: Strahlen brechen viele aus einem Licht. Unser Licht heißt Christus.

Strahlen brechen viele aus einem Licht, und wir sind eins durch ihn. So klingt es in einem noch recht jungen Kirchenlied.Gaben gibt es viele, Liebe vereint, Liebe schenkt uns Christus, Gaben gibt es viele, Liebe vereint, und wir sind eins durch ihn.

Meine Lieblingsfarbe ist Blau. Jedenfalls steht sie mir nahe. Das heißt nicht, dass ich die anderen nicht mag. Im Gegenteil. Aber es ist wohl gut, sich ein wenig Rechenschaft darüber zu geben, wo die eigenen Stärken und Vorlieben liegen. Wenn ich mir klar mache, dass es keine selbst erworbenen Stärken, sondern im letzten Grunde Gottes Geistesgaben sind, kann ich mich mit ihnen zufrieden geben. Ich muss nicht alles können, aber ich kann das für mich und andere zum Zuge kommen lassen, was mir gegeben ist. Und wenn der Neid mich übermannt, dass andere manche besser können, hilft mir die Vielfalt der Farbpalette. Gut, dass es auch Rot und Grün, Orange und Gelb und Violett gibt. Wunderbare Farben im Lichte Gottes. Nicht von Ungefähr ist der Regenbogen ein biblisches Friedenszeichen. Er verbindet Himmel und Erde und versöhnt die Verschiedenheit der Menschen auf diesem Erdball.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Christine Rösch

Christine Rösch

Geboren am 28.09.1958 in Gotha | 1977 Abitur | Studium an der Bauhaus-Universität Weimar mit Abschluss als Dipl. Ing. für Gebiets- und Stadtplanung 1983 | danach tätig in der Altstadtsanierung und im Kirchenbau der Stadt Gotha | ab 1992 theologische Ausbildung | 1. und 2. Examen und Ordination | zunächst Pfarrstelle in Seebergen (Kreis Gotha) | ab 2002 Pastorin für allgemeinkirchliche Aufgaben der Landeskirche in der 1. Pfarrstelle des Diakonischen Werkes Thüringen | ab 2014 theologische Referentin im Landesverband der Diakonie Sachsen | wohnhaft in Radebeul

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.