Montag, 10.05.2021: Betsäule

Sie zieht mich in ihren Bann, ich kann nicht einfach vorübergehen. Bleibe stehen, schaue sie länger an und muss schmunzeln. Ich fotografiere sie, jene Betsäule. Kein Wegekreuz der Alpenregion, sondern eine steinerne Steele, aus der ein geschickter Steinmetz oben – unter einer gehauenen Dachwölbung – eine kleine Kammer herausgearbeitet hat.

In diesem Kämmerchen steht eine Jesusfigur. Was mich dabei schmunzeln lässt, ist das aufwändig geschmiedete Gittertürchen, das den Aufbewahrungsraum verschließt, gesichert mit einem klobigen Vorhängeschloss und Bändern, die ein schweres Tor hätten tragen können. Armer Jesus, denke ich. Haben sie dich hier eingesperrt. Wie in einen Hochsicherheitstrakt. Aber da holt mich der Gedanke ein: Wie oft mache ich das genauso. Sperre Gott (und die Welt) in meinem Oberstübchen ein. Habe festgefügte Bilder und Vorstellungen, die ich mir keinesfalls nehmen lassen möchte. Sichere sie gegen jede Infragestellung ab.

In der biblischen Ostergeschichte begegnet der auferstandene Jesus der Maria-Magdalena, einer seiner treuesten Gefährtinnen. Als sie endlich zu fassen beginnt, wen sie da vor sich hat, drückt sie Jesus offenbar fest an sich. "Halt mich nicht fest!" – ist seine Reaktion. Lass mich los! – mit anderen Worten. Öffne das Gittertürchen in Deinem Kopf! Versteh doch: Was du festhältst, ist nicht Gott in seiner Größe, Macht oder auch Andersartigkeit. Letztlich hältst Du die Vergangenheit fest, Deine Erfahrungen, Deine Wünsche. Du kannst mich nicht besitzen und brauchst mich nicht festhalten. Gerade im Loslassen wirst Du gewinnen. Im Loslassen werden deine Hände frei, um Neues zu empfangen. Und Deine Gedanken, um eine weite Perspektive zu gewinnen. Erst im Loslassen wirst Du die Erfahrung machen, dass Du von Gott gehalten bist.

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